BGH: Tatsächlich anfallende Versandkosten sind im Warenkorb auszuweisen?
Tipp: Weiterführende Informationen finden Sie hier: "Preisangabenverordnung"
Wie ein Onlinehändler-Verband berichtet, wurde kürzlich ein Onlinehändler von der Wettbewerbszentrale abgemahnt, weil er die Versandkosten nicht bereits in seinem virtuellen Warenkorb konkret ausgewiesen hatte. Angeblich hatte der Händler in seinem virtuellen Warenkorb nur die Zwischensumme der Bestellung sowie den Hinweis „zzgl. Versandkosten“ angegeben, wobei über die Worte „zzgl. Versandkosten“ auf eine Informationsseite im Online-Shop verlinkt wurde, auf der die konkreten Versandkosten aufgeführt waren. Über die konkret anfallenden Versandkosten wurde erst am Ende des Bestellprozesses, unmittelbar bevor der Kunde seine Bestellung absenden kann, informiert.
Hierin sah die Wettbewerbszentrale angeblich einen Verstoß des Händlers gegen die Vorgaben der Preisangabenverordnung und stützte sich dabei auf ein Urteil des BGH vom 16.07.2009 (Az.:I ZR 50/07).
Darin hatte der BGH auszugsweise Folgendes festgestellt:
"Hinsichtlich der Liefer- und Versandkosten ist allerdings zu beachten, dass deren Höhe häufig vom Umfang der Gesamtbestellung des Kunden (vgl. Hullen, BB 2008, 77; Wenn, jurisPR-ITR 11/2008 Anm. 3, D.) oder von der Art der ausgewählten Waren abhängen wird. Es reicht deshalb auch im Hinblick auf § 1 Abs. 2 Satz 2 PAngV aus, unmittelbar bei der Werbung für das einzelne Produkt den Hinweis "zzgl. Versandkosten" aufzunehmen, wenn sich bei Anklicken oder Ansteuern dieses Hinweises ein Fenster mit einer übersichtlichen und verständlichen Erläuterung der allgemeinen Berechnungsmodalitäten für die Versandkosten öffnet und außerdem die tatsächliche Höhe der für den Einkauf anfallenden Versandkosten jeweils bei Aufruf des virtuellen Warenkorbs in der Preisaufstellung gesondert ausgewiesen wird."
Offenbar ergibt sich zumindest für die Wettbewerbszentrale aus der vorgenannten Entscheidung des BGH für den Online-Händler nicht nur die Pflicht, den Verbraucher bereits vor Einleitung des elektronischen Bestellvorgangs über die Versandkosten zu informieren, sondern zusätzlich die Pflicht, die konkret anfallenden Versandkosten bereits unmittelbar bei Aufruf des virtuellen Warenkorbs gesondert auszuweisen.
Das Problem
Sollte die Entscheidung des BGH tatsächlich so aufzufassen sein, würde dies eine Vielzahl von Online-Händlern vor ein nicht lösbares technisches Problem stellen. Denn im Regelfall hängt die tatsächliche Höhe der Versandkosten von verschiedenen Faktoren ab, die vom Kunden jedoch erst im Verlauf des elektronischen Bestellprozesses (Checkout) festgelegt werden. Hierzu zählen beispielsweise die Auswahl der Versandart (Standardversand, Expressversand, Selbstabholung) und die Angabe der konkreten Lieferadresse (Inland, Ausland, Inseln). Ferner könnten sich die Versandkosten auch noch erhöhen, wenn der Kunde dem virtuellen Warenkorb weitere Artikel aus dem Sortiment des Online-Händlers hinzufügt. In diesen Fällen muss das Online-Shop-System die konkreten Versandkosten anhand der vom Kunden im Verlauf des elektronischen Bestellprozesses zu machenden Angaben erst noch errechnen. Eine Anzeige der Versandkosten unmittelbar bei Aufruf des Warenkorbs durch den Kunden ist in diesen Fällen schlicht unmöglich. Anders wäre es nur, wenn der Online-Händler überhaupt keine Versandkosten oder wenn er für alle Fälle die gleiche Pauschale berechnet. Diese Fälle sind in der Praxis aber eher selten.
Denkbare Lösungsansätze
Lässt man die vorgenannten – in der Praxis eher seltenen - Fälle einmal außer Betracht, muss man schnell erkennen, dass es für die große Anzahl der Fälle in der Praxis keine praktikable Lösung des Problems gibt. Man könnte zum Beispiel darüber nachdenken, direkt im virtuellen Warenkorb ein Zusatzprogramm (Versandkostenrechner) vorzuhalten, über das sich der Kunde die konkreten Versandkosten anhand bestimmter Angaben genau ausrechnen kann. Nimmt man den BGH wörtlich, würde aber auch dies nicht den gesetzlichen Anforderungen genügen, da die tatsächliche Höhe der Versandkosten ja bereits „bei Aufruf“ des Warenkorbs angezeigt werden muss. Vor diesem Hintergrund würde es übrigens auch nicht ausreichen, irgendeinen Betrag für die Versandkosten im Warenkorb auszuweisen, der nur für eine bestimmte Versandvariante in Frage kommt. Denn der BGH verlangt ja gerade die Angabe der „tatsächlichen Höhe der für den Einkauf anfallenden Versandkosten“.
Die Sinnfrage
Für uns stellt sich in diesem Zusammenhang auch die Frage, warum der BGH den Online-Händlern eine solche Hürde hätte auferlegen wollen. Denn wie der BGH in seiner Entscheidung selbst ausführt, dienen die Vorschriften der PAngV letztlich dem Ziel, dass der Verbraucher eine informierte Kaufentscheidung treffen kann, er also vor Einleitung des elektronischen Bestellprozesses über alle anfallenden Kosten umfassend informiert wurde. Dieses Ziel ist aber schon dadurch erreicht, dass dem Verbraucher die Versandkosten in allen denkbaren Variationen mitgeteilt werden müssen, bevor er die Ware in den virtuellen Warenkorb legen kann. Wenn der Online-Händler sich an diese Vorgaben hält und dem Kunden die Versandkosten beispielsweise auf einer entsprechend deutlich verlinkten Versandkostenübersichtsseite anzeigt, weiß der Kunde bereits beim Aufruf des virtuellen Warenkorbs im Online-Shop des Händlers, welche Versandkosten letztlich auf ihn zukommen werden. Dieses Ergebnis wird ihm im Normalfall also am Ende des elektronischen Bestellprozesses nur nochmals ausdrücklich bestätigt. Die Forderung, die konkret anfallenden Versandkosten unmittelbar bei Aufruf des virtuellen Warenkorbs gesondert auszuweisen, ist vor diesem Hintergrund also auch völlig sinnlos.
Fazit
Unter Berücksichtigung der vorgenannten Umstände stellen wir uns die Frage, ob die zitierte Entscheidung des BGH wirklich so zu verstehen ist, wie es die Wettbewerbszentrale offenbar im Rahmen der von ihr ausgesprochenen Abmahnung vertreten hat. Aus unserer Sicht gibt es nur zwei Möglichkeiten: Entweder der BGH hat sich unglücklich ausgedrückt und eigentlich etwas anderes gemeint, als es der reine Wortlaut vermuten lässt, oder der BGH hat es genauso gemeint, wie es der Wortlaut vermuten lässt, hätte dann aber eine Entscheidung an der Realität vorbei getroffen.
Egal welcher Auffassung man hier zuneigt, bleibt es für die Praxis bis zu einer Klärung dieser Frage – möglicherweise durch den BGH selbst – vorläufig bei einer nicht zu unterschätzenden Rechtsunsicherheit.
Wir persönlich neigen derzeit der Auffassung zu, dass der BGH mit seiner Entscheidung nicht vorschreiben wollte, dass die konkreten Versandkosten immer direkt bei Aufruf des virtuellen Warenkorbs ausgewiesen werden müssen, sondern dass ein Ausweis der konkreten Versandkosten auch noch an späterer Stelle im elektronischen Bestellprozess erfolgen kann, jedenfalls aber noch rechtzeitig bevor der Kunde die Möglichkeit hat, seine Bestellung abzusenden. Nur eine solche Auslegung halten wir auch für praktikabel.
Ob wir mit unserer Auffassung richtig liegen, wird sich allerdings erst noch erweisen müssen. Bis dahin muss jeder Betreiber eines eigenen Online-Shops selbst entscheiden, welches Risiko er insoweit einzugehen bereit ist. Für jemanden, der jegliches Risiko vermeiden möchte stünde nach unserer Auffassung derzeit nur die Möglichkeit offen, entweder ganz auf die Berechnung von Versandkosten zu verzichten (diese könnten ja bereits in die Endpreise eingerechnet werden) oder eben eine einheitliche Pauschale zu berechnen, die für alle Versandvarianten gilt und die im virtuellen Warenkorb automatisch angezeigt wird.
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8 Kommentare
ich habe jetzt aktuell so einen Fall, da sind die zzgl. Versandkosten nicht einmal konkret bei Abschluss der Bestellung im Warenkorb ersichtlich (lediglich ein Hinweis auf die "Allgemeinen Geschäftsbedingungen"). Zudem steht bei der Bestätigungs-email des Händlers wiederum nur der Gesamtbetrag des Warenwertes (also ohne einen konkreten Betrag für Versandkosten - nur wieder der Hinweis auf die AGB).
Erst als die Ware geliefert wird, steht auf der beigefügten Rechnung erstmals der Betrag für die zzgl. Versandkosten.....
Meiner Ansicht werden hier "doppelte" Versandkosten berechnet.
Sehe ich dies richtig?
zwar bin ich selbst E-Commerce-Jurist, mich wundert aber, dass bei solchen und ähnlichen Themen die eigentlichen Nutznießer - bewusst oder unbewiusst) - meist ausgeblendet werden: die Käufer. Stattdessen fast immer im Vordergrund: welche Risiken bestehen für den Händler bei Nichtbefolgung? Gibt es Abmahnungen? Wieder so ein rechtliches Hirngespinst etc.
Nun mal anders: Wünscht man sich eine solche Funktionalität als Käufer? - Ja!
Dont make me think:
> warum soll ich noch zusätzliche Zeit mit Kostenaddieren + Warenmengen unter generische Versandpreise subsumieren verbringen? Auch wenn es Grundschulrechnen sein mag, als Käufer habe ich zu Recht keine Lust und Zeit dazu, erst recht wenn ich nur am Probieren & Schauen bin und noch fern von einer Kaufentscheidung
> warum soll ich um diese Information in Erfahrung zu bringen, in den Checkout weitergehen, um die Information dann über die "Jetzt Kaufen Button" Seite zu bekommen und dann abzubrechen? (mit dem weiteren Risiko, bei unordentlich aufgesetzter IT dann bereits meine Daten hinterlassen zu haben)
So bekommt man das Thema doch viel klarer strukturiert und weiß aus eigenem Antrieb, was man seinen Endkunden bietet (oder nicht bieten will), anstatt in selbstgestrickten, abstrakten rechtlichen Unsicherheitssphären zu schweben.
Viele Grüße!
ich habe mir mal daraufhin eine ganze Reihe der großen Shops angeschaut.
Viele berechnen Frachtkosten auf Basis der Artikel im Warenkorb für Deuschland und bieten dann, wenn Lieferung ins Ausland möglich, ein Länderdropdown an.
Für Modified hat eine Softwarefirma ein Open Source Porgramm (Beta Version 0.9) geschrieben, bei der auch alle hinterlegten Versandarten für das Land (z.B. Selbstabholung) ausgewählt werden können. Aktuell werden hier Sponsoren gesucht, die die Weiterentwicklung finanieren helfen.
1und1 oder Yatego haben nur die deutschen Frachtkosten im Warenkorb, selbst wenn auch ins Ausland liefert wird.
Die Frage ist aber generell, ob mit der Button-Lösung, die ja erst nach dem BGH Urteil in Kraft getreten ist, so wie Sie ja auch meinen, der Infromationspflicht nicht schon genüge getan ist.
Man solllte es auf einen Musterprozess mit der Wettbewerbszentrale ankommen lassen, wenn man abgemahnt wird
vielen Dank für Ihre Ausführungen zu diesem Thema. Auf unseren Forumseiten von www.bigware.de haben wir bereits auch schon damit angefangen über dieses Thema zu reden.
M.E. nach sind hier wieder einmal weltfremde Geister unterwegs, die die Realität verkennen. Das, was man dem Online-Handel hier wieder einmal versucht zusätzlich, im Vergleich zum stationären Handel, aufzubürden, ist ein klarer Eingriff in den fairen Wettbewerb. Der stationäre Handel sprüht nur so von Verstößen gegen die PAngV. Ich habe so z.B. bewusst noch in keinem Supermarkt oder Kaufhaus die Angabe gelesen, dass der Preis inkl. oder excl. USt sei. Ebensowenig wird man in Möbelgeschäften am Produkt über die Lieferzeit, die Versandkosten und und und aufgeklärt. All das erfährt man dort auch erst, wenn man den "Bestellprozess" eingeleitet, sprich, wenn man sich mit dem Verkäufer an den Tisch setzt und die Bestellung aufnimmt.
Ich denke der richtige Weg muss es sein, den Gesetzgeber hier einmal vor das Schienbein zu treten und die PrAngV so anzupassen, dass sie auch für den Onlinehandel passt. Und den Richtern am BGH soltle man mal eine Schulung in E-Commerce verpassen, damit sie wissen worüber sie entscheiden.
danke an der Stelle für den hilfreichen Eintrag.
Ich hab für eine Magneto-Shop folgenden Lösungsansatz gewält:
Die Versandkosten mit dem folgenden Modul in den Warenkorb gebracht.
Modul: http://www.rapidcommerce.eu/blog/2012/04/allways-show-shipping-costs-in-magento/
In meinem Fall war es leicht eine Standardkombination für das Modul auszuwählen,
weil der Shop nur ein Versandland und eine Versandart hat.
Vielleicht Hilft anderen Shop-Betreibern mit mehreren Kombinationen aus Versandart und Ländern, an dieser Stelle ein Sternchentext weiter, z.B. (* Versandkosten für [STANDARDLAND] und [STANARDVERSAND])
Das ließe sich mit einer einfachen Template-Änderungen umsetzen.
Viele Grüße,
Marcus Kosek
Der Vorschlag, auf die Versandkosten zu verzichten, ist für die meisten Shopbetreiber nicht hilfreich: Oft erfolgt die Produktsuche über Preissuchmaschinen, bei denen man dann ganz schnell hinten landet, wenn man die Versandkosten in die Produkte einrechnet.
Lediglich die Betreiber von kleinen Shops (mit kleinen Artikeln) können einen Hinweis auf pauschale Versandkosten direkt in den Warenkorb einbinden.
Sind jedoch größerere, und schwerere Produkte zu versenden ist oft die Anlage von mehreren Versandarten (nach Gewicht, nach Lieferland etc) notwendig.
Ganz schwierig wird der Versand mit Speditionen.
Es sollte nach meiner Meinung für den Kunden vollkommen ausreichen, dass er im Warenkorb einen Versandkostenrechner zur Verfügung gestellt bekommt. Dieses Feauture bieten schon einige Shops, zum Beispiel der JTL-Shop 3 :
Der Kunde legt einen Artikel in den Warenkorb und kann sofort unter Angabe seiner PLZ und Lieferlandes die Versandgebühren ermitteln lassen.
Legt er einen weiteren Artikel in den Warenkorb, kann er prüfen, ob sich die Kosten erhöht haben.
Abschließend, bevor er bestellt, sieht er die genauen Angaben , und kann sich immer noch gegen eine Bestellung entscheiden und den Bestellvorgang abbrechen
Was soll denn noch mehr getan werden?
Die Diskussion geht ja schon bereits weiter: Angeblich streiten sich schon Rechtsexperten darüber, ob auch die möglichen Nachnahmegebühren mit genannt werden müssen, und in diesem Zusammenhang, ob die Nachnahmegebühr zu den Versandkosten überhaupt gehört.
Meine Meinung : Das ist kein Verbraucherschutz. Das sind Entscheidungen vom grünen Tisch gesprochen, die mit der Realität nichts mehr zu tun haben.
Der einzige Begriff, der mir dazu einfällt : Arbeitsbeschaffungsmaßnahme
Danke, Herr Richter, da kann ich drauf verzichten, habe Arbeit genug. Und hätte wahrscheinlich noch mehr, wenn die vielen kleinen Schopbetreiber nicht dauernd Ihr Geld für Abmahnungen ausgeben müssen, die durch solche realitätsfremden Urteile entstehen.
Wäre es dann nicht sinnvoller, dass der Kunde erst altmodisch eine Bestellanfrage macht und man dem Kunden dann eine unverbindliche Bestellanfragebestätigung zumailt, mit bestellbezogenen Produkt- und Versandkosten, sowie Widerrufsbelehrung (ach ja, die kommt ja auch schooon wieder neu!) ?
Wenn der Kunde des Lesens mächtig ist, bestellt er dann mit seiner Mailantwort und seiner Vorauszahlung verbindlich, auf Basis dieser Daten.
Ich selbst plane derzeit einen Online-Shop und sehe mir vielerlei Systeme, auch Mietsysteme an, aber nun zögere ich und erwäge, meine alten Webseiten-Angebote wieder nach dem o.g. Schema aufleben zu lassen, statt aufwendig einen Shop einzurichten, der dann doch dem einen oder anderen wieder nicht genügt...