Wann ist ein Unternehmer Verbraucher?

Wann ist ein Unternehmer Verbraucher?
19.06.2017 | Lesezeit: 6 min

Nur Verbrauchern stehen die Verbraucherrechte wie das Verbraucherwiderrufsrecht zu. Bereut ein Unternehmer i.S.d. § 14 BGB einen Warenkauf im Internet, könnte er versuchen, sich als Verbraucher auszugeben, um den Kaufvertrag widerrufen zu können. Die IT-Recht Kanzlei erläutert, wann ein Kunde überhaupt Verbraucher oder Unternehmer ist und wie sich Händler gegen falsche Verbraucher wehren können.

I. Die Gretchenfrage: Unternehmer oder Verbraucher?

Bestellt jemand in einem Webshop, spielt die Frage, ob er Verbraucher i.S.d. § 13 BGB oder Unternehmer i.S.d. § 14 BGB ist, in der Regel solange keine Rolle, bis er den Vertrag aufgrund des Verbraucherwiderrufsrechts widerrufen will.

Zwar müssen Händler die gesetzlichen Informationspflichten des Verbraucherschutzrechts tatsächlich nur gegenüber Verbrauchern erbringen, doch schadet es aus rechtlicher Sicht nicht, wenn sie auch Unternehmer über das Verbraucherwiderrufsrecht informieren. Dies ist weder gesetzlich verboten noch steht Unternehmern das Widerrufsrecht aufgrund der Belehrung zu.

Widerruft der Kunde einen Fernabsatzvertrag, kann es manchmal fraglich sein, ob das Verbraucherwiderrufsrecht besteht, etwa wenn der Kunde ein selbstständiger Gewerbetreibender oder ein Freiberuflicher ist, der sich die bestellte Ware an seine Firmenadresse schicken lässt oder die Rechnung von seinem Geschäftskonto bezahlt. Selbst im Falle der Bestellung von Verbrauchsgütern oder Konsumgütern muss nicht zwingend ein Verbrauchergeschäft vorliegen.

Möchte ein Online-Händler nicht auch Unternehmern i.S.d. § 14 BGB in Zweifelsfällen das Verbraucherwiderrufsrecht zugestehen, muss er im jeweiligen Einzelfall feststellen können, ob der Kunde Verbraucher oder Unternehmer ist.

Das kann im Einzelnen schwierig sein.

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II. Entscheidend ist der Zweck des Geschäfts

Selbstständige oder Freiberufler sind nicht immer Unternehmer i.S.d. Gesetzes, sondern haben auch ein Privatleben, in dem sie Kleidung kaufen, ins Kino gehen oder Eis essen. Daher knüpft das Gesetz die Verbraucher- und die Unternehmereigenschaft nicht fest an bestimmte Personen, sondern macht diese vom Zweck des jeweiligen Rechtsgeschäfts abhängig:

  • Kauft der Kunde zum Beispiel einen Bleistift, so ist er Unternehmer i.S.d. § 14 BGB, wenn er den Bleistift in seinem Beruf als Rechtsanwalt für Notizen bei Mandantengesprächen nutzen will.
  • Der Rechtsanwalt ist hingegen Verbraucher, wenn er den Bleistift kauft, um damit in seiner Freizeit Skizzen von Skulpturen zu zeichnen.

Im ersten Fall liegt ein Unternehmergeschäft vor, im zweiten Fall ein Verbrauchergeschäft.

Maßgeblich ist der Zweck des Rechtsgeschäfts, der im Zeitpunkt des Vertragsschlusses beabsichtigt ist. Dies bedeutet, dass sich nachträgliche Zweckänderungen nicht auf die Eigenschaft des Rechtsgeschäfts als Unternehmer- oder Verbrauchergeschäft auswirken. Der Kauf des Bleistifts ist und bleibt ein Verbrauchergeschäft, wenn der Käufer ihn ursprünglich zum Aktzeichnen gekauft hat, selbst wenn er damit später ausschließlich Notizen in der Kanzlei macht. Es sind immer dann Verbrauchergeschäfte, wenn das Rechtsgeschäft bzw. die betreffende Ware für den persönlichen, privaten oder familiären Gebrauch vorgesehen ist, also alles, was mit Urlaub, Freizeitgestaltung, Sport, Daseinsvorsorge, Konsum und dem Gebrauch/Verbrauch im Haushalt zu tun hat. Typischerweise weiß der Händler jedoch nicht, zu welchem Zweck der Kunde die Ware kauft, und kann dies auch nicht ohne weiteres feststellen. Was kann er also tun?

III. Vermutung aufgrund objektiver Anhaltspunkte

Um dem unwissenden Verkäufer zu helfen, haben sich ein paar Grundsätze herausgebildet.

So ist im Ausgangspunkt beim Vertragsschluss mit einer natürlichen Person grundsätzlich von einem Verbrauchergeschäft auszugehen (BGH, Urt. v. 30.9.2009 – Az. VIII ZR 7/09; LG Hamburg, Urt. v. 19.5.2010 – Az. 313 O 294/09). Daher spricht auch die Verwendung des Firmenstempels einer selbstständigen Kosmetikerin auf dem Bestellformular nicht zwingend für die Unternehmereigenschaft des Rechtsgeschäfts, jedenfalls nicht eindeutig und zweifelsfrei, etwa wenn sie als Adresse ihre Privatanschrift angegeben hat (LG Hamburg, Urt. v. 19.5.2010 – Az. 294/09 Rn. 18).

Ein weiterer Anhaltspunkt ist die Art der Ware, insbesondere in ihrem Bezug zur beruflichen Tätigkeit des Kunden. Bestellt ein Architekt eine Badehose, so ist kaum vorstellbar, dass die Bestellung mit seiner selbstständigen beruflichen Tätigkeit als Architekt in irgendeinem Zusammenhang steht. Wichtig ist, dass nicht der bloße Wille bzw. der subjektive Zweck des Rechtsgeschäfts entscheidend ist, sondern dasjenige, was objektiv der Zweck des Rechtsgeschäfts zu sein scheint. Somit entscheiden die objektiven Umstände, ob das Rechtsgeschäft privaten oder gewerblichen Charakter hat (vgl. LG Essen, Urt. v. 9.9.2010 – Az. 6 O 132/10 Rn. 51).

Letztlich kommt die Zuordnung eines Rechtsgeschäfts, das eine natürliche Person abschließt, zum unternehmerischen Bereich nur dann in Betracht, wenn es dafür eindeutige und zweifelsfreie Hinweise gibt (BGH, Urt. v. 30.9.2009 – Az. VIII ZR 7/09 Rn. 11).

IV. Wer muss es beweisen?

Streiten Händler und Kunde darüber, ob ein Verbrauchergeschäft vorliegt oder nicht, kommt es entscheidend darauf an, wer in einem Gerichtsprozess die Beweislast trägt.

Nach der allgemeinen Darlegungs- und Beweislastverteilung muss derjenige eine Tatsache behaupten und im Falle des Bestreitens durch die Gegenseite beweisen, der sich auf die Tatsache beruft. Daher muss an sich der Verbraucher darlegen und beweisen, wenn er sich auf die Verbraucherschutzvorschriften des BGB wie etwa das Verbraucherwiderrufsrecht aus § 312g Abs. 1 BGB beruft. Der Verbraucher trägt somit die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass nach dem von ihm objektiv verfolgten Zweck ein Rechtsgeschäft vorliegt, das seinem privaten Rechtskreis zuzuordnen ist. Unsicherheiten und Zweifel auf Grund der äußeren, für den Vertragspartner erkennbaren Umstände des Geschäfts gehen indes nach der negativen Formulierung des Gesetzes nicht zu Lasten des Verbrauchers (BGH, Urt. v. 30.9.2009 – Az. VIII ZR 7/09 Rn. 11).

V. Handlungsempfehlung für Händler – Was tun?

Für Online-Händler lassen sich vor diesem Hintergrund ein paar Guidelines aufstellen.

  • Ist der Besteller (eindeutig) eine juristische Person wie eine AG, eine GmbH, ein Verein oder eine Personengesellschaft, so liegt stets ein Unternehmergeschäft vor.
  • Bestellt hingegen eine natürliche Person, so muss der Händler grundsätzlich davon ausgehen, dass es sich um ein Verbrauchergeschäft handelt, es sei denn der Kaufgegenstand eignet sich objektiv überhaupt nicht zu persönlichen, privaten oder familiären Zwecken und kann für die berufliche, selbstständige gewerbliche oder freiberufliche Tätigkeit des Käufers nutzbar gemacht werden. Alleine die Bestellung mit Rechnungs- und/oder Lieferadresse eines Unternehmens ist kein sicheres Zeichen für ein Unternehmergeschäft, weil sich viele Käufer auch private Käufe an den Arbeitsplatz schicken lassen, schlichtweg da sie dort tagsüber erreichbar sind.

Sowieso gilt: Handelt es sich bloß um den Kauf eines geringwertigen Gegenstandes, dürfte es sich für den Händler kaum lohnen, bei Zweifeln über die Verbrauchereigenschaft des Rechtsgeschäfts mit dem Kunden zu diskutieren. Aus wirtschaftlichen Gründen ist es der Aufwand nicht wert, zudem verliert der Unternehmer im Zweifel – wahrscheinlich auch den Kunden.

VI. Fazit

Ob ein Verbraucher- oder ein Unternehmergeschäft vorliegt, und ob daher Verbraucherwiderrufsrechte bestehen, entscheidet der objektive Zweck des jeweiligen Rechtsgeschäfts im Zeitpunkt des Vertragsschlusses. Zwar ist der Zweck für den Händler beim Vertragsschluss in der Regel nicht erkennbar. Kommt es jedoch später zum Streit darüber, muss in der Regel der Käufer erläutern, warum es sich bei dem Kauf um ein Verbrauchergeschäft handeln soll. Bleiben Restzweifel, geht man beim Kauf durch eine natürliche Person von einem Verbrauchergeschäft aus. Käufe von juristischen Personen sind hingegen immer Unternehmergeschäfte.

Bei Problemen, Rückfragen sowie weiteren Fragen zu diesem Thema hilft Ihnen das Team der IT-Recht Kanzlei selbstverständlich gerne auch persönlich und im Einzelfall weiter.

Tipp: Sie haben Fragen zu dem Beitrag? Diskutieren Sie hierzu gerne mit uns in der Unternehmergruppe der IT-Recht Kanzlei auf Facebook .

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2 Kommentare

I
IT-Recht Kanzlei 09.07.2017, 16:18 Uhr
Rechungsanschrift Indiz
Die Angabe der Firmenadresse als Rechnungsanschrift ist natürlich ein Indiz dafür, dass es sich um ein Unternehmergeschäft handelt. Das ist aber keineswegs sicher, insbesondere wenn der Besteller eine Einzelperson ist, also ein Einzelunternehmen führt. Dann ist es ebenso gut möglich, dass die Person erst einmal alle Arten von Bestellungen über die Firmenadresse abwickelt, Berufliches und Privates sogar miteinander vermischt. Letztlich kommt es bei der Einschätzung, ob es ein Unternehmer- oder Verbrauchergeschäft ist, nicht darauf an, wer die Rechnung bezahlt, sondern zu welchem Zweck das Produkt beim Kauf angeschafft worden ist. So wäre etwa die Essenslieferung an eine Firmenadresse samt Firmenrechnung zum Sofortverzehr in der Mittagspause auch ein Verbraucher- und kein Unternehmergeschäft. Dasselbe gilt für die Abfrage beim Kunden im Rahmen des Vertragsschlusses, ob er Verbraucher oder Unternehmer ist. Die dortige Angabe der Unternehmereigenschaft ist ganz bestimmt ein sehr starkes Indiz, von dem die Person später nicht mehr so leicht wegkommt, indem sie dann doch behauptet, Verbraucher (gewesen) zu sein, aber nicht absolut zwingend.
H
Heiko Grieff 28.06.2017, 15:05 Uhr
Rechnugsanschrift ist kein Indiz?
Hallo,

Sie schreiben:"Alleine die Bestellung mit Rechnungs- und/oder Lieferadresse eines Unternehmens ist kein sicheres Zeichen für ein Unternehmergeschäft, weil sich viele Käufer auch private Käufe an den Arbeitsplatz schicken lassen, schlichtweg da sie dort tagsüber erreichbar sind."

Bei der Lieferanschrift ist dies so korrekt, aber wenn der Kunde bei der Rechnungsanschrift eine Firma angiebt, dann nicht um dahin zu liefern sondern um diese abzusetzen. Daher ist für mich die Rechnungsangabe immer das wichtigste Indiz.

Oder liege ich hier falsch?

Des weiteren fragen wir während des Bestellvorgangs ab ob es sich bei dem Kunden um einen Gewerblichen oder Privaten Kunden handelt. Nur dann kann er auch eine Firma als Rechnungsempfänger angeben. Oder haben Sie da auch evtl. einen Einwand?

Mit freundlichen Grüßen

H. Grieff

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