Dienstleistungen sind keine Waren: Die Bedeutung des Klassenvergleiches bei der markenrechtlichen Verwechslungsgefahr

Dienstleistungen sind keine Waren: Die Bedeutung des Klassenvergleiches bei der markenrechtlichen Verwechslungsgefahr
Stand: 16.02.2016 7 min

Das Oberlandesgericht Frankfurt am Main hat in seinem Urteil vom 18. Dezember 2014 (Az. 6 U 94711) entschieden, dass eine Zeichenähnlichkeit und damit eine markenrechtliche Verwechslungsgefahr dann nicht gegeben ist, wenn der mit einer Marke übereinstimmende Bestandteil innerhalb eines angegriffenen Zeichens lediglich eine beschreibende Funktion hat. Auch eine zu einer möglichen Verwechslungsgefahr führende Assoziation mit der Marke ist jedenfalls dann ausgeschlossen, wenn es aus Sicht der angesprochenen Fachkreise nicht nahe liegt, dass ein Unternehmen auch Waren herstellt bzw. vertreibt, die bei Durchführung der eigenen Dienstleistungen selbst nicht verwendet werden.

Inhaltsverzeichnis

Der Fall

Die Klägerin ist Inhaberin der beim Deutschen Patent- und Markenamt (DPMA) in Klasse 37 und 42 eingetragenen Marke „LacTec“. Sie entwickelt und baut elektrostatische Lackieranlagen, die in erster Linie in der Automobil,- der Kunststoff- und der allgemeinen Industrie Verwendung finden. Die Beklagte stellt Baufarben und Baulacke her und vertreibt diese als „LUCITE“-Anstrich Systeme. Zu den als „LUCITE“- Anstrich System angebotenen Waren gehören mehrere Produktlinien, unter anderem die Produktlinie „LACTEC“. Die Klägerin sah darin eine Verletzung ihrer Kennzeichenrechte und verklagte die Beklagte auf Unterlassung der Benutzung des Zeichens „LacTec“ für Waren und Dienstleistungen der Lack- und Farbverarbeitung sowie der Lack- und Farbproduktion, sowie die Verwendung des Zeichens für Aufmachungen oder Verpackungen und jeglichen Inverkehrbringens. Darüber hinaus nahm sie die Beklagte auf Auskunft, Schadensersatz und Vernichtung rechtswidrig gekennzeichneter Gegenstände in Anspruch. Hilfsweise beantragte sie, es der Beklagten zu untersagen, das Zeichen „LUCITE®LacTec“ für Lacke zu benutzen. Dagegen setze sich die Beklagte mittels einer Widerklage zu Wehr und beantragte ihrerseits, die Klägerin zur Löschung ihrer Marke „LacTec“ zu verurteilen.

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Die Entscheidung

Das Oberlandesgericht erkannte für Recht, dass die Klägerin ihr Unterlassungsbegehren nicht auf die Marke „LUCITE®LACTEC“ unter dem Gesichtspunkt der Verwechslungsgefahr nach § 14 I Nr. 2, V MarkenG stützen kann. Es entschied, dass der Klägerin die geltend gemachten Unterlassungs-, Auskunfts-, Schadensersatz- und Vernichtungsansprüche nicht zustehen.

Für einen Unterlassungsanspruch ist zunächst eine markenmäßige Benutzung nach §14 II Nr. 2 MarkenG erforderlich. Eine markenmäßige Benutzung in dem Sinne erfordert, dass das angegriffene Zeichen wie eine Marke, also ihrer Hauptfunktion entsprechend, benutzt wird. Das Zeichen muss somit den Verbrauchern die Herkunft der Waren oder Dienstleistungen garantieren (vgl. OLG, Urteil v. 18. Dezember 2014, Az. 6 U 94/11). An diesem Erfordernis fehlt es, wenn das Zeichen nur als dekoratives Gestaltungsmittel oder in einem rein beschreibenden Sinn verwendet wird (vgl. BGH GRUR 2014, 1101, RN 23- Gelbe Wörterbücher). Dabei ist nicht auf einzelne Zeichenbestandteile, sondern auf die konkrete Verwendungsform und somit auf das angegriffene Gesamtzeichen abzustellen. Im Streitfall hatte die Klägerin die logoartige Gesamtbezeichnung „LUCITE®LACTEC“, welche aus den Wortbestandteilen „LUCITE®“ und „LACTEC“ besteht, angegriffen. Dem Gesamtzeichen „LUCITE®LACTEC“ kann weder eine rein dekorative, noch eine rein beschreibende Verwendung zugesagt werden. Zudem wird für den Verkehr durch das Symbol ® die Verwendung als Marke verdeutlicht, sodass eine markenrechtliche Benutzung im Sinne des 14 II Nr. 2 MarkenG gegeben ist.

Damit hatte das OLG weiter zu entscheiden, ob auch eine Verwechslungsgefahr vorliegt. Die Beurteilung der Verwechslungsgefahr ist unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls vorzunehmen. Da zwischen den in Betracht zu ziehenden Faktoren, vorwiegend die Ähnlichkeit der Zeichen und die Ähnlichkeit der mit ihnen gekennzeichneten Waren oder Dienstleistungen sowie die Kennzeichnungskraft der älteren Marke, eine Wechselwirkung besteht, kann ein geringerer Grad der Ähnlichkeit der Waren oder Dienstleistungen durch einen höheren Grad der Ähnlichkeit der Zeichen oder durch eine erhöhte Kennzeichnungskraft der älteren Marke ausgeglichen werden und umgekehrt (vgl. OLG, Urteil v. 18. Dezember 2014, Az. 6 U 94/11). Für die Beurteilung der Ähnlichkeit sind grundsätzlich dabei alle erheblichen Faktoren zu berücksichtigen, die das Verhältnis zwischen den Waren und Dienstleistungen kennzeichnen. Hierzu gehören insbesondere die Art der Waren und Dienstleistungen, ihr Verwendungszweck, ihre Nutzung sowie die Eigenart als miteinander konkurrierende oder einander ergänzende Waren oder Dienstleistungen. Zudem sind auch die Herkunft der Waren oder Dienstleistungen und ihr Vertrieb in die Beurteilung mit einzubeziehen. Von Belang ist dabei, ob die Waren oder Dienstleistungen regelmäßig von den selben Unternehmen oder unter ihrer Kontrolle hergestellt bzw. erbracht werden oder ob sie beim Vertrieb Berührungspunkte aufweisen. Dabei ist eine Ähnlichkeit zwischen Dienstleistungen einerseits und Waren andererseits nicht generell ausgeschlossen. Von der Unähnlichkeit der Waren und Dienstleistungen kann aber jedenfalls dann ausgegangen werden, wenn trotz der Identität der Marken die Annahme einer Verwechslungsgefahr wegen des Abstandes der Waren und Dienstleistungen von vornherein ausgeschlossen ist (vgl. BGH GRUR 2009, 484 Rn. 25- METROBUS).

Des Weiteren bedarf es für eine Verwechslungsgefahr auch einer tatsächlichen Ähnlichkeit der Zeichen. Für eine Beurteilung der Zeichenähnlichkeit kommt es auf den jeweiligen Gesamteindruck der einander gegenüberstehenden Zeichen an. Dabei können auch unter Umständen ein oder mehrere Bestandteile eines komplexen Zeichens für den Gesamteindruck prägend sein, den das Kennzeichen bei den angesprochenen Verkehrskreisen hervorruft. Ein Zeichen, das als Bestandteil in eine zusammengesetzte Marke oder eine komplexe Kennzeichnung integriert wird, kann zudem auch eine selbstständigkennzeichnende Stellung behalten, ohne dass es das Erscheinungsbild der zusammengesetzten Marke dominiert oder prägt. Daher kann eine Verwechslungsgefahr dann angenommen werden, wenn dieser selbstständigkennzeichnende Bestandteil mit einem älteren Zeichen identisch oder ähnlich ist und dadurch bei den angesprochenen Verkehrskreisen der Eindruck hervorgerufen werden kann, das die in Frage stehenden Waren oder Dienstleistungen zumindest aus wirtschaftlich miteinander verbundenen Unternehmen stammen (vgl. BGH GRUR 2014, 1101 Rn. 54- Gelbe Wörterbücher).

Zwischen den Dienstleistungen, für die die Klagemarke eingetragen ist und den Waren, für die das angegriffene Zeichen benutzt wird, besteht aufgrund der Andersartigkeit der Dienstleistungen und Produkte nur ein geringer Grad an Ähnlichkeit. Die Klagemarke ist für „Wartung und Projektplanung von Lackieranlagen, Pulverbeschichtungsanlagen und Entschlackungsanlagen“ eingetragen. Die Beklagte benutzt das Logo „LUCITE®LACTEC“ für Bautenlacke, wobei sich ihr Produktangebot an Fachleute richtet. Mithin kann im Streitfall eine Ähnlichkeit der Dienstleistungen und Waren aufgrund der Berührungspunkte im Bereich der Lacktechnik nicht vollständig verneint werden. Aufgrund der Divergenz der jeweils angesprochenen Abnehmer und der Tatsache, dass es auch nicht aus Sicht der angesprochenen Verkehrskreise nahe liegt, dass ein Unternehmen, dass sich mit industriellen Lackieranlagen befasst, auch solche Lacke herstellt oder unter einer eigenen Marke vertreiben wird, die nicht zum Einsatz in derartigen Anlagen geeignet ist, sondern an Bauten verwendet wird, ist der Grad an Ähnlichkeit im vorliegenden Fall jedenfalls als zu gering einzustufen.

Was die tatsächliche Ähnlichkeit der Zeichen betrifft, so muss festgestellt werden, dass das angegriffene Zeichen durch den mit der Klagemarke übereinstimmenden Bestandteil „Lactec“ nicht geprägt wird. Auch kommt diesem Element keine selbstständigkennzeichnende Stellung zu. Die Bezeichnung „Lactec“ weist einen engen beschreibenden Bezug zu Lacken auf, da es in der Lackiertechnik um die Verarbeitung von Lacken geht (vgl. BPatG, Beschl. V. 31.05.2014- 28 W (pat) 71/12). Die vorangestellte Bezeichnung „LUCITE®“ weist demgegenüber keinen erkennbaren beschreibenden Bezug zu Lacken auf. Damit prägt der Bestandteil „LUCITE®“ das Gesamtzeichen. Dem Bestandteil „Lactec“ kommt hingegen keine selbstständig kennzeichnende Stellung zu, vielmehr handelt es sich dabei um einen beschreibenden Anklang, da die angesprochenen Fachkreise in der nur leicht verfremdeten Abkürzung „Lactec“ ohne weiteres den Begriff „Lacktechnik“ erkennen werden. Da die Beklagte zudem weitere Produktlinien anbietet, bei denen der vorangestellte Bestandteil „LUCITE“ mit beschreibenden Zusätzen wie beispielsweise „Wetterschutz plus“ oder „Fassadenschutz“ oder Zusätzen mit stark beschreibenden Anklängen wie beispielsweise „Roofcoat“ oder „Silico Therm“ kombiniert wird, wird für den Verkehr nahe gelegt, dass auch dem Zusatz „Lactec“ eine beschreibende Funktion in der Produktfamilie innewohnt und nicht als zusätzliches Kennzeichnungsmittel anzusehen ist. Wird der Bestandteil „Lactec“ in der angegriffenen Bezeichnung aber beschreibend aufgefasst, so kann eine Ähnlichkeit der Klagemarke mit dem angegriffenen Gesamtzeichen weder in klanglicher noch in schriftbildlicher oder begrifflicher Hinsicht bejaht werden. Die fehlende Zeichenähnlichkeit kann auch nicht durch die im vorliegenden Fall ohnehin nur geringe Produktähnlichkeit und die ohnehin geringe Kennzeichnungskraft der Klagemarke ausgeglichen werden. Auch eine Verwechslungsgefahr unter dem Aspekt des gedanklichen Inverbindungbringes liegt hier nicht vor, da der angegriffene Bestandteil lediglich Assoziationen an die Klagemarke hervorrufen kann. Dies ist jedoch keines Weges ausreichend. Damit fehlt es an einer Verwechslungsgefahr

Fazit

Nach all dem ist festzuhalten, dass eine nur geringe Ähnlichkeit von für Waren oder Dienstleistungen angemeldete Marken noch nicht allein ausreicht, um eine Verwechslungsgefahr und damit einen Unterlassungsanspruch zu begründen. Ansprüche aufgrund einer markenrechtlichen Verwechslungsgefahr sind insbesondere dann ausgeschlossen, wenn ein in der Marke integrierter Bestandteil eine lediglich beschreibende Funktion hat und sich die jeweiligen Abnehmer der verschiedenen Dienstleistungen oder Waren nicht überschneiden. Besteht demnach nur eine geringe Ähnlichkeit und sind die beanspruchten Dienstleistungen oder Waren selbst nicht identisch oder ähnlich, so kann eine Verwechslungsgefahr jedenfalls dann verneint werden, wenn es aus Sicht der angesprochenen Fachkreise nicht nahe liegt, dass ein Unternehmen auch Waren herstellt bzw. vertreibt, die bei Durchführung der eigenen Dienstleistungen selbst nicht verwendet werden.

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