Online-Verkäufe ins Ausland – gilt deutsches Recht? Teil 1
Der europäische Binnenmarkt ist nicht nur für große, sondern auch für kleinere Online-Händler verlockend. Sie müssen nicht aufwendig ein Ladengeschäft im Ausland eröffnen, sondern lediglich ihre Waren an die Kunden dort versenden. Den Webshop dazu haben sie bereits, die teureren Versandkosten können sie den Kunden auferlegen. Der Aufwand scheint somit gering. Allerdings stehen einige rechtliche Hürden im Weg. Die IT-Recht Kanzlei stellt in einer Folge von zwei Artikeln die rechtlichen Rahmenbedingungen des Online-Handels mit dem Ausland vor. Lesen Sie dazu nun mehr im ersten Teil der kleinen Serie.
Inhaltsverzeichnis
A. Einführung
Wer in Deutschland ein Ladengeschäft führt, muss selbstverständlich die in Deutschland geltenden Gesetze beachten. Dasselbe gilt für Online-Händler mit Sitz in Deutschland, die per Webshop Waren in Deutschland verkaufen. Auch sie müssen sich an die deutschen Gesetze halten. Wer in Helsinki oder Wien ein Ladengeschäft betreibt, dementsprechend genauso die dort geltenden Vorschriften beachten. Wie ist es aber, wenn ein Webshop-Betreiber mit Sitz in Deutschland Waren auch ins Ausland verkauft? Die Gesetze welchen Staates muss er beachten?
Eine allgemeingültige Antwort hierauf gibt es nicht. Vielmehr muss insbesondere danach unterschieden werden, ob es um Fragen des Lauterkeits-, Telemedien- oder Vertragsrecht geht. Denn ein Webshop kann sich im Hinblick auf diese drei Rechtsbereiche unterschiedlichen Rechtsordnungen unterliegen.
Während nun im ersten Beitrag der Serie vor allem das Lauterkeitsrecht im Fokus steht, beschäftigt sich der zweite Teil mit Fragen des Telemedien- und Vertragsrechts.
B. Lauterkeitsrecht – Die Ausrichtung eines Webshops
I. Keine Rechtswahl beim Lauterkeitsrecht
Während für die Vertragsbeziehungen der Kaufvertragsparteien grundsätzlich durch diese Parteien eine Rechtswahl getroffen werden kann, d.h. Käufer und Verkäufer sich im Grundsatz frei aussuchen können, welches Recht zur Anwendung kommen soll (siehe dazu den zweiten Teil der Serie), gilt dies nicht für den Verkäufer und seine Beziehungen zu Mitbewerbern bzw. für seine telemedienrechtlichen Pflichten.
Dies betrifft neben dem Lauterkeitsrecht speziell etwa die Vorschriften des Telemedienrechts (z.B. die Impressumspflicht). Denn genau so wenig wie ein deutscher Ladengeschäftsinhaber in der Münchener Maximilianstraße etwa durch Aushang im Schaufenster die Anwendbarkeit deutschen Lauterkeitsrechts ausschließen kann, kann auch ein Webshop-Betreiber mit Sitz in Deutschland nicht verhindern, dass etwa spanisches Lauterkeitsrecht Anwendung findet, wenn er seine Waren auch in Spanien verkauft.
II. Wann findet ausländisches Lauterkeitsrecht Anwendung?
Wenn Webshop-Betreiber über ihren Webshop Waren ins Ausland verkaufen, so findet im Grundsatz das Lauterkeitsrecht jedes Staates Anwendung, in dem die Waren zum Verkauf angeboten und verkauft werden.
Dies ergibt sich aus dem deutschen sog. Kollisionsrecht des Artikel 6 Absatz 2 der Rom II-Verordnung (Rom II-Verordnung = EU-Verordnung über das auf außervertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht). Demnach ist auf außervertragliche Schuldverhältnisse aus unlautererem Wettbewerbsverhalten das Recht des Staates anzuwenden, in dessen Gebiet die Wettbewerbsbeziehungen oder die kollektiven Interessen der Verbraucher beeinträchtigt worden sind oder wahrscheinlich beeinträchtigt werden (sog. Marktortprinzip).
Die Webshops von Online-Händlern mit Sitz in Deutschland sind auf der ganzen Welt abrufbar. Dasselbe gilt für Internetwerbung – entweder solche außerhalb von Webshops (man denke etwa an Werbebanner auf fremden Websites, die selbst ja auch aus der ganzen Welt abgerufen werden können) oder innerhalb der Webshops selbst. Somit sind auch alle Internetnutzer weltweit als Werbeempfänger und potentielle Kunden angesprochen. Somit findet im Ausgangspunkt das Lauterkeitsrecht all jener Staaten Anwendung, in denen der Webshop tatsächlich über das Internet aufgerufen werden kann.
Damit gilt im Ergebnis für den Webshop ein sehr strenger lauterkeitsrechtlicher Maßstab. Denn der Webshop muss den strengstens lauterkeitsrechtlichen Gesetzen der Welt genügen.
III. Einschränkung durch Ausrichtung des Webshops und Disclaimer
Nun haben deutsche Webshop-Betreiber ein Problem, das Inhaber von Ladengeschäften nicht haben. Während sie einen (Web-)Shop in Deutschland und damit – wegen der weltweiten Abrufbarkeit der entsprechenden Website und ggf. der Bestellbarkeit ihrer Waren – zugleich auf der ganzen Welt eröffnen und entsprechend auch die fremden Gesetze beachten müssen, muss der Inhaber eines Ladengeschäfts nur deutsches Recht beachten.
Ganz so schlimm kommt es für Webshop-Betreiber dann aber doch nicht. Zum einen hat er die Möglichkeit, seine Haftung mittels sog. Disclaimer auszuschließen. Zum anderen kann er seinen Webshop auf bestimmte Länder ausrichten und so die Anwendbarkeit das Recht der anderen Länder ausschließen – oder zumindest das Risiko minimieren.
1. Disclaimer
Mit einem Disclaimer kann ein Webshop-Betreiber deutlich machen, welche Kunden er mit seinem Webshop ansprechen möchte und welche nicht. Um noch einmal die Parallele zum Ladengeschäft zu bemühen: mit dem Disclaimer kann ein Webshop-Betreiber im Prinzip entscheiden, „in“ welchem Land er seinen Webshop eröffnen will. Schränkt er sich entsprechend ein, so muss er auch nur das dort geltende Lauterkeitsrecht beachten.
Ein solcher Disclaimer hilft allerdings nur, wenn er ernsthaft gemeint und genau so auch tatsächlich von dem Webshop-Bertreiber eingehalten wird. Webshop-Betreiber, die zwar mittels Disclaimer in ihrem Webshop behaupten, beispielsweise nicht nach Frankreich zu liefern, es dann aber doch tun, müssen damit rechnen, an französischem Lauterkeitsrecht gemessen zu werden.
2. Ausrichtung des Webshops
In eine ähnliche Stoßrichtung geht die Frage nach der gezielten Ausrichtung eines Webshops. Denn nicht nur durch Disclaimer, sondern durch die tatsächliche Gestaltung des Webshops können Online-Händler diesen auf bestimmte Staaten und somit auf deren Lauterkeitsrecht beschränken. Webshop-Betreiber, die dies beabsichtigen, sollten allerdings einige Kriterien beachten.
(a) Einrichtung von Ländershops
Wer gezielt unterschiedliche Shops für verschiedene Staaten anbietet, zeigt nach außen eine deutliche Abgrenzung der jeweiligen Reichweite der Shops. Entsprechend müssen dann jeweils für jedes Land die einschlägigen gesetzlichen Bestimmungen beachtet werden. Allerdings dürfte die Gründung unterschiedlicher Ländershops gerade für kleinere und mittelgroße Webshop-Betreiber ein zu großer Aufwand und daher keine akzeptable Lösung sein.
(b) Angabe von Auslandsversandkosten
Online-Händler, die nur die Versandkosten für bestimmte Länder angeben und gleichzeitig kundtun, dass sie nur in diese Länder liefern, beschränken ihren Webshop ebenfalls auf diese Länder mit der Folge, dass sie sich nur an dem Lauterkeitsrecht dieser Länder messen lassen müssen.
(c) Preisangaben in fremder Währung
Dasselbe gilt im Hinblick auf die Angabe der Preise in fremden Währungen, wenn so auf ein bestimmtes Land hingewiesen wird. Das ist im Falle des Euro schon einmal nicht der Fall. Wer aber etwa den Euro und den Schweizer Franken angibt, deutet jedenfalls an, dass er nicht beabsichtigt, nach Hongkong oder Japan zu verkaufen und zu liefern.
Keine genau so klare uns starke Wirkung wie die gerade eben angeführten Kriterien, aber dennoch eine Art Indizwirkung haben die folgenden Gesichtspunkte:
- Webshops in fremder Sprache; das gilt selbstverständlich nicht für die englische Sprache oder andere Weltsprachen, denn durch die Wahl dieser Sprachen wird wohl keine Einschränkung, sondern eher eine Erweiterung der möglichen Absatzstaaten vorgenommen.
- Angabe von länderspezifischen Hotlines, nicht aber zwingend bereits die Angabe der internationalen Vorwahl für die inländische Hotline
- Die Verwendung von bestimmten Länderdomains wie *.au für Österreich oder *.fr für Frankreich für die Webshop-Seite etc., denn allein die Verwendung dieser Domains bedeutet nicht, dass der Webshop-Betreiber etwa in diesem Land niedergelassen ist.
- Werbung im Internet auf ausländischen Internetseiten oder Branchenverzeichnissen oder in anderen ausländischen Medien, die auf den Webshop hinweist.
Tipp:
Webshop-Betreiber sollten die Chance nutzen, ihren Webshop mit Hilfe der dargestellten Kriterien gezielt auf die von ihnen ausgewählten Absatzmärkte auszurichten, und somit das Risiko der Anwendbarkeit des Lauterkeitsrechts von Drittstaaten minimieren. So können sich Online-Händler auf die jeweiligen Wettbewerbsregeln und ihre Besonderheiten einrichten.
Ausblick
Lesen Sie mehr zu der Thematik „Online-Verkäufe ins Ausland“ im zweiten Teil der Serie.
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8 Kommentare
"Wer gezielt unterschiedliche Shops für verschiedene Staaten anbietet, zeigt nach außen eine deutliche Abgrenzung der jeweiligen Reichweite der Shops. Entsprechend müssen dann jeweils für jedes Land die einschlägigen gesetzlichen Bestimmungen beachtet werden."
Allerdings ohne weitere Erläuterung, welches gesetzlichen Bestimmungen das festlegen.
Im 2. Teil schreiben Sie:
"Hier haben die Vertragsparteien einen großen Spielraum. Denn nach den Grundsätzen der Vertragsautonomie, können Käufer und Verkäufer im Ausgangspunkt selbst bestimmen, welches Recht sie ihrem Vertrag zugrunde legen wollen"
Aber was heißt das konkret. Wenn der Verkäufer dies in seinen AGB nicht eindeutig klärt, was gilt dann? Was genau ist der Ausgangspunkt? Muss ich beim Einkauf erklären, dass ich deutsches Recht anwenden möchte? Wie kann ich das in einem Online-Shop ohne Kommentarfunktion tun?
Soweit klar, der Artikel, frage mich nur was das praktisch heisst. Also vor allem: was ist anders = strenger im europäischen Ausland. Wäre für unsren Shop www.amitamin.com wichtig.
MfG
Jörn Seidenschnur