E-Commerce mit Österreich, Teil 1: Besonderheiten des österreichischen Rechts
Tipp: Weiterführende Informationen zum Thema finden Sie hier: "Österreich E-Commerce (AGB)"
Für deutsche e-Trader drängt es sich geradezu auf, auch den österreichischen Markt zu beliefern: Die Kundschaft dort spricht (fast) die gleiche Sprache, zahlt in der gleichen Währung und ist nur einen Grenzübertritt entfernt. Bedacht werden sollte allerdings, dass Österreich eben nicht Deutschland ist – neben einer eigenen Kultur und Mentalität pflegen die Österreicher auch ein eigenständiges Rechtssystem, das sich in einigen Punkten vom deutschen Recht unterscheidet.
Die Donaumonarchie lebt in Österreich nicht nur in Sitten, Sprache und Küche fort, sondern auch im Rechtssystem. So hat etwa das Ende des Zweiten Weltkriegs im österreichischen Verfassungsgefüge keine so starke Zäsur bewirkt, wie dies in Deutschland der Fall ist; bis heute ist das österreichische Verfassungsrecht im Wesentlichen im Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) von 1920 sowie dem Staatsgrundgesetz (StGG) von 1867 geregelt (letzteres beginnt bis heute mit der Verlautbarungsformel Seiner Majestät).
Allein dies zeigt schon einen großen Unterschied zum deutschen Recht: In Österreich begnügt man sich nicht mit einem Gesetz, wenn man viele Gesetze parallel haben kann. So sind schon die Grundrechte neben B-VG und StGG auch im Gesetz zum Schutze des Hausrechts, dem Gesetz zum Schutz der persönlichen Freiheit, dem Datenschutzgesetz, dem Staatsvertrag von Saint Germain und dem Staatsvertrag von Wien verortet – teilweise unter mehrfacher Regelung einzelner Grundrechte. Zusätzlich wurden noch die Europäische Menschenrechts-Konvention (EMRK) samt Zusatzprotokollen sowie die Europäische Grundrechte-Charta (EGC) in den Verfassungsrang gehoben (was natürlich zu erneuten Mehrfachregelungen einzelner Grundrechte führt). Bemühungen, dieses Sammelsurium in eine einheitliche Verfassungsurkunde zu integrieren, laufen seit 2003 – bislang erfolglos.
Ganz ähnlich stellt sich die Situation nun auch im e-Commerce dar: Auch hier sieht man sich neben dem Allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbuch (ABGB) noch mit dem Konsumentenschutzgesetz (KSchG), dem E-Commerce-Gesetz (ECG), dem Mediengesetz (MedienG), dem Telekommunikationsgesetz (TKG), dem Signaturgesetz (SigG) und dem Zahlungsdienstegesetz (ZaDiG) konfrontiert. Fairerweise muss man sagen: Auch in Deutschland gibt es eine gewisse Zersplitterung der Rechtslage, hier ist sie jedoch nicht so ausufernd. Der entsprechende Regelungsgehalt des ECG und des KSchG (nicht zu verwechseln mit dem deutschen KSchG = Kündigungs-Schutzgesetz!) ist beispielsweise in Deutschland direkt in das BGB eingepflegt und nicht in eigenen Gesetzen erlassen worden.
Doch wo Kritik ist, muss auch Lob sein: Die Rechtslage mag in Österreich zersplittert sein, sie ist jedoch auch immer flexibel und innovativ. Ein paar Beispiele: Österreich war eines der ersten Länder überhaupt, die ein Datenschutzgesetz erlassen haben; Österreich hat wesentlich früher als Deutschland mit gesetzlichen Projekten zum e-Government begonnen und schon längst eine funktionierende e-card („Bürgerkarte“) für den elektronischen Behördenverkehr; und Österreich hat mit dem Rechtsinformationssystem (RIS) des Bundeskanzleramts eine sehr benutzerfreundliche Plattform zur Einsichtnahme in Bundes- und Landesrecht sowie Dokumente der Rechtsprechung. Das Rechtssystem mag also verworren erscheinen, es ist jedoch teilweise auch deutlich fortschrittlicher als in Deutschland.
Der langen Rede kurzer Sinn: Wer sich an den österreichischen Verbrauchermarkt herantraut, der muss sich auch an die österreichische Rechtslage herantrauen. Die ist nicht nur für deutsche Augen recht ungewohnt, sondern weicht auch – trotz europäischer Harmonisierung – gelegentlich vom deutschen Recht ab. In dieser Reihe werden daher die nächsten Wochen die Eigenheiten des österreichischen Rechts beleuchtet und mögliche Risiken für deutsche e-Trader aufgezeigt.
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