Werbung für Nahrungsergänzungsmittel: Urteil über Werbung mit Aussagen Dritter und eine „völlig bescheuerte“ Rechtslage
Tipp: Weiterführende Informationen zum Thema finden Sie hier: "Verkauf von Nahrungsergänzungsmitteln"
Wer für Nahrungsergänzungsmittel (NEM) Werbung betreibt, ist an eine strikte Gesetzgebung zum Aussagegehalt dieser Werbung gebunden; insbesondere dürfen keine Äußerungen Dritter herangezogen werden, die eine Wirksamkeit dieser Mittel anpreisen. In einer Dauerwerbesendung eines TV-Shops versuchten nun ein Moderator und der Geschäftsführer eines NEM-Herstellers, diese Regelung elegant zu umsegeln – und erlitten dabei (juristischen) Schiffbruch.
TV-Shops sind ja landläufig dafür bekannt, dass sie die besten Produkte zu den niedrigsten Preisen anbieten; entsprechend optimistisch sind stets auch die Aussagen der im Studio anwesenden Experten. Dumm nur, dass beim Verkauf von NEM im Prinzip Schweigen herrschen müsste – außer einer Verlesung der Inhaltsstoffe ist in der Werbung hier nämlich relativ wenig erlaubt. Vor allem ist es nach § 12 Abs. 1 Nr. 4 LFGB verboten, die Werbung mit Äußerungen Dritter, insbesondere Dank- oder Empfehlungsschreiben (soweit sie sich auf die Linderung von Krankheiten beziehen), zu garnieren.
Zwei findige Werber hatten nun einen raffinierten Plan um diese Regelung zu umgehen – einfach vorher ansagen, dass die Werbung für NEM mit Aussagen Dritter verboten ist, und dann die Dritten am Telefon zu Wort kommen lassen. Bei den beiden handelte es sich um den Moderator einer Verkaufsshow und den Geschäftsführer eines NEM-Produzenten, der in die Show gekommen war, um das Mittel vorzuführen. Die beiden führten vor den Anrufen zufriedener Kunden einen Dialog, um die Rechtslage – deutlich aus ihrer Sicht – darzustellen:
„Moderator: Es gibt in Deutschland ne Gesetzgebung, und die besagt, wir dürfen nicht alles sagen.
Geschäftsführer: Ne, eigentlich nix.
M: Wir dürfen also gar nichts sagen...
G: Also, ist schon ganz interessant
M: Verstoße ich eigentlich jeden Tag gegen dieses Gesetz.
G: Ne, wir dürfen im deutschen Fernsehen keine gesundheitsfördernden Aussagen tätigen in Verbindung mit Nahrungsergänzungsprodukten. Völlig bescheuert. An dieser Stelle auch ‚Guten Morgen liebe Abmahnvereine‘, denn die schauen uns zu und die passen auf, dass wir das nicht machen.
M: Hallo.
G: Würden wir aber zum Beispiel aus Holland senden, oder sogar aus der Schweiz, dürften wir mehr sagen als in Deutschland. Ich weiß nicht woran das liegt, für mich macht das keinen Sinn. Macht nichts. Das Schöne ist, dass Sie sich selber informieren, und das dürfen Sie Gott sei Dank noch.
M: Ich mein, da muss man wirklich sagen, Danke fürs Internet.
G: Genau, ganz genau. Denn da kann man, hier ist ja ganz schön viel Lutein drin [...]“
Als wäre das nicht schon albern genug, riefen anschließend mehrere zufriedene Kundinnen an, die das Mittel – es soll gegen Beschwerden während der Wechseljahre helfen – in den höchsten Tönen lobten. O-Ton:
„Ich bin ja gut drei Jahre Kunde schon da, und ich hab ja auch von die Wechseljahre diese Sachen genommen auch. Und ich muss sagen, hab ich nen sehr großen Erfolg gehabt, dass ich sie absetzen konnte. – Ah, [Name des Produkts]! – […] brauch ich nicht mehr. Es ist weg, ich hab die fliegende Hitze ganz weg durch diese Produkte gekriegt. […] Nichts mehr davon.“
Tatsächlich hatten die zwei Strategen in einem Punkt recht: Ein „Abmahnverein“ sah zu, und reagierte prompt mit – na, was wohl? – einer Abmahnung. Zur Begründung führte der Abmahner aus, die Art und Weise der Distanzierung von den Aussagen Dritter reiche in keiner Weise aus, um den Vorgaben des LFGB Genüge zu tun; vielmehr liege hier offensichtlich ein (untauglicher) Versuch vor, die gesetzte Rechtslage zu umgehen.
Die Sache landete schlussendlich vor dem OLG Düsseldorf (Urt. v. 23.11.2010 - I-20 U 130/09), und auch die Richter sahen den Versuch als gescheitert an; nach Ansicht der Richter war der vorhergehende Dialog in keiner Weise geeignet, eine rechtmäßige Situation bezüglich der Aussagen Dritter herzustellen:
„Zur Begründung des Unterlassungsanspruches reicht es aus, dass mit Äußerungen Dritter in einer Weise geworben wird, dass aus Sicht des Verbrauchers der Eindruck entstehen kann, das beworbene Mittel habe die vom Dritten angesprochenen Wirkungen. Dies wäre nur dann zu verneinen, wenn sich die Beklagte ausdrücklich und ernsthaft von den Äußerungen der Zuschauerinnen distanziert hätte […].
Bei den beiden in Rede stehenden Anrufen vermag der Senat eine ernsthafte Distanzierung nicht zu erkennen. Insoweit ist jede vermeintlich distanzierende Äußerung schon durch die Äußerung am Beginn der Sendung entwertet, es sei ‚völlig bescheuert‘, dass in Deutschland gesundheitsbezogene Aussagen über Nahrungsergänzungsmittel verboten seien, man könne sich aber ja im Internet selber über die Wirkungen informieren und die – zumindest bezüglich der Niederlande unrichtige – Aussage, in den Niederlanden und der Schweiz könne man solche Aussagen machen.“
Den Versuch war’s wert, könnte man vielleicht sagen – allerdings hat der Versuch hier nichts als Ärger (insbesondere in Form von Abmahn- und Prozesskosten) gebracht. Ganz durchdacht war der Ansatz vielleicht auch nicht – wer das Risiko in Kauf nimmt, vor Gericht zu landen, tut eventuell gut daran sich dabei nicht auch noch über das „völlig bescheuerte“ Rechtssystem auszulassen.
Schließlich sind Richter ein Teil davon – entsprechend humorlos haben sie hier auch reagiert. Doch auch ohne diesen Fehltritt hätte das Urteil kaum anders ausfallen können, zu offensichtlich sind die Verstöße gegen das Lebensmittelrecht. Wer also neue Tricks im Werberecht ausprobieren will, tut gut daran, den Plan mit einem Juristen durchzusprechen; im.
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