Das Zustandekommen eines Fernabsatzvertrages: nach britischem Recht
Europäische Richtlinien haben zwar einheitliche Grundlagen für den Onlinehandel in der Europäischen Union geschaffen. Wichtige Einzelfragen sind jedoch in den einzelnen europäischen Mitgliedsstaaten unterschiedlich geregelt. Das trifft auch für das Zustandekommen von Fernabsatzverträgen zu. Es ist keineswegs trivial, wann ein verbindlicher Fernabsatzvertrag zustande kommt. Nach dem Zustandekommen eines Fernabsatzvertrages ist der Onlinehändler an sein Angebot gebunden. Er kann sich dann nach Zustandekommen eines Vertrages von seiner vertraglichen Lieferfrist nur noch in Ausnahmefällen lösen.
Das britische Recht unterscheidet ähnlich wie das deutsche Recht zwischen der unverbindlichen Darstellung des Warenangebots im Onlineshop des Onlinehändlers und dem Angebot des Kunden durch elektronische Bestellung der Ware nach allgemeinem Vertragsrecht. Dies ist in anderen europäischen Staaten wie Frankreich durchaus anders geregelt (s. hierzu News zum Zustandekommen von Fernabsatzverträgen nach französischem Recht ). Das britische Recht ist aber hinsichtlich der Frage, wann von einer verbindlichen Annahme eines Kaufangebots durch den Onlinehändler auszugehen ist, verkäuferfreundlicher als das deutsche Recht.
I. Rechtliche Grundlagen
Ähnlich wie im deutschen Recht wird nach britischem Recht (allgemeines Vertragsrecht) für den Abschluss von Fernabsatzverträgen unterschieden zwischen
-Einladung zum Abschluss eines Fernabsatzvertrages (invitation to treat)
Die Darstellung der Ware in einem Onlineshop wird grundsätzlich wie im deutschen Recht als Einladung zum Abschluss eines Fernabsatzvertrages gewertet. Das Warenangebot in einem Onlineshop wird wie das Warenangebot in einem Geschäft angesehen. Die Anpreisung der Ware ist rechtlich als Einladung zu einem Vertragsabschluss anzusehen.
-Erklärung eines Angebots seitens des Kunden durch elektronische Bestellung einer Ware (placing an order by electronic means)
-Verbindliche Annahme des Angebots durch den Onlinehändler (acceptance)
Nach der britischen Gesetzeslage ist nicht festgelegt, wann eine solche verbindliche Annahme eines Angebots vorliegt. Vorstellbar wäre: Zeitpunkt der Absendung einer Bestätigungsmail des Online-Händlers, Eingang der Bestätigungsmail im Server des Kunden, Kenntnisnahme der Bestätigungsmail durch den Kunden, gesonderte Email des Onlinehändlers zur Annahme der Bestellung (Auftragsbestätigung). Der Onlinehändler kann daher in seinen AGB festlegen, wann eine verbindliche Annahme eines Angebots des Kunden durch Bestellung vorliegt. So kann in den AGB ausgeführt werden, daß die E-Mail, mit der nur der Eingang der Bestellung (und damit das Angebot des Kunden) bestätigt wird (receipt of order), nicht als Angebotsannahme anzusehen ist. Die britischen E-Commerce Regulations lassen es zu, daß die Bestätigungsmail des Onlinehändlers mit einer Zahlungsaufforderung oder mit der Belastung der Kreditkarte des Kunden verbunden ist, ohne darin eine verbindliche Angebotsannahme des Onlinehändlers zu sehen. In den AGB kann festgelegt werden, daß eine Belastung der Kreditkarte des Kunden bereits vor Vertragsabschluss möglich ist und bei Ablehnung der Bestellung durch den Onlinehändler eine sofortige Rückzahlung erfolgt. Gängige Formulierung in britischen AGB ist z.B.: „Your card will be debited with the sum of xx when you click the Submit button. This will be refunded if your offer is refused”. Nach britischem Recht kann in den AGB festgelegt werden, dass die Auftragsbestätigung (ähnlich wie im deutschen Recht) erst durch eine zweite manuelle Email erfolgt.
Eine so weitgehende händlerfreundliche Praxis, die eine Belastung der Kreditkarte des Kunden vor Vertragsschluss ermöglicht, scheint wohl nach deutschem Recht nicht zulässig zu sein. Im deutschen Recht wird man wohl von einer Vertragsannahme auszugehen haben, wenn die Bestätigungsmail mit einer Zahlungsaufforderung oder eine Belastung der Kreditkarte des Kunden verbunden ist.
II. Auswirkungen der britischen Rechtslage zum Abschluss von Fernabsatzverträgen
Die oben dargestellte Rechtslage nach britischem Recht stärkt die Position des Onlinehändlers erheblich. Er kann nach den Grundsätzen der Vertragsfreiheit die Angebotsannahme von einer zweiten manuellen elektronischen Auftragsbestätigung abhängig machen und bereits vorher die Bezahlung der Ware sicherstellen. Bis zu dem Zeitpunkt der Auftragsbestätigung ist der Onlinehändler an keine Lieferpflichten gebunden. Er kann so einen etwaigen Irrtum über Preis, Verfügbarkeit der Ware, etc. durch Ablehnung der Bestellung ohne nachteilige rechtliche Folgen korrigieren. Der Kunde dagegen hat mit Bestellung der Ware bereits ein verbindliches Angebot abgegeben, seine Kreditkarte kann bereits belastet werden. Der Verbraucher wird allerdings in seiner Rechtsposition durch das Verbraucherschutzrecht gestärkt.
III. Schutzvorschriften zugunsten des Verbrauchers bei Fernabsatzverträgen
- Vorvertragliche Informationspflichten
Das britische Verbraucherschutzrecht (im Wesentlichen die E-Commerce Regulations und die Distance Selling Regulations zur Umsetzung der o.g. Europäischen Richtlinien in britisches Recht) schützt den Verbraucher bei Fernabsatzverträgen durch vorvertragliche Informationspflichten, die dem Onlinehändler auferlegt sind (Informationen müssen in einer klaren, eindeutigen und verständlichen Weise formuliert werden).
So verlangen die E-Commerce Regulations folgende Informationen:
- Technische Schritte des Bestellvorgangs bis zum Zustandekommen eines Fernabsatzvorgangs
- Information zur Speicherung des Online-Vertrags
- Möglichkeit für den Verbraucher, vor Abgabe der Bestellung Fehler in der Bestellung feststellen und korrigieren zu können
- Vertragssprache
- Leichter Zugang zu den AGB des Onlinehändlers, Möglichkeit die AGB auszudrucken
- Unverzügliche Bestätigung des Eingangs der Bestellung
E-Commerce Regulations
9.—(1) Unless parties who are not consumers have agreed otherwise, where a contract is to be concluded by electronic means a service provider shall, prior to an order being placed by the recipient of a service, provide to that recipient in a clear, comprehensible and unambiguous manner the information set out in (a) to (d) below—
(a) the different technical steps to follow to conclude the contract;
(b) whether or not the concluded contract will be filed by the service provider and whether it will be accessible;
(c) the technical means for identifying and correcting input errors prior to the placing of the order; and
(d) the languages offered for the conclusion of the contract.
9. — (3) Where the service provider provides terms and conditions applicable to the contract to the recipient, the service provider shall make them available to him in a way that allows him to store and reproduce them.
11.—(1) Unless parties who are not consumers have agreed otherwise, where the recipient of the service places his order through technological means, a service provider shall–
(a) acknowledge receipt of the order to the recipient of the service without undue delay and by electronic means; and
(b) make available to the recipient of the service appropriate, effective and accessible technical means allowing him to identify and correct input errors prior to the placing of the order.
Wenn der Onlinehändler gegen diese allgemeinen Informationspflichten verstößt, kann der Kunde gerichtlich gem E-Commerce Regulations gegen den Onlinehändler wegen Verletzung von zwingendem Verbraucherrecht vorgehen und Schadensersatz verlangen. Wenn der Onlinehändler den Kunden nicht über die bestelltechnischen Möglichkeiten aufklärt, vor endgültiger Absendung der Bestellung Fehler in seiner Bestellung zu erkennen und ggfs. zu korrigieren, kann der Kunde den Vertrag kündigen. Dieses Kündigungsrecht steht dem Kunden parallel zu seinem Recht auf Widerruf des Online-Vertrages zu (zum Widerrufsrecht, s. News: Widerruf eines Fernabsatzvertrages nach britischem Recht)
13. The duties imposed by regulations 6, 7, 8, 9(1) and 11(1)(a) shall be enforceable, at the suit of any recipient of a service, by an action against the service provider for damages for breach of statutory duty
15. Where a person—
(a) has entered into a contract to which these Regulations apply, and
(b)the service provider has not made available means of allowing him to identify and correct input errors in compliance with regulation 11(1)(b), he shall be entitled to rescind the contract unless any court having jurisdiction in relation to the contract in question orders otherwise on the application of the service provider.
Die Distance Selling Regulations verlangen bei Fernabsatzverträgen zusätzliche Informationen zum Impressum des Online-Händlers und zum Widerrufsrecht des Verbrauchers (s. hierzu bereits News zum Impressum und zum Widerruf von Fernabsatzverträgen nach britischem Recht)
- Verstoß gegen das Gesetz des Verbrauchers vor unbilligen Handelspraktiken (Comsumer Protection from Unfair Trading Regulations 2008)
Die o.g. Gesetze zur Regelung von Fernabsatzverträgen lassen die Frage offen, wann die verbindliche Annahme einer Bestellung erfolgt, von der das Zustandekommen eines Fernabsatzvertrages abhängt. Der Verbraucher kann sich aber in dieser Frage auf das Gesetz zum Schutz vor unbilligen Handelspraktiken berufen. Als unbillig wird es angesehen, wenn ein Onlinehändler über seinen Onlineshop eine Einladung zum Kauf von Ware macht und es dann ablehnt, einen Auftrag in einer angemessenen Zeit zu bestätigen. Dies ist zwar ein relativ schwerfälliger Schutzmechanismus. Gleichwohl ist es dem Onlinehändler zu empfehlen, in seinen AGB den Zeitpunkt der verbindlichen Auftragsbestätigung festzulegen, um Streitigkeiten mit seinen Kunden zu vermeiden.
Unfair Trading Regulations 2008
SCHEDULE 1
Regulation 3(4)(d)
Commercial practices which are in all circumstances
considered unfair
6. Making an invitation to purchase products at a specified
price and then—
(a) refusing to show the advertised item to consumers,
(b) refusing to take orders for it or deliver it within a
reasonable time, or
(c) demonstrating a defective sample of it, with the
intention of promoting a different product (bait and
switch).
Ein Onlinehändler kann bei einem (nachgewiesenen) Verstoß gegen die o.g. Vorschrift des Gesetzes zum Schutz gegen unbillige Handelspraktiken mit einer Geldbuße und bei einer Verurteilung mit einer Gefängnisstrafe bis zu 2 Jahren sanktioniert werden. Eine solche Sanktionierung wird nur bei schwerwiegenden Verstößen zum Tragen kommen.
12. A trader is guilty of an offence if he engages in a commercial practice set out in any of
paragraphs 1 to 10, 12 to 27 and 29 to 31 of Schedule 1.
Penalty for offences
13. A person guilty of an offence under regulation 8, 9, 10, 11 or 12 shall be liable—
(a) on summary conviction, to a fine not exceeding the statutory maximum; or
(b) on conviction on indictment, to a fine or imprisonment for a term not exceeding two years or both.
Fazit
Das britische Recht unterscheidet ähnlich wie das deutsche Recht bei der Darstellung von Waren in einem Onlineshop zwischen der unverbindlichen Einladung zum Kaufvertragsabschluss und dem verbindlichen Angebot des Kunden durch Bestellung, die durch eine Auftragsbestätigung angenommen wird. Der Grundsatz der Privatautonomie gibt dem Onlinehändler die vertragliche Möglichkeit, den Kunden bereits vor Vertragsabschluss mit einer Bezahlung zu belasten. Das britische Recht ist somit verkäuferfreundlicher ausgestaltet als das deutsche Recht.
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