Mal wieder: „Made in Germany“
Tipp: Weiterführende Informationen finden Sie hier: "Made in Germany - oder doch nicht? Die Zulässigkeitskriterien für die Herkunftsangabe nach der Rechtsprechung"
Die Werbung mit geografischen Herkunftsangaben wie „Deutsches Produkt“ oder „Made in Germany“ ist beliebt, weil geeignet, den Verbraucher von der besonderen Qualität der beworbenen Produkte zu überzeugen und dadurch einen zusätzlichen Kaufanreiz zu schaffen.
Inhaltsverzeichnis
Die IT-Recht-Kanzlei hat in der Vergangenheit in einigen Beiträgen auf die Tücken der Werbung mit geografischen Herkunftsangaben hingewiesen.
Das LG Düsseldorf musste sich in einem aktuellen Urteil (Urteil v. 14.07.2010, Az. 2a O 12/10, nicht rechtskräftig) mit der Frage befassen, ob ein in qualitativer und auch quantitativer Hinsicht nur teilweise in Deutschland gefertigtes Produkt mit den Herkunftsbezeichnungen „Produziert in Deutschland“ und „Made in Germany“ beworben werden durfte.
I. Der Hintergrund
Unrichtige oder irreführende Angaben bei der Werbung mit geografischen Herkunftsangaben können für den Werbenden unangenehme Konsequenzen haben. Geografische Herkunftsangaben genießen insbesondere Schutz nach den §§ 126 ff. des Markengesetzes. Vor Irreführungen durch solche Angaben schützt ferner der § 5 Abs. 1 Nr. 1 UWG.
Eine umfassende Darstellung des rechtlichen Hintergrunds zum Schutz der geografischen Herkunftsangaben können Sie diesem Artikel der IT-Recht-Kanzlei entnehmen.
Als besonders problematisch stellt sich die Nutzung geografischer Herkunftsangaben für Produkte dar, die nicht ausschließlich im angegebenen Land produziert worden sind. Im Zeitalter der Globalisierung ist es an der Tagesordnung, dass Produkte länderübergreifend gefertigt werden bzw. in Deutschland zusammengesetzt werden, dabei aber auch Komponenten ausländischer Produzenten genutzt werden.
Für in Deutschland hergestellte Produkte ist die Bezeichnung als „Deutsches Produkt“ oder „Made in Germany“ grundsätzlich gerechtfertigt. In obigen Konstellationen stellt sich allerdings die Frage, wann ein Erzeugnis als in Deutschland hergestellt gilt.
Weiterführende Informationen zu dieser Thematik finden Sie in folgendem Artikel der IT-Recht-Kanzlei.
Das LG Düsseldorf hatte sich mit dieser Problematik in Bezug auf Besteckmesser zu beschäftigen, die zum Teil in China, zum Teil in Deutschland gefertigt wurden.
II. Die Entscheidung
Streitgegenständlich im Verfahren vor dem LG Düsseldorf war ein 24teiliges Besteckset, bestehend aus je sechs Messern, Gabeln, Löffeln und Kaffeelöffeln.
Beklagt war ein Unternehmen, das dieses Besteckset an Verbraucher vertrieb und dabei auf dessen Verpackung den Hinweis „Produziert in Deutschland“ sowie eine abgebildete Deutschlandfahne anbrachte. Desweiteren war den Sets ein Informationsblatt mit Pflegehinweisen beigelegt, auf welchem sich der Zusatz „Made in Germany“ fand.
Die Gabeln und Löffel wurden wie die Produktverpackung unstreitig durch die Beklagte ausschließlich in Deutschland hergestellt.
Nicht so bei den enthaltenen Monoblockmessern: Die aus einem Stück bestehenden Besteckmesser wurden zwar von der Beklagten in Deutschland einer Nachbearbeitung unterzogen, indem diese die Messer dort mehrfach polierte. Die Herstellung des Rohmessers fand jedoch in China statt. Dort wurden die Messer erhitzt, geschmiedet, der Klingenbereich umschnitten, gehärtet und geschliffen. Diese Fertigungsschritte in China erfolgten mittels einer aus Deutschland importierten Maschinentechnologie.
Das Gericht folgte der Ansicht der klagenden Zentrale zur Bekämpfung des unlauteren Wettbewerbs e.V. und entschied, dass die von der Beklagten benutzten geografischen Herkunftsangaben für das Besteckset unzutreffend sind.
1. Unzutreffend in qualitativer Hinsicht
Das LG Düsseldorf stellte fest, dass die Bestimmung der Richtigkeit einer geografischen Herkunftsangabe bei Produkten die nur zum Teil in dem angegebenen Land hergestellt wurden oder bei denen nur ein Teil des Produktionsprozesses in dem angegebenen Land stattgefunden hat im Einzelfall und unter Berücksichtigung der Verkehrsauffassung zu erfolgen hat. Dabei ist nicht erforderlich, dass das Produkt vom gedanklichen Entwurf bis zur endgültigen Fertigstellung in dem angegebenen Land hergestellt worden ist.
Zu verlangen ist jedoch, dass der maßgebliche Herstellungsvorgang, bei dem die Ware wesentliche Teile und bestimmende Eigenschaften erhält in dem angegebenen Land erfolgt.
Ebenso ist darauf abzustellen, ob die Eigenschaften oder Teile einer Ware, welche nach Auffassung des Publikums deren Wert ausmachen auf einer deutschen oder ausländischen Leistung beruhen. Folglich ist die Angabe „Made in Germany“ dann irreführend, wenn zahlreiche wesentliche Teile eines Geräts aus dem Ausland stammen, es sei denn, dass die Leistungen in Deutschland erbracht worden sind, die für jene Eigenschaften der Ware ausschlaggebend sind und für die Wertschätzung des Verkehrs im Vordergrund stehen.
Nach den vorstehenden Grundsätzen kam das Gericht zu dem Schluss, dass die Bezeichnung „Produziert in Deutschland“ hier unzutreffend war, weil die Messer im Wesentlichen in China, und nicht in Deutschland hergestellt worden sind:
„Unstreitig werden die Messer in China erhitzt, geschmiedet, der Klingenbereich umschnitten, gehärtet und geschliffen. In Deutschland werden die Messer poliert, wobei hier dahinstehen kann, in welchem Umfang dies stattfindet. Allein die Arbeitsschritte, die unstreitig in China stattfinden, sind so wesentlich, dass der Verkehr die Nachbehandlung in Deutschland nicht mehr als Produktion des Messers versteht, sondern hierin eine reine Überarbeitung sieht. Das Messer wird bereits vollständig hergestellt und in Deutschland nur noch poliert. Auch wenn dies ein maßgeblicher Schritt für die Qualität des Messers darstellt, ist das Messer selbst zu einem großen Teil bereits fertig, wenn es nach Deutschland geliefert wird. Insbesondere ist die Klinge schon geschliffen, die in den Augen der Verbraucher maßgeblich ist für die Qualität eines Messers.“
Auch dem Einwand der Beklagten dahingehend, dass die Messer in China mit deutschem Know-how produziert werden wurde eine Absage erteilt:
„Dabei ist es unerheblich, ob die Messer in China mit Hilfe deutscher Technologie hergestellt werden. Maßgeblich ist allein der Herstellungsort und nicht die Herstellungsart.“
2. Unzutreffend in quantitativer Hinsicht
Die Beklagte wandte weiterhin ein, dass das Besteckset zum größten Teil aus deutscher Fertigung stammt, da außer den sechs Messern die restlichen 18 Besteckteile sowie die Verpackung ausschließlich in Deutschland hergestellt werden. Mithin seien die für das Besteckset genutzten geografischen Herkunftsangaben schon aus quantitativen Gesichtspunkten zutreffend.
Das LG Düsseldorf war jedoch anderer Ansicht:
„Entgegen der Auffassung der Beklagten genügt auch die Herstellung allein der Messer in China, um das Besteckset nicht mit „Made in Germany“ bewerben zu dürfen. Auch insoweit ist die Verkehrsauffassung zu berücksichtigen. Eine rein mathematische Betrachtung ist nicht entscheidend, sodass es nicht darauf ankommt, dass hier nur die Messer, d.h. nur ein Viertel des gesamten Bestecksets in China hergestellt wurde. Die Klägerin hat zutreffend ausgeführt, dass den Messern ein höherer Stellenwert zukommt als den Gabeln und Löffeln. Zum einen werden die Messer in der Regel am häufigsten gebraucht und zum anderen werden die Verbraucher gerade hinsichtlich der Messer besonderen Wert auf die Qualität legen und ggf. Wert darauf legen, dass die Messer die hohen Qualitätsvorstellungen widerspiegeln, die mit deutschen Produkten verbunden werden, da es gerade bei Messern besonders wichtig ist, dass die Messer nicht stumpf aber auch nicht zu scharf sind und auch größerem Druck standhalten müssen. Diese Funktionen müssen Gabeln und Löffel nicht erfüllen.“
III. Fazit
Die Entscheidung des LG Düsseldorf zeigt aufs Neue die Tücken der Nutzung von geografischen Herkunftsangaben.
Vorliegend ist die Entscheidung des Gerichts, den Schwerpunkt der Produktion der Messer im Ausland zu sehen auch für den Rechtslaien prognostizierbar und gut nachvollziehbar, da sich die „deutsche Wertarbeit“ lediglich auf das Polieren der bereits im Ausland nahezu fertiggestellten Messer beschränkte.
Bei Produkten, deren Fertigung ausgeglichener im In- und Ausland stattfindet ist diese Grenzziehung ungleich schwerer vorzunehmen und damit mit einem nicht unerheblichen Prognoserisiko verbunden.
In derartigen Konstellationen sollte mit geografischen Herkunftsangaben besonders sorgsam umgegangen werden. Es muss vorab umfassend abgewogen werden, wo (aus Sicht der Verbraucherkreise) sich der Schwerpunkt der Fertigung befindet und ob die Produktionsschritte oder die Komponenten, die der Ware ihre ausschlaggebenden Eigenschaften und ihre Wertschätzung verleihen im beworbenen Land stattfinden bzw. ihre Herkunft haben.
Schließlich stellt das Urteil klar, dass auch in quantitativer Hinsicht eine „Auslandsbeteiligung“ von nur 25% (hier: sechs schwerpunktmäßig im Ausland produzierte Messer gegenüber 18 gänzlich im Inland produzierten Gabeln und Löffeln) am Gesamtprodukt bereits ausreichend sein kann, eine geografische Herkunftsbezeichnung unzutreffend werden zu lassen.
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2 Kommentare
Beispiel: Wer eine Axt "made in Germany" kauft, kann durchaus erwarten, dass sowohl Stiel als auch Kopf aus deutscher Produktion stammen und beide auch in Deutschland zusammengefügt wurden.
Gegenbeispiel: Wer ein komplexes Werkzeug (etwa eine Kettensäge) "made in Germany" kauft, kann gerade nicht erwarten, dass alle Kabel, Litzen, Stecksicherungen, Schläuche, Schrauben, Nieten, Plastikschalen und ähnliche Teile auch tatsächlich in Deutschland hergestellt worden sind. Das wäre einerseits unnötig teuer, andererseits sind bestimmte hochqualitative Teile oftmals gar nicht bei deutschen Zulieferern erhältlich.
Wenn aber ein solches Werkzeug ganz überwiegend aus "deutschen" Teilen besteht, die essentiellen Teile (bei der Kettensäge z.B. Antrieb, Sicherungssystem, Schwert und Sägekette)in Deutschland gefertigt wurden und sensible Arbeitsschritte wie Endmontage und Qualitätskontrolle auch hier in Deutschland vorgenommen wurden, dann kann es durchaus das Prädikat "made in Germany" verdient haben.
Die Zahl "25%" stammt übrigens nur aus diesem einzelnen Urteil, der genaue Anteil muss stets im Einzelfall entschieden werden.