Frage des Tages: Müssen Webshops (nur) die Gesetze ihres Sitzstaats beachten?
Webshops, Websites und sonstige digitale Dienste müssen für den Betrieb ihrer Dienste grundsätzlich bloß die Anforderungen aus ihrem EU-Niederlassungsstaat beachten. Ein italienisches Gesetz stellte dies allerdings infrage. Der EuGH entschied nun zu Gunsten der Diensteanbieter von Websites. Wir ordnen die Entscheidung und ihre Auswirkungen für Websites in diesem Beitrag ein.
Inhaltsverzeichnis
- 1) Müssen Websites die Gesetze aller Staaten einhalten, in denen sie abrufbar sind?
- 2) Welches Recht müssen Betreiber von Websites beachten?
- 3) Welche Regelungen sieht das EU-Recht einheitlich für alle digitalen Dienste vor?
- 4) Was hat der EuGH hierzu kürzlich entschieden?
- 5) Für wen gilt die EuGH-Entscheidung?
- 6) Wie wirkt sich die EuGH-Entscheidung auf die Praxis aus?
- 7) Das Wichtigste in Kürze
1) Müssen Websites die Gesetze aller Staaten einhalten, in denen sie abrufbar sind?
Nein, das müssen Websites bzw. digitale Dienste grundsätzlich nicht. Eine solche Regelung wäre auch nicht sinnvoll, da Webseiten aus technischer Sicht grundsätzlich weltweit in derselben Weise abrufbar sind, wenn sie nicht durch Staaten oder sonstige Institutionen gezielt geblockt werden.
2) Welches Recht müssen Betreiber von Websites beachten?
Anbieter von Websites und anderen sog. digitalen Diensten unterliegen grundsätzlich den rechtlichen Anforderungen des Staates, in dem sie niedergelassen sind.
Werden digitale Dienste aber gezielt auf bestimmte EU-Mitgliedstaaten ausgerichtet, so müssen diese ggf. auch rechtliche Vorgaben aus dem Zielland beachten, auf das die digitalen Dienste ausgerichtet sind.
3) Welche Regelungen sieht das EU-Recht einheitlich für alle digitalen Dienste vor?
Anbieter von digitalen Diensten und ihre digitalen Dienste selbst unterliegen den Anforderungen des Staates, in dem sie niedergelassen sind. Dies gilt auch dann, wenn die digitalen Dienste – was üblicherweise der Fall ist – in einem anderen EU-Mitgliedschaft geschäftsmäßig angeboten oder verbreitet werden, soweit nicht die Verordnung (EU) 2022/2065 über digitale Dienste unmittelbar gilt und etwas anderes vorsieht.
Diese Regelungen gehen ursprünglich bereits auf die Richtlinie 2000/31/EG über den elektronischen Geschäftsverkehr zurück und sind in Deutschland in § 3 Abs. 1 des Digitale-Dienste-Gesetzes (DDG) geregelt.
Dieses Gesetz sieht allerdings auch Ausnahmen vor, wie etwa
- bei Gefährdung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung,
- im Hinblick auf die öffentliche Gesundheit oder
- den Schutz von Verbrauchern oder Anlegern (§ 3 Abs. 5 DDG).
In solchen Fällen können Staaten Regelungen vorsehen, die auch digitale Dienste aus anderen EU-Mitgliedstaaten betreffen bzw. regulieren.
4) Was hat der EuGH hierzu kürzlich entschieden?
Der EuGH hat in seinem Urteil vom 30. Mai 2024 (verbundene Rechtssachen C-662/22 und C-667/22) noch einmal bestätigt, dass einzelne EU-Mitgliedstaaten solchen digitalen Diensten keine zusätzlichen Anforderungen auferlegen dürfen, deren Anbieter in einem anderen EU-Mitgliedstaat niedergelassen sind.
Im konkreten Fall hatte ein Gesetz in Italien vorgesehen, dass sich Anbieter von Online-Vermittlungsdiensten und Online-Suchmaschinen, wie Airbnb, Amazon und Google in Italien in einem nationalen, behördlichen Register eintragen müssen, obwohl diese Anbieter in anderen EU-Mitgliedstaaten niedergelassen sind und diese Anforderungen dort nicht bestehen. Zusätzlich war in dem Gesetz geregelt, dass diese Anbieter in Italien der Behörde bestimmte Informationen zur Verfügung stellen und Beiträge an die Behörde zahlen müssen. Zudem war den Anbietern bei Verstößen gegen diese Regelungen Sanktionen angedroht worden.
Die Anbieter der digitalen Dienste hatten sich vor Gerichten mit Verweis auf das sog. Herkunftslandprinzip gegen die Verpflichtungen aus diesem italienischen Gesetz gewehrt. Letztlich kam der Fall zum EuGH, der nun zu Gunsten der Anbieter entschieden hat. Der EuGH bestätigt, dass ein EU-Mitgliedstaat wie Italien Anbietern aus anderen EU-Mitgliedstaaten grundsätzlich keine zusätzlichen Anforderungen allgemeiner oder spezieller Art hinsichtlich dessen digitaler Dienste stellen darf. Dies gelte für die Aufnahme als auch die Ausübung der Tätigkeit eines Dienstes der Informationsgesellschaft, also eines digitalen Dienstes. Insbesondere sind demnach folgende Anforderungen durch andere EU-Mitgliedstaaten unzulässig:
- Anforderungen betreffend der Qualifikation, Genehmigung oder Anmeldung des Dienstes
- Anforderungen hinsichtlich des Verhaltens des Diensteanbieters
- Anforderungen betreffend Qualität oder Inhalt des Dienstes, einschließlich der auf Werbung und Verträge anwendbaren Anforderungen sowie
- Anforderungen betreffend die Verantwortlichkeit des Diensteanbieters.
Die Registrierungspflicht und die weiteren Pflichten nach dem italienischen Gesetz verstoßen nach Ansicht des EGH gegen diese zwingenden Vorgaben der Dienstleistungsfreiheit aus dem EU-Recht.
5) Für wen gilt die EuGH-Entscheidung?
Die EuGH-Entscheidung befasst sich mit der Auslegung und Anwendung der Anforderungen für sämtliche Dienste der Informationsgesellschaft bzw. digitalen Dienste (früher: Telemediendienste).
Die Entscheidung betrifft daher alle Anbieter von digitalen Diensten, wie Online-Vernittlungsdiensten, Online-Suchmaschinen, aber eben auch sonstigen digitalen Diensten, wie zum Beispiel Webshops und Websites. Sie alle können sich mit gutem Recht dagegen wehren, wenn einzelne EU-Mitgliedstaaten ihnen für die Aufnahme oder den Betrieb ihres digitalen Dienstes zusätzliche Regelungen auferlegen, denen sie in ihrem Heimat- bzw. Niederlassungsstaat nicht unterworfen sind.
6) Wie wirkt sich die EuGH-Entscheidung auf die Praxis aus?
Unmittelbare Auswirkung auf die Praxis hat die Entscheidung des EuGH nicht.
Vielmehr zeigt die Entscheidung und bestätigt, dass Anbieter von digitalen Diensten im Wesentlichen bloß den Anforderungen des Staates unterliegen, in dem sie niedergelassen sind. Zusätzliche Anforderungen, die andere EU-Mitgliedstaaten ihnen auferlegen, müssen sie in der Regel somit nicht akzeptieren, sondern können sich erfolgreich hiergegen wehren.
7) Das Wichtigste in Kürze
- Anbieter von Webshops, Websites und anderen digitalen Diensten unterliegen für den Betrieb ihres Dienstes im Wesentlichen den Anforderungen des Staates, in dem sie niedergelassen sind.
- Nur ausnahmsweise können EU-Mitgliedstaaten den Anbietern von digitalen Diensten aus anderen EU-Mitgliedstaaten zusätzliche Anforderungen vorschreiben.
- Allerdings sind diese Anforderungen hoch und betreffen Schutzgüter wie die öffentliche Sicherheit und Ordnung, die öffentliche Gesundheit und den Schutz von Verbrauchern und Anlegern.
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