Neue Serie der IT-Recht-Kanzlei: Das deutsche Urheberrecht nach seiner Novellierung aus IT-rechtlicher Sicht (Teil 6: Verwertungsrechte an Computerprogrammen)
Die zahlreichen Änderungen des Urhebergesetzes, die nach der am 01.01.2008 in Kraft getretenen Novellierung des Urheberrechts (zweiter Korb) erlassen worden sind, veranlassten die IT-Recht-Kanzlei zur Überarbeitung und erneuten Veröffentlichung dieser Serie. Von den Gesetzesänderungen sind insbesondere alle Urheber, Verwerter und Nutzer von digitalen Werken betroffen. Der Aufklärungsbedarf ist weiterhin groß. Die IT-Recht-Kanzlei will mit der neuen Serie das Urheberrecht samt der Änderungen, insbesondere aus IT-rechtlicher Sicht, darstellen.
Der folgende Beitrag (Teil 6) beschäftigt sich zur Einleitung zunächst mit den Verwertungsrechten an Computerprogrammen:
I. Was sind Verwertungsrechte an Computerprogrammen?
Die Verwertungsrechte sind die Rechte, die das Urheberrecht dem Urheber zuerkennt, um ihn in die Lage zu versetzen, sein Werk alleine und ausschließlich in jeglicher Art und Weise zu verwerten. Sie werden auch Nutzungsrechte genannt, wenn sie oder Teile von Ihnen auf einen Dritten (Nutzer) übertragen werden. Sie sollen die wirtschaftliche Position des Urhebers sichern und verhindern, dass Dritte das Werk unberechtigt nutzen und verwerten. Computerprogramme sind gemäß § 69a UrhG urheberrechtlich geschützt. Der Urheber erhält somit auch an Computerprogrammen die ausschließlichen wirtschaftlichen Verwertungsrechte.
Die allgemeinen Verwertungsrechte für urheberrechtlich geschützte Werke sind in den §§ 16 ff. UrhG festgelegt (siehe Beitrag: Allgemeine Verwertungsrechte ). Die Verwertungsrechte für Computerprogramme sind speziell in § 69c UrhG geregelt. Diese Bestimmung geht — soweit es um Computerprogramme geht — den §§ 16 ff. UrhG als Sonderregelung vor.
§ 69c UrhG gewährt dem Rechtsinhaber ausschließliche Rechte. Diese umfassen das positive Benutzungsrecht sowie das negative Verbietungsrecht. Im Einzelnen stehen dem Urheber eines Computerprogramms folgende Rechte zu:
II. Die einzelnen Verwertungsrechte
1. Das Recht der Vervielfältigung (Vervielfältigungsrecht)
Nach § 69c Nr. 1 UrhG bedarf die dauerhafte oder vorübergehende vollständige oder teilweise Vervielfältigung eines Computerprogramms mit jedem Mittel und in jeder Form der Zustimmung des Urhebers. Soweit das Laden, Anzeigen, Ablaufen, Übertragen oder Speichern des Computerprogramms eine Vervielfältigung erfordert, bedürfen diese Handlungen der Zustimmung des Rechtsinhabers; Damit stellen jedenfalls das Kopieren des Computerprogramms auf einen selbstständigen verkehrsfähigen Datenträger (etwa auf Festplatte, Memory-Stick, DVD, CD-ROM, Diskette oder Magnetband) und das Ausdrucken des Programmcodes eine Vervielfältigung dar."
Nach herrschender Meinung ist auch das (vorübergehende) Laden des Programms in den Arbeitsspeicher ein Vervielfältigungsvorgang.
Wichtig :
Da ein Computerprogramm in der Regel nicht genutzt werden kann, ohne es in den Arbeitsspeicher eines Computers zu laden, bedarf bereits die bloße Nutzung eines Computerprogramms im Gegensatz zu den anderen geschützten Werken (Bücher, Musik, Fotos) der Zustimmung des Urhebers.
2. Umarbeitungsrecht
Nach § 69c Nr. 2 UrhG hat der Rechtsinhaber das ausschließliche Recht zur Übersetzung, Bearbeitung , zum Arrangement und zu anderen Umarbeitungen eines Computerprogramms sowie zur Vervielfältigung der erzielten Ergebnisse.
Unter Übersetzungen ist in erster Linie die Übertragung eines Programms in eine andere Programmiersprache sowie die Kompilation, also die Übersetzung des Quellcodes in den Objektcode und umgekehrt gemeint. Bearbeitungen und sonstige Umarbeitungen sind aber auch die Erweiterungen des Quellcodes oder Objektcodes sowie neue Progammstände (Releases, Updates, Upgrades und sonstige Aktualisierungen). Keine Bearbeitung stellt das reine Customizing dar, wenn hierbei lediglich im Programm bereits vorhandene Einstellungsmöglichkeiten (Parametrisierung) genutzt werden.
Zulässig bleibt die sog. freie Benutzung gem. § 24 UrhG, (siehe Beitrag: Allgemeine Verwertungsrechte ), die Schaffung und Verwertung eines selbstständigen Werkes unter freier Benutzung des Originals. Die Grenzziehung zwischen freier Benutzung im Sinne von § 24 UrhG und zustimmungsbedürftiger unfreier Benutzung ist überaus schwierig. Je origineller und individueller ein Computerprogramm gestaltet ist, desto größer sollte der Abstand des neuen Werkes von seiner Vorlage sein.
3. Verbreitungsrecht
Das Verbreitungsrecht ist in § 69c Nr. 3 UrhG geregelt. Hiernach hat der Urheber das ausschließliche Recht zu jeder Form der Verbreitung des Originals eines Computerprogramms oder von Vervielfältigungsstücken, einschließlich der Vermietung. Gemäß § 17 Abs. 1 UrhG ist das Verbreitungsrecht das Recht, das Original oder Vervielfältigungsstücke des Werkes der Öffentlichkeit anzubieten oder in Verkehr zu bringen.
§ 69c Nr. 3 Satz 2 UrhG macht hier aber eine Ausnahme für Computerprogramme, die mit Zustimmung des Rechtsinhabers im Gebiet der Europäischen Union oder eines anderen Vertragsstaates des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum im Wege der Veräußerung in Verkehr gebracht worden sind. Für diese Programme ist das Verbreitungsrecht in Bezug auf ein Vervielfältigungsstück mit Ausnahme des Vermietrechts erschöpft (Erschöpfungsgrundsatz). Dies bedeutet, dass legitim erworbene Computerprogramme vom Erwerber ohne Zustimmung des Rechteinhabers weiter veräußert werden dürfen.
Die Erschöpfung des Verbreitungsrechts, also das Recht, das Programm ohne Zustimmung des Rechteinhabers weiter zu geben, greift allerdings nur dann ein, wenn das Computerprogramm im Wege der Veräußerung in den Verkehr gebracht wurde. Vom Begriff der Veräußerung werden nicht allein Kaufverträge erfasst, sondern sämtliche Rechtsgeschäfte, die auf die endgültige Entäußerung des Eigentums gerichtet sind. Unstreitig fallen hierunter etwa auch Tausch und Schenkung.
Ob auch Onlineüberlassung von Software zur dauerhaften Nutzung unter den Begriff der Veräußerung eines Vervielfältigungsstückes fällt, ist strittig, da kein Vervielfältigungsstück überlassen wird (siehe dazu Beitrag: Erschöpfungsprinzip und dort Handel mit Gebrauchtsoftware).
4. Recht der öffentlichen Wiedergabe und Recht der öffentlichen Zugänglichmachung
Gem. § 69c Nr. 4 UrhG hat der Rechtsinhaber das ausschließliche Recht zur drahtgebundenen oder drahtlosen öffentlichen Wiedergabe eines Computerprogramms einschließlich der öffentlichen Zugänglichmachung in der Weise, dass es Mitgliedern der Öffentlichkeit unabhängig von Orten und zu Zeiten ihrer Wahl zugänglich ist.
Eine öffentliche Wiedergabe liegt vor, wenn das Computerprogramm einer Vielzahl von nicht persönlich verbundenen Nutzern gleichzeitig oder sukzessive in unkörperlicher Form wahrnehmbar oder zugänglich gemacht wird. Maßgeblich hierfür ist die Definition des § 15 Abs. 3 UrhG. Das Recht der öffentlichen Zugänglichmachung ist eine spezielle Ausprägung des Rechts der öffentlichen Wiedergabe. Wie sein Pendant in § 19a UrhG ist diese Nutzungsart durch das Internet entstanden. Das Recht der öffentlichen Zugänglichmachung unterscheidet sich vom Recht der öffentlichen Wiedergabe dadurch, dass es auf die Wahlmöglichkeit des Nutzers abstellt, zu welchem Zeitpunkt er auf das Programm zugreift. Es ermöglicht also eine Nutzung auf Abruf. Geschützt wird dadurch als ausschließliches Verwertungsrecht jedes Verhalten, das geschützte Werk zum Abruf im Netz anzubieten bzw. bereitzuhalten.
Wichtig:
Auch die Übertragungshandlung selbst, also insbesondere das Uploading ins Internet bzw. Downloading aus dem Internet ist eine urheberrechtsrelevante Handlung iSv. § 69c Nr. 4 UrhG.
III. Zustimmungsfreie Handlungen– Schranken des Urheberschutzes
Gemäß §§ 69d und 69e UrhG bedürfen bestimmte Handlungen nicht der Zustimmung des Rechtsinhabers. Deswegen sind sie die sog. Schranken des Urheberschutzes. Die Schranken des urheberrechtlichen Schutzes an Software finden sich abschließend in den §§ 69d, e UrhG, welche die in §§ 44a ff. UrhG geregelten, allgemeinen Schranken verdrängen. Der Grund für die in §§ 69d, e UrhG aufgeführten zustimmungsfreien Handlungen sind die in der Praxis auftretenden Probleme mit Computerprogrammen aufgrund ihrer technischen Natur. Mit Ausnahme des § 69d Abs. 1 UrhG (Fehlerbehebung) können die Schranken der §§ 69d, e UrhG nicht durch Vertrag eingeschränkt oder ausgeschlossen werden (§ 69g Abs. 2 UrhG) . Für die Umgehung von technischen Schutzmaßnahmen für Computerprogramme gelten nach § 69a Abs. 5 UrhG nicht die §§ 95a ff. UrhG, sondern allein die §§ 69d, e UrhG.
1. Vervielfältigung bzw. Umarbeitung
Gemäß § 69d Abs. 1 UrhG bedarf die Vervielfältigung (gemäß § 69c Nr. 1 UrhG) oder eine Umarbeitung (gemäß § 69c Nr.2 UrhG) dann keiner Zustimmung des Rechtsinhabers, wenn sie für eine bestimmungsgemäße Benutzung des Computerprogramms einschließlich der Fehlerberichtigung durch jeden zur Verwendung eines Vervielfältigungsstückes des Programms Berechtigten notwendig ist.
Die bestimmungsgemäße Nutzung ergibt sich zum Einen aus dem Überlassungsvertrag oder, wenn keine vertraglichen Vereinbarungen vorliegen, aus dem Sinn und Zweck des Vertrages (Zweckübertragungsregel). Ist der Nutzer grundsätzlich zur Nutzung berechtigt, ist er aber auf jeden Fall zu Handlungen berechtigt, die zumindest die einfache Nutzung des Computerprogrammes ermöglichen. Hierzu gehören das Laden, Anzeigen und Ablaufenlassen, Übertragen oder Speichern des Computerprogramms im Arbeitsspeicher. Nicht alle diese Handlungen sind aber in einem Netzwerk oder einer Rechenzentrumsnutzung notwendig und können zulässigerweise beschränkt werden.
Keiner Zustimmung des Urhebers bedarf grundsätzlich die Fehlerberichtigung. Hierzu gehört z.B. die Beseitigung von Viren.
2. Sicherungskopie
Gemäß § 69d Abs. 2 UrhG darf die Erstellung einer Sicherungskopie durch eine Person, die zur Benutzung des Programms berechtigt ist, nicht vertraglich untersagt werden, wenn sie für die Sicherung künftiger Benutzung erforderlich ist. Diese Schranke ist zu unterscheiden von der Privatkopieschranke des § 53 Abs. 1 UrhG und gilt eben speziell, wenn eine Software gesichert wird. Unter einer Sicherungskopie ist eine Kopie eines Programms auf einem beliebigen Datenträger zu verstehen, auf die zurückgegriffen wird, wenn das Originalprogramm aus irgendwelchen Gründen nicht mehr nutzbar ist. Eine Sicherheitskopie ist nicht erforderlich, wenn der Nutzer bei der Überlassung des Computerprogramms eine brauchbare und dauerhafte Sicherheitskopie erhalten hat. Ist die mitgelieferte Kopie aber nicht ausreichend, kann eine weitere brauchbare Sicherheitskopie erstellt werden.
Beispiel:
Erwirbt ein Nutzer mit seinem Rechner eine vorinstallierte OEM-Software, ist er berechtigt, eine Sicherheitskopie zu erstellen. Die mitgelieferte Recovery Kopie gilt nicht als brauchbare Sicherheitskopie.
3. Beobachtung, Untersuchung und Testen
Nach § 69d Abs. 3 UrhG ist der Nutzer, der zur Verwendung eines Vervielfältigungsstücks eines Programms berechtigt ist, ohne Zustimmung des Rechtsinhabers berechtigt, das Funktionieren dieses Programms zu beobachten, es zu untersuchen oder zu testen, um die einem Programmelement zugrunde liegenden Ideen und Grundsätze zu ermitteln, wenn dies durch legitime Handlungen wie Laden, Anzeigen, Ablaufen, Übertragen oder Speichern des Programms geschieht. Diese Handlungen sind aber nur zulässig, wenn sie zur Ermittlung der einem Programmelement zugrunde liegenden Ideen und Grundsätze dienen; nicht erlaubt ist die Ermittlung und Untersuchung des Programmcodes selber.
4. Dekompilierung
Dekompilieren ist die Rückübersetzung des Objectcodes eines Computerprogramms in seinen Quellcode. Nach § 69e UrhG ist dies unter bestimmten Voraussetzungen ohne Zustimmung des Rechtsinhabers zulässig. Die Vorschrift spielt in der Praxis nur eine beschränkte Rolle, da die Dekompilierung ein sehr aufwändiges und kompliziertes Verfahren ist. Der Nutzer wird sich in der Regel mit anderen Mitteln zu helfen versuchen. § 69e UrhG ist gemäß § 69g Abs. 2 UrhG zwingendes Recht und kann nicht wirksam abbedungen werden.
Die Zustimmung des Rechtsinhabers ist nicht erforderlich, wenn die Vervielfältigung des Codes oder die Übersetzung der Codeform im Sinne des § 69c Nr. 1 und 2 UrhG unerlässlich ist, um die erforderlichen Informationen zur Herstellung der Interoperabilität eines unabhängig geschaffenen Computerprogramms mit anderen Programmen zu erhalten, sofern folgende Bedingungen erfüllt sind:
- Die Handlungen werden von dem Lizenznehmer oder von einer anderen zur Verwendung eines Vervielfältigungsstücks des Programms berechtigten Person oder in deren Namen von einer hierzu ermächtigten Person vorgenommen;
- die für die Herstellung der Interoperabilität notwendigen Informationen sind für die in Nummer 1 genannten Personen noch nicht ohne weiteres zugänglich gemacht;
- die Handlungen beschränken sich auf die Teile des ursprünglichen Programms, die zur Herstellung der Interoperabilität notwendig sind.
Die gewonnenen Informationen dürfen nicht
- zu anderen Zwecken als zur Herstellung der Interoperabilität des unabhängig geschaffenen Programms verwendet werden,
- an Dritte weitergegeben werden, es sei denn, dass dies für die Interoperabilität des unabhängig geschaffenen Programms notwendig ist,
- für die Entwicklung, Herstellung oder Vermarktung eines Programms mit im Wesentlichen ähnlicher Ausdrucksform oder für irgendwelche anderen das Urheberrecht verletzenden Handlungen verwendet werden.
5. Ausübung aller Nutzungsrechte an Computerprogrammen, die aufgrund eines Arbeits- oder Dienstverhältnisses erstellt werden
Nach § 69b UrhG ist der Arbeitgeber ausschließlich zur Ausübung aller vermögensrechtlichen Befugnisse an den Computerprogrammen, welche durch den Arbeitnehmer geschaffen wurden, berechtigt, sofern nichts anderes vereinbart wurde. Das gilt auch im Rahmen von Dienstverhältnissen, wobei damit die öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnisse, also insbesondere das Beamtenverhältnis, gemeint sind.
Für weitere Einzelheiten siehe Nutzungsrechte im Arbeitsverhältnis.
(Auszüge des Textes wurden auch veröffentlicht im IT-Rechts-Lexikon 2010)
Tipp: Sie haben Fragen zu dem Beitrag? Diskutieren Sie hierzu gerne mit uns in der Unternehmergruppe der IT-Recht Kanzlei auf Facebook .
Illustration Marcus Stark / PIXELIO
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