Abgebrochener Stöpselverschluss bei Spirituose: Anspruch auf Nachlieferung?
Im Falle eines Sachmangels hat der Verbraucher die Wahl zwischen Nachlieferung und Reparatur. Dem Händler steht allerdings das Recht zu, bei wirtschaftlicher Unzumutbarkeit die gewählte Art der Nacherfüllung zu verweigern und den Verbraucher auf die andere zu verweisen. Wie wirkt sich das Verbraucherwahlrecht und das Weigerungsrecht des Händlers bei Lieferung einer Spirituose mit porösem Stöpselverschluss aus?
I. Der Sachverhalt
Verbraucher A bestellt bei Händler B eine Flasche hochwertigen Rum für 130,00€. Nach der Lieferung der Flasche an A wenige Tage später bricht der Stöpsel mittig so ab, dass die Flasche zwar verschlossen bleibt, sich aber nicht mehr ohne zusätzliches Werkzeug entstöpseln lässt. A wollte die Flasche nicht öffnen, sondern sie lediglich verstauen, und griff hierfür an den Flaschenhals.
Es steht eindeutig fest, dass der Stöpsel anfänglich porös war und sein Bruch nicht durch eine fehlerhafte Handhabung durch A verursacht wurde.
A möchte nun von seinem Gewährleistungsrecht Gebrauch machen und fordert B (Zug-um-Zug gegen die Rückgabe der reklamierten Flasche) zur Lieferung einer neuen Flasche Rum mit intaktem Stöpselverschluss auf.
A klagt über den erlittenen Wertverlust der Flasche mit abgebrochenem Stöpsel und will sich mit einem bloßen Austausch des kaputten gegen einen intakten Stöpsel nicht zufrieden geben. Immerhin würde dadurch die bisher luftdicht verschlossene Flasche geöffnet, was sich durch Oxidation abträglich auf die Qualität des Rums auswirken würde.
Händler B stellt sich die folgenden Fragen:
1.) Muss er nur wegen des kaputten Stöpsels im Wege der Nacherfüllung eine völlig neue Flasche liefern oder darf er seine Nacherfüllungspflicht rechtskonform auf den bloßen Austausch des Stöpsels beschränken und nur einen neuen Stöpsel versenden?
2.) Falls B eine neue Flasche liefern muss: Wer hat die Rücksendekosten der reklamierten Flasche zu tragen?
II. Die Lösung
1.) Ersatzlieferung oder Nachlieferung nur des Stöpsels?
Liegt - wie im Fall in Form des unstreitig anfänglich porösen Stöpsels - ab Gefahrübergang ein Sachmangel vor, kann der Verbraucher nach seiner Wahl entweder die Lieferung einer neuen Sache oder die Reparatur der reklamierten Sache verlangen. Dieses Wahlrecht darf der Händler nach § 475 Abs. 1 BGB vertraglich nicht beschränken.
Allerdings erkennt der Gesetzgeber, dass es Fälle geben kann, in welchem dem Händler die vom Verbraucher gewählte Art der Nacherfüllung nicht zumutbar wäre.
Deshalb sind in § 275 Abs. 2 und 3 BGB und in § 439 Abs. 4 BGB sog. „Verweigerungsrechte“ des Händlers normiert, unter deren Voraussetzungen er die gewählte Art der Nacherfüllung ablehnen und sich stattdessen auf die andere beschränken kann.
Als Tatbestandsvoraussetzung ist allen o.g. Rechtsgrundlagen für die zulässige Verweigerung der gewählten Art der Nacherfüllung gemein, ob sie für den Händler unter Berücksichtigung der anderen Art der Nacherfüllung nur mit unverhältnismäßigen Kosten möglich ist. Dabei muss aber auch berücksichtigt werden, ob die andere Art der Nacherfüllung dem Verbraucher erhebliche Nachteile einbrächte.
Angewendet auf den Fall:
A möchte die Ersatzlieferung. Diese ist für B mit einem erheblich größeren Kostenaufwand verbunden als die bloße Lieferung eines neuen Stöpsels für die ansonsten qualitativ gleichwertige reklamierte Flasche Rum.
Allerdings müsste die Flasche im Falle eines bloßen Stöpselaustauschs geöffnet werden und wäre danach nicht mehr luftdicht verschlossen, was für den eigentlich wertgebenden Inhalt, den Rum, wegen Oxidation mit Qualitätseinbußen verbunden sein kann.
A könnte in diesem Fall die Flasche nicht für einen beliebig langen Zeitraum weiterhin genießbar lagern, sondern müsste sie nach Anbruch alsbald konsumieren. Diese Verwendungsbeschränkung ist A nicht zumutbar, es entstünden ihm Nachteile bzgl. der Verwendbarkeit, die gerade wegen des hohen Kaufpreises als schwerwiegend anzusehen sind.
B kann daher die Ersatzlieferung einer neuen Flasche nicht rechtskonform verweigern und kann A nicht zulässig auf die bloße Lieferung eines neuen Stöpsels verweisen.
Er muss - Zug-um-Zug gegen die Rückgabe der reklamierten Flasche - eine neue liefern.
2.) Rücksendekosten
Händler B muss die Kosten für die Rücksendung der reklamierten Flasche tragen. Diese Rücksendekosten stellen „Kosten der Nacherfüllung“ dar, die gem. § 439 Abs. 2 BGB dem Verkäufer zur Last fallen.
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