BGH zur Arzneimittelwerbung: Empfehlung der „modernen Medizin“ ist unlauter

BGH zur Arzneimittelwerbung: Empfehlung der „modernen Medizin“ ist unlauter
von Mag. iur Christoph Engel
01.10.2012 | Lesezeit: 3 min

Im Heilmittel-Werberecht ist es (noch) verboten, in Verbraucherkreisen für Arzneimittel mit der Angabe zu werben, es sei ärztlich besonders empfohlen. Der Bundesgerichtshof hat nun in einem aktuellen Urteil entschieden, dass auch die Angabe, die moderne Medizin setze auf ein bestimmtes Medikament, unter dieses Verbot fällt (vgl. aktuell BGH, Urteil vom 18.01.2012, Az. I ZR 83/11 – „Euminz“).

 

 

Streitgegenstand war eine Werbeanzeige für das Präparat Euminz, das auf Minzöl basiert und gegen verschiedene Arten von Kopfschmerzen eine Alternative zu chemischen Arzneimitteln sein soll. Die Anzeige enthielt dabei u.a. die Aussage:

„Die moderne Medizin setzt daher immer öfter auf das pflanzliche Arzneimittel Euminz […]“

Diese Werbeaussage verstößt jedoch gegen § 11 HWG, der bei Arzneimittelwerbung gegenüber Verbrauchern die Angabe verbietet, das Mittel sei ärztlich besonders empfohlen.

Der Bundesgerichtshof führte aus, diese Werbung sei dahingehend zu verstehen. Schließlich bedeute die Werbeaussage nach dem Verständnis des durchschnittlichen Verbrauchers (vgl. BGH, Urteil vom 18.01.2012, Az. I ZR 83/11; mit weiteren Nachweisen),

„[…] der Arzt ‚setze‘ nach allgemeinem Sprachverständnis nur dann ‚auf‘ ein bestimmtes Medikament, wenn er es bei der Behandlung auch einsetze. Die angesprochenen Verbraucher nähmen daher an, dass die modernen Ärzte im Rahmen der Behandlung ihrer Patienten bei den angeführten Symptomen zu Euminz rieten, also eine entsprechende Empfehlung aussprächen. Diese Empfehlung sei auch nicht allgemein auf pflanzliche Arzneimittel bezogen, sondern nenne das Produkt Euminz ausdrücklich, so dass die beanstandete Werbung die Verwendung dieses Präparats im Rahmen einer Selbsttherapie empfehle.“

Die Kernfrage des Falls ist somit, ob „die Medizin“ gleichbedeutend zu verstehen ist mit „ein Arzt“ bzw. „die Ärzte“. Nach Ansicht des BGH trifft dies zu, auch wenn die Aussage nicht einer konkreten Person oder einem abgrenzbaren Personenkreis zugeschrieben wird:

„[Es] darf die Öffentlichkeitswerbung für ein Arzneimittel keine Elemente enthalten, die sich auf eine Empfehlung von Personen beziehen, die aufgrund ihrer Stellung als Wissenschaftler oder als im Gesundheitswesen tätige Personen oder aufgrund ihrer Bekanntheit zum Arzneimittelverbrauch anregen können. Eine Anregung zum Arzneimittelverbrauch kann von einer Empfehlung unabhängig davon ausgehen, ob als Gewährspersonen für die Empfehlung eine bestimmt bezeichnete einzelne Person, eine individualisierbare Personengruppe oder wie im Streitfall die Angehörigen der mit der Behandlung der betreffenden Krankheit befassten Heilberufe benannt werden. Wäre Voraussetzung für ein Eingreifen des Verbots stets die Individualisierbarkeit der die Empfehlung aussprechenden Person bliebe unberücksichtigt, dass die Gefahr einer Selbstmedikation gerade bei Empfehlungen besonders groß ist, die nicht nur von einzelnen, sondern von vielen oder gar von allen im Gesundheitswesen tätigen Personen ausgesprochen werden.“

Zusammenfassend ist festzustellen, dass Arzneimittel nach dem geltenden Heilmittel-Werberecht vor Verbrauchern nicht mit Empfehlungen von Fachpersonal beworben werden dürfen. Nach diesem Urteil zählt hierzu auch die Gesamtheit des Personals, also im konkreten Fall „die moderne Medizin“.

Hinweis: Im Heilmittelwerberecht ziehen demnächst deutlich liberalere Vorstellungen ein – auch was das Thema „Empfehlungen von Wissenschaftlern und Ärzten“ angeht. Die IT-Recht Kanzlei erläutert hier , was in der Arzneimittelwerbung schon bald erlaubt sein wird.

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