BGH: Verstoß gegen Verhaltenskodex begründet nicht grundsätzlich unlauteren Wettbewerb

BGH: Verstoß gegen Verhaltenskodex begründet nicht grundsätzlich unlauteren Wettbewerb
von Mag. iur Christoph Engel
07.04.2011 | Lesezeit: 3 min

Wer sich einem bestimmten Verhaltenskodex unterwirft, sollte diesen auch befolgen – schon allein um nicht dem Vorwurf der Inkonsequenz ausgesetzt zu sein. Andererseits kann nicht jeder Bruch einer reinen Verhaltensregel auch direkt einen Gesetzesbruch darstellen; so entschied der Bundesgerichtshof in einem aktuellen Urteil, in dem es um einen Verstoß gegen den Kodex der Freiwilligen Selbstkontrolle der Arzneimittelindustrie (FSA) ging.

Verhaltenskodizes sind im Wirtschaftsleben eine wichtige Institution, da sie die abstrakte Formulierung der allgemeinen Gesetze vielerorts konkretisieren und ergänzen. Dennoch kommt ihnen gerade kein Gesetzesrang zu; dementsprechend kann ein Verstoß gegen einen Kodex nur in seltenen Ausnahmefällen einen Gesetzesbruch darstellen.

In einem aktuellen Urteil des BGH (09.09.2010, Az. I ZR 157/08) wurde diese Rechtsauffassung bestätigt. Zwar gehen die Richter davon aus, dass Verbandsregeln und ähnlichen Regelwerken eine gewisse Bedeutung zukommt; allerdings kann dadurch keine Beschränkung des Wettbewerbs in einer vom Gesetzgeber nicht intendierten Weise erfolgen. Vielmehr gingen die Richter davon aus, dass die Gesamtbeurteilung, ob ein bestimmtes Marktverhalten wettbewerbswidrig ist oder nicht, vordergründig anhand der bestehenden Wettbewerbsgesetze zu erfolgen hat:

„Für die Frage, ob ein bestimmtes Verhalten als unlauter im Sinne von […] § 3 Abs. 1 UWG zu beurteilen ist, haben Regeln, die sich ein Verband oder ein sonstiger Zusammenschluss von Verkehrsbeteiligten gegeben hat, nur eine begrenzte Bedeutung. Ihnen kann zwar unter Umständen entnommen werden, ob innerhalb der in Rede stehenden Verkehrskreise eine bestimmte tatsächliche Übung herrscht. Aus dem Bestehen einer tatsächlichen Übung folgt aber noch nicht, dass ein von dieser Übung abweichendes Verhalten ohne weiteres als unlauter anzusehen ist. Der Wettbewerb würde in bedenklicher Weise beschränkt, wenn das Übliche zur Norm erhoben würde. Regelwerken von (Wettbewerbs-) Verbänden kann daher allenfalls eine indizielle Bedeutung für die Frage der Unlauterkeit zukommen, die aber eine abschließende Beurteilung anhand der sich aus den Bestimmungen des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb ergebenden Wertungen nicht ersetzen kann […].“

Zudem stünden einer derartigen „Aufwertung“ eines reinen Verhaltenskodex verfassungsrechtliche Probleme entgegen, da die Entscheidung über die (Nicht-) Legalität einer bestimmten Verhaltensweise hierzulande dem Bundestag vorbehalten ist; außerdem ist es gerade nicht Aufgabe des Wettbewerbsrechts, gegen jedes nur erdenkliche Fehlverhalten vorzugehen:

„Eine an den Vorschriften des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb ausgerichtete Bestimmung der Unlauterkeit ist zudem deshalb geboten, weil es verfassungsrechtlichen Bedenken begegnen würde, wenn zur Ausfüllung der wettbewerbsrechtlichen Generalklausel des § 3 UWG Wettbewerbsregeln oder andere Regelwerke herangezogen würden, denen keine Gesetzesqualität zukommt […]. Im Übrigen kommt auch die Annahme einer (lediglich) indiziellen Bedeutung eines Verstoßes gegen selbst gesetzte Regeln eines Verbands für die Frage der Unlauterkeit nur dann in Betracht, wenn sich die aus dem festgestellten Kodexverstoß abgeleitete Regelwidrigkeit des betreffenden Verhaltens gerade auch als eine wettbewerbsbezogene, d.h. von den Schutzzwecken des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb (vgl. § 1 UWG) erfasste Unzulässigkeit erweist. Denn es ist nicht Aufgabe des Lauterkeitsrechts, alle nur denkbaren Regelverstöße im Zusammenhang mit geschäftlichen Handlungen auch lauterkeitsrechtlich zu sanktionieren […].“

Diese Rechtsauffassung ist im Ergebnis überzeugend, gerade weil ein Verhaltenskodex nun einmal kein Gesetz ist. Folglich haben Interessenverbände, die sich selbst mit einem solchen Regelwerk belegen, auch selbst für die Sanktionierung Sorge zu tragen; ein Verweis auf § 3 UWG ist nur dann denkbar, wenn der Regelverstoß so schwerwiegend ist, dass das UWG ohnehin eingreifen würde.

Ausnahmen von diesem Prinzip dürften eher eine Seltenheit sein; denkbar wäre dies z.B. in Fällen, in denen mit der Unterwerfung unter den Kodex das Führen eines Qualitätssiegels oder ähnlicher Zeichen verbunden ist. In diesem Falle würde die Verwendung des Siegels unter Nichtbeachtung des zugehörigen Regelwerks eine wettbewerbsrechtlich relevante Irreführung begründen.

In einem recht ähnlichen Fall wurde übrigens kürzlich vom OLG Hamm entschieden, dass auch ein Verstoß gegen die eBay-Verhaltensregeln keinen Wettbewerbsbruch darstellt (21.12.2010, Az. I-4 U 142/10[; vgl. Artikel vom 01.02.2011)](../../ebay-drei-angebote-agb-abmahnung.html).

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