BGH: Zur Verletzung des Rechts auf öffentliche Zugänglichmachung

BGH: Zur Verletzung des Rechts auf öffentliche Zugänglichmachung
21.12.2010 | Lesezeit: 4 min

Das Recht auf öffentliche Zugänglichmachung kann verletzt werden, wenn durch das Setzen  eines Hyperlink, unter Umgehung einer Schutzmaßnahme, ein unmittelbarer Zugriff auf die geschützte Webseite ermöglicht wird (Urteil vom 29.04.2010, Az.:I ZR 39/08). Dabei muss es sich nicht um eine wirksame technische Schutzmaßnahme handeln. Es reicht jede Maßnahme aus, die potentiell geeignet ist den Zugriff zu der Seite zu erschweren.

Inhaltsverzeichnis

Fall

Der Kläger betreibt eine Internetseite mit elektronischen Stadtplänen. Auf der Startseite wird ein Suchformular angezeigt, in dem der Interessent die Postleitzahl, Ort und Strasse angeben kann. Sodann wird ein Kartenausschnitt mit der gewünschten Adresse auf einer weiteren Webseite angezeigt. Dieser Dienst ist für private Nutzer kostenlos, dagegen werden für kommerzielle oder dauerhafte Nutzungen, von dem Kläger Lizenzgebühren erhoben. Der Zugang zu den Kartenausschnitten ist in diesem Fall nur durch eine Session-ID möglich. Die Session-ID wird beim Aufruf der Seite erteilt und ist zeitlich befristet.

Der Beklagte ist ein Wohnungsunternehmen. Auf ihrer Internetseite bot er seinen Nutzern über einen Hyperlink den Abruf des gewünschten Kartenausschnitts, in dem er eine programmtechnische Routine verwendet hat. Dies ermöglichte die Startseite des Klägers zu umgehen und unmittelbar zur Webseite mit dem gewünschten Kartenausschnitt zu gelangen. Der Kläger behauptet, der Beklagte habe die Stadtpläne unbefugt der Öffentlichkeit zugänglich gemacht. Er verlangt Auskunftserteilung und Schadensersatz.
Das LG Hamburg hat die Klage abgewiesen. Dagegen legte der Kläger Berufung ein. Diese blieb jedoch ebenfalls ohne Erfolg. Mit der Revision zum BGH verlangte der Kläger die Verfolgung seiner Anträge weiter. Der BGH hat die Angelegenheit zur nochmaligen Entscheidung an das OLG Hamburg zurückgewiesen.

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Entscheidung

Der BGH hat festgestellt, dass die Ausführungen des Berufungsgerichts unzutreffend sind. Mit der vom Berufungsgericht angegebenen Argumentation können die Ansprüche des Klägers nicht verneint werden.
Das OLG Hamburg als Berufungsgericht, hat im Wesentlichen seine Entscheidung an die Begründung des LG angelehnt. Das Berufungsgericht hat angenommen, dass eine Haftung des Beklagten nur dann angenommen werden kann, wenn der Kläger eine wirksame technische Maßnahme i.S.d. § 95a UrhG verwendet, die geeignet ist einen unberechtigten Zugriff auf die Webseite zu unterbinden.

Nach Ansicht des Berufungsgerichts reichte dafür nicht aus, wenn es sich dabei um irgendeine Maßnahme handelt. Diese müsste konkret geeignet sein den Zugriff zu unterbinden. Das Berufungsgericht argumentierte weiter, dass die Verwendung eines sog. Deep Link keinen Eingriff in das urheberrechtlich geschützte Werk darstellt. Der Deep Link verweist lediglich auf das Werk. Den Nutzern wird somit lediglich der Zugang erleichtert. Ob das Werk der Öffentlichkeit zugänglich bleibt entscheidet nicht der, der den Deep Link verwendet, sondern derjenige, der das Werk ins Internet gestellt hat. Das setzten eines Hyperlink in Form eines Deep Link würde das Recht auf öffentliche Zugänglichmachung nur dann verletzen, wenn dabei eine technische Schutzmaßnahme umgangen wäre. Nach Ansicht des Berufungsgerichts reicht dafür die vom Kläger verwendete Schutzmaßnahme nicht aus.

Dem ist aber der BGH entgegengetreten.

„Das Setzen eines Hyperlink, der unter Umgehung von Technischen Schutzmaßnahmen  einen unmittelbaren Zugriff auf ein geschütztes Werk ermöglicht, kann daher auch dann in das Recht der öffentlichen Zugänglichmachung des Werkes eingreifen, wenn es sich bei der technischen Schutzmaßnahme nicht um eine wirksame technische Schutzmaßnahme i.S.d. § 95a UrhG handelt. Entscheidend ist allein, dass der Berechtigte überhaupt Schutzmaßnahmen getroffen hat, die für Dritte als solche erkennbar sind. Es reicht aus, dass die Schutzmaßnahmen, den Willen des Berechtigten erkennbar machen, den Zugang zu dem geschütztem Werk nur mit dem von ihm vorgesehenen Einschränkungen zu ermöglichen.“

Mit dem Einsatz der Session-ID wollte der Kläger den nicht lizenzierten Nutzern den unmittelbaren Zugriff auf die geforderten Kartenausschnitte unterbinden. Durch das Einsetzen der Session-ID sollte der gewünschte Kartenausschnitt erst über die Startseite der vom Kläger erstellten Webseite geleitet werden. Der Beklagte hat mit dem Deep Link die Zwangsumleitung ausgeschaltet. Damit hat er seinen Kunden den direkten Zugriff zu den Kartenausschnitten ermöglicht. Der Beklagte hat somit die vom Kläger geschaffene Schutzmaßnahme umgangen.

Fazit

Technische Schutzmaßnahmen nach § 95a UrhG sind Maßnahmen, die dem Schutz eines Werkes vor unberechtigtem Zugriff dienen. Es ist nicht erforderlich, dass die Maßnahme den unberechtigten Zugriff tatsächlich unterbindet. Denn bereits jede Maßnahme, die den direkten Zugriff zu einer Seite erschweren soll ist von dem Willen des Verwenders geprägt, den Zugang zu dem geschützten Werk nur auf dem vorgesehenen Weg zu benutzen.

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