Aktuelle Rechtsprechung zu „Made in Germany“: Auf den konkreten Anteil kommt es an

Aktuelle Rechtsprechung zu „Made in Germany“: Auf den konkreten Anteil kommt es an
von Mag. iur Christoph Engel
25.08.2011 | Lesezeit: 4 min

Was ist „Made in Germany“? Ein alter Streit schwelt um die Frage, an welche Produkte diese Bezeichnung vergeben werden darf – mittlerweile finden sich hierzu dutzende Ansichten, die zumeist auf Anteil, Bedeutung oder Wert der in Deutschland gefertigten Teile bzw. durchgeführten Arbeitsschritte abstellen. Aktuell gibt ein Urteil des OLG Düsseldorf (05.04.2011, Az. I-20 U 110/10) wertvolle Hinweise auf den korrekten Umgang mit dem Prädikat „Made in Germany“.

 

Sachverhalt

Ein deutsches Unternehmen bot unter mehrfachem Hinweis auf „Made in Germany“ Bestecksets an, bei denen tatsächlich alle Besteckteile mit Ausnahme der Messer in Deutschland produziert wurden. Die Rohmesser wurden dagegen in China hergestellt, wobei dort zumindest in Deutschland produzierte Maschinen zum Einsatz kamen. Die Messer wurden in Deutschland lediglich poliert und dem übrigen Besteckset beigefügt.

 

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Urteil

Das ist nach Ansicht der Düsseldorfer Richter jedoch nicht genug; der Verbraucher, der ein Besteck „Made in Germany“ kauft, geht schließlich davon aus, dass die Produktion der Besteckteile tatsächlich in Deutschland stattgefunden hat (OLG Düsseldorf, Urt. v. 05.04.2011, Az. I-20 U 110/10; m.w.N.):

 

„Bei Industrieprodukten – wie hier – geht der Verkehr davon aus, dass die Behauptung ‚Produziert in Deutschland‘ voraussetzt, dass alle wesentlichen Herstellungsschritte in Deutschland erfolgt sind[…]. Würde es nur um das Design gehen, wäre der Begriff ‚produziert‘ ebenso wie ‚made‘ falsch. Die Messer werden aber zu einem ganz erheblichen Teil in China hergestellt. Sie werden – auch wenn dies ein wichtiger Produktionsschritt sein mag – in Deutschland lediglich poliert. Damit besteht hinsichtlich der Messer aufgrund der Angaben auf der Packung und dem sie aufnehmenden Hinweis auf dem beigelegten Hinweisblatt die Erwartung, dass jedenfalls alle wesentlichen Herstellungsschritte in Deutschland erfolgt sind, die jedoch nicht gerechtfertigt ist, da jedenfalls grundlegende und zumindest ebenfalls bedeutende Herstellungsschritte in China erfolgt sind.“

 

Abzustellen sei hierbei gar nicht einmal auf den Anteil der Produktionsschritte – auf das Set insgesamt oder auf die Messer bezogen – sondern auf die Erwartungen des Verbrauchers:

 

„Die besondere Herausstellung des Herstellungslandes begründet bei den angesprochenen Verkehrskreisen die Erwartung, sämtliche Teile des beworbenen Bestecks seien in Deutschland hergestellt. Es ist insoweit schon zweifelhaft, ob in einem Fall, in dem dies nur auf eine Mehrzahl verschiedener Teile eines Gesamtbestecks zutrifft, die Prozentangaben der IHK (45% Fertigungsanteil) bzw. die Bestimmungen des Zollkodexes, nach denen der letzte wesentliche Bearbeitungsschritt maßgebend sein soll, einschlägig sind oder ob nicht vielmehr auch danach die Voraussetzungen bei allen Teilen des Bestecks erfüllt sein müssen. Hierauf kommt es jedoch nicht an. Entscheidend sind nämlich nicht diese Regelungen, sondern die Erwartung der Verbraucher. Diese kann zwar durch eine entsprechende Praxis geprägt werden. Dies ist im hier zu entscheidenden Fall jedoch nicht festzustellen. Vielmehr wird hinsichtlich des Bestecks die Herkunft aus Deutschland geradezu als einziges Merkmal herausgestellt, welches aus Sicht des Verbrauchers also gerade den Unterschied zu anderen, vergleichbaren Bestecken ausmacht. Dann wird er aber erwarten, dass diese herausgehobene Angabe auf alle Teile des Bestecks und nicht nur auf den überwiegenden Teil zutrifft.“

Ebenso vermag die Tatsache, dass bei der Produktion zumindest deutsche Maschinen eingesetzt wurden, nicht über die Herkunft der Messer aus China hinweghelfen:

 

„Dass[die wesentlichen Arbeitsschritte]auf aus Deutschland stammenden Maschinen erfolgt sein sollen, vermag hieran nichts zu ändern.[…]

 

Die von der Beklagten für in Asien hergestellte Messer in Anspruch genommene hohe Qualität und hygienische Unbedenklichkeit vermögen nicht zu begründen, warum ein im Wesentlichen in China hergestelltes Produkt in Deutschland als ‚Produziert in Deutschland‘ verkauft werden soll. Gegen die Höhe der Abmahnkosten wendet sich die Beklagte nicht.“

 

Kommentar

Auch das OLG Düsseldorf scheut sich – völlig zu Recht – vor pauschalisierenden Maßstäben bei der Frage, welche Produkte das Prädikat „Made in Germany“ tragen dürfen. Da diese Frage in Deutschland nicht umfassend gesetzlich geregelt ist, wird weiterhin auf den Einzelfall abzustellen sein, hierbei insbesondere auf die beim Verbraucher geweckten Erwartungen.
Weitere Interessante Details zum Thema „Made in Germany“ finden sich übrigens in einem Artikel auf news.de.

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Bildquelle:
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