Kein hinkender Vergleich!? - Teil 1 - Die Rechtmäßigkeit vergleichender Werbung
Vergleichen ist ein wesentlicher Bestandteil des Wettbewerbs. Man vergleicht Leistungen und Preise, um zu entscheiden, welches Produkt man von welchem Hersteller bei welchem Händler kauft. Dennoch galt vergleichende Werbung lange Zeit als sittenwidrig. Erst nach und nach wurde das Lauterkeitsrecht liberalisiert, so dass heute vergleichende Werbung nur noch unter gewissen Aspekten als unlauter angesehen wird. Lesen dazu jetzt den elften Teil der Serie der IT-Recht Kanzlei über die rechtlichen Aspekte der Werbung im Internet.
Inhaltsverzeichnis
- Ein Blick in die Historie
- Vergleich!
- Vergleichende Werbung ohne Vergleich?
- Wann besteht kein Vergleich im Rechtssinne?
- Die Erkennbarkeit der Mitbewerber ist erforderlich
- Gleicher Bedarf oder selbe Zweckbestimmung (§ 6 Absatz 2 Nr. 1 UWG)
- Bezugspunkt: Eigenschaften und Preis (§ 6 Absatz 2 Nr. 2 UWG)
- Fazit
Ein Blick in die Historie
Die Geschichte der vergleichenden Werbung verläuft parabelartig. Vor etwa hundert Jahren galt vergleichende Werbung als rechtlich nicht besonders problematisch – sie war in aller Regel erlaubt und niemand störte sich an Vergleichen in der Werbung. Anschließend gab es jedoch ein Wende, auf einmal empfand man vergleichende Werbung als unsittlich, also unlauter – das „Ellbogenprinzip“ als Teil des Wettbewerbs sorgte für Befremden. Erst nach und nach lockerten sich die Ansichten wieder in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Doch erst mit der grundlegenden EG-Richtlinie 97/55/EG vom 6.10.1997 gab es einen großen Schritt in Richtung Liberalisierung des Rechts der vergleichenden Werbung. Wie man anhand der EG-Richtlinie sehen kann, geht das Lauterkeitsrecht im Bereich der vergleichenden Werbung auf europäische Rechtsgrundlagen zurück – auch hier spielt der Gedanke, das Recht europaweit zu vereinheitlichen und somit einen einheitlichen Wirtschaftraum zu schaffen, in dem einheitliche Regeln gelten, eine große Rolle.
Mittlerweile ist vergleichende Werbung grundsätzlich erwünscht – nur unter gewissen Aspekten soll sie nicht zulässig sein. Wann Vergleichende Werbung nicht zulässig ist, wird insbesondere in § 6 des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) geregelt.
Vergleich!
Nach dem Katalog in § 6 Absatz 2 UWG bestimmt sich, ob vergleichende Werbung lauter oder unlauter ist. Allerdings muss es sich bei der zu überprüfenden Werbung zunächst überhaupt erst um vergleichende Werbung handeln. Ob dies der Fall ist, bestimmt sich nach der Definition in § 6 Absatz 1 UWG. Demnach ist
„vergleichende Werbung jede Werbung, die unmittelbar oder mittelbar einen Mitbewerber oder die von einem Mitbewerber angebotenen Waren oder Dienstleistungen erkennbar macht.“
Liegt nämlich keine vergleichende Werbung vor, so sind die Beschränkungen aus § 6 Absatz 2 UWG gar nicht erst einschlägig; die Werbung ist dann somit auch ohne Beachtung dieser Regeln rechtlich zulässig, denn diese beziehen sich ausdrücklich nur auf vergleichende Werbung.
Aus der Definition in § 6 Absatz 1 UWG lässt sich ableiten, dass ein allgemein gehaltener Vergleich in der Form, dass ein Unternehmen sich als generell besser darstellt als seine Konkurrenz, von der Regelung des § 6 UWG gar nicht erfasst wird. Erfasst werden vielmehr nur solche Vergleiche, die einen oder mehrere konkrete Mitbewerber für den Verbraucher erkennen lässt. Es muss somit – ausdrücklich und offensichtlich oder zumindest aus den Umständen – erkennbar sein, mit welchem Mitbewerber(n) sich das werbende Unternehmen bzw. seine Produkte vergleicht.
Vergleichende Werbung ohne Vergleich?
Uneinig ist man sich in der Rechtswelt darüber, ob § 6 UWG seinem Wortlaut nach überhaupt einen Vergleich im Wortsinne erfordert. Denn nach der wörtlichen Formulierung der Vorschrift genügt es, dass Mitbewerber lediglich erkennbar sind, nicht dass eine „vergleichende Beziehung“ zwischen dem werbenden Unternehmen und dem erkennbaren Mitbewerber in der Werbung besteht.
Letztlich soll es auf diesen juristischen Streit hier jedoch nicht ankommen, kann man doch allein in der Nennung eines Mitbewerbers die Motivation des Werbenden sehen, sich mit dem Mitbewerber in Vergleich zu setzen. Dies allein genügt bereits.
Wann besteht kein Vergleich im Rechtssinne?
Es handelt sich dann um keine vergleichende Werbung im Sinne des § 6 UWG, wenn in ihr bloße Kritik an Mitbewerbern geübt wird, ohne dass sich das werbende Unternehmen selbst damit in Vergleich bringt. Ebenso keinen Vergleich stellt es dar, wenn sich das werbende Unternehmen lediglich an einen fremden (bekannten und guten) Ruf anlehnt – auch dann finden somit nicht die Vorschriften des § 6 UWG Anwendung, sondern die allgemeinen lauterkeitsrechtlichen Regelungen über die Anlehnung an einen fremden Ruf bzw. die sog. Rufausbeutung.
Keine vergleichende Werbung liegt ebenso dann vor, wenn die Werbung die Kunden dazu auffordert, selbst die Leistungen oder Preise verschiedener Unternehmen miteinander zu vergleichen. Hierbei handelt es sich nur um eine Aufforderung zum Vergleich, nicht um eine Vergleich selbst.
Auch kein Vergleich im Sinne des § 6 Absatz 1 UWG ist gegeben, wenn ein Unternehmen seine eigenen Produkte miteinander vergleicht. Das ist zwar im Wortsinne ebenfalls ein Vergleich, jedoch fehlt hierbei der Mitbewerberbezug.
Die Erkennbarkeit der Mitbewerber ist erforderlich
Eine Werbung, d.h. eine Äußerung, deren Ziel die Absatzförderung ist, ist im Wesentlich dann vergleichend im Sinne des § 6 Absatz 1 UWG, wenn der Mitbewerber erkennbar ist. Dies bedeutet, dass die Identifizierung des oder der Mitbewerber(s) möglich sein muss.
Dabei stellt sich natürlich die Frage, für wen bzw. aus wessen Sicht der oder die Mitbewerber erkennbar sein müssen. Relevant ist – wie so oft im Wettbewerbsrecht – nicht die Sichtweise des Werbenden, sondern diejenige des sog. „normal informierten und angemessen aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbrauchers“. Dies ist eine vom Europäischen Gerichtshof entwickelte, hinzugedachte Figur, aus deren Blinkwinkel die Werbung betrachtet werden soll.
Unmittelbar im Sinne des § 6 Absatz 1 UWG sind ein Mitbewerber bzw. dessen Produkte erkennbar, wenn sie in der Werbung namentlich genannt oder bildlich wiedergegeben werden oder sonst eindeutig identifizierbar sind.
Allerdings muss gemäß dem Wortlaut des § 6 Absatz 1 UWG der Mitbewerber nicht unmittelbar erkennbar sein, damit ein Vergleich vorliegt – es genügt eine mittelbare Erkennbarkeit. Jedoch muss dabei zumindest der Kreis der Mitbewerber überschaubar sein, so dass auch bei einem nur mittelbaren Bezug auf Mitbewerber auf deren Identität geschlossen werden kann.
Hierzu ein kurzes Beispiel:
Angenommen weltweit würden nur drei (bekannte) Unternehmen Klopapier herstellen und einer dieser Hersteller würde damit werben, dass seines „Das weichste Papier für Ihren Hintern“ sei, dann vergleicht er sich mit seinen zwei Konkurrenten im Hinblick auf die Qualität seines Produkts. Für den durchschnittlichen Verbraucher sind die Konkurrenten erkennbar, daher liegt ein Vergleich im Rechtssinne vor. Anders sähe es etwa dann aus, wenn es hunderte von Konkurrenten gäbe. Dies würde nicht ausreichen.
Hinweise dafür, dass ein Vergleich im Rechtssinne vorliegt, sind etwa die Anknüpfung an eine bereits existierende Werbung eines Mitbewerbers oder die Bezugnahme auf sonstige Verhältnisse beim Mitbewerber. Des Weiteren ist ein Vergleich – wie gesehen – eher dann gegeben, wenn es nur eine begrenzte Anzahl an Mitbewerbern gibt und somit klarer ist, auf wen sich eine Werbung im Vergleich bezieht. Schließlich kann die Verwendung des Komparativs darauf hindeuten, dass ein Vergleich vorliegt.
Gleicher Bedarf oder selbe Zweckbestimmung (§ 6 Absatz 2 Nr. 1 UWG)
Dem Grundsatz nach ist vergleichende Werbung erlaubt. Nur falls eines der Unlauterkeitsmerkmale aus § 6 Absatz 2 UWG gegeben ist, ist die entsprechende vergleichende Werbung wettbewerbswidrig.
So handelt nach § 6 Absatz 2 Nr. 1 UWG ein Unternehmer unlauter, der vergleichend wirbt, wenn der Vergleich
„sich nicht auf Waren oder Dienstleistungen für den gleichen Bedarf oder dieselbe Zweckbestimmung bezieht,“
Dabei kommt es nicht darauf an, dass nur dieselben Waren oder Warenarten miteinander verglichen werden. Vielmehr geht es – wie der Wortlaut besagt – um den gleichen Bedarf bzw. dieselbe Zweckbestimmung. Dies bedeutet beispielsweise, dass nicht bloß Putzschwämme mit Putzschwämmen verglichen werden dürfen, sondern auch ein Wischmob mit einem Staubsauger. Es ist keine vollkommene Funktionsidentität erforderlich. Ein Vergleich ist auch dann zulässig, wenn er „kreuzweise“ geschieht, d.h. wenn z.B. eine Dienstleistung (die Pizzeria um die Ecke) mit einer Ware (die Tiefkühlpizza aus dem Supermarkt) miteinander verglichen wird.
Sieht man als Zweckbestimmung die Freizeitgestaltung an, so ist es z.B. auch möglich, Freizeitparks mit Sportveranstaltungen wie Bundesligaspielen zu vergleichen. Eine gleiche Produktart oder Produktkategorie ist gerade nicht erforderlich.
Bezugspunkt: Eigenschaften und Preis (§ 6 Absatz 2 Nr. 2 UWG)
Falls sich vergleichende Werbung auf Produkte für den gleichen Bedarf oder dieselbe Zweckbestimmung bezieht, kann sie dennoch unlauter sein, wenn sie gegen § 6 Absatz 2 Nr. 2 UWG verstößt.
Demnach handelt unlauter, wer vergleichend wirbt, wenn der Vergleich
„nicht objektiv auf eine oder mehrere wesentliche, relevante, nachprüfbare und typische Eigenschaften oder den Preis dieser Waren oder Dienstleistungen bezogen ist,“
Zunächst muss sich der Vergleich auf bestimmte Eigenschaften oder den Preis der Produkte beziehen. Unlauter ist daher ein Vergleich bereits dann, wenn er sich weder auf deren Eigenschaften oder Preis bezieht.
Unter Eigenschaften versteht man die verschiedenen Merkmale eines Produkts. Dabei ist entscheidend, ob dieses Merkmal einen bestimmten Bezug zu dem Produkt aufweist und die angesprochenen Verkehrskreise (die potentiellen Kunden) daraus eine nützliche Information für ihre Kaufentscheidung gewinnen können. Beispielsweise kann die Art der Herstellung, die Lieferbarkeit bzw. Verfügbarkeit des Produkts oder die Kundenzufriedenheit eine Eigenschaft eines Produkts sein.
Der Vergleich muss gemäß § 6 Absatz 2 Nr. 2 UWG objektiv, d.h. er darf nicht subjektiv sein. Dies bedeutet, dass der Vergleich nicht aus einer subjektiven Wertung des Werbenden hervorgehen darf. Schließlich muss der Werbevergleich sich auf wesentliche, relevante, nachprüfbare und typische Eigenschaften beziehen.
Diese Voraussetzungen müssen kumulativ vorliegen, damit die Werbung rechtmäßig ist, d.h. es genügt etwa nicht, wenn der Vergleich in Bezug auf bestimmte nachprüfbare Eigenschaften vorgenommen wird, wenn diese jedoch unwesentlich sind.
Es muss sich um wesentliche Eigenschaften handeln, damit nicht etwa durch die Hervorhebung unwesentlicher Eigenschaften der Gesamteindruck eines Vergleichs verzerrt wird. Relevant ist eine Eigenschaft dann, wenn sie für die Kaufentscheidung des Kunden von Bedeutung sein und sich somit auf diese auswirken kann. Typisch ist eine Eigenschaft, wenn sie in Bezug auf das jeweilige Produkt prägend ist oder noch werden kann.
Fazit
Vergleichende Werbung ist grundsätzlich erwünscht und deshalb auch erlaubt. Dennoch sieht das Lauterkeitsrecht einen rechtlichen Rahmen vor, innerhalb dessen sich die Werbung bewegen muss, damit der Wettbewerb nicht beschädigt wird.
Vergleichende Werbung ist stets dann zulässig, wenn keine der Unlauterkeitsmerkmale aus § 6 Absatz 2 UWG betroffen werden. Wie sich gezeigt hat, muss sich der Werbevergleich insbesondere auf Produkte für denselben Bedarf bzw. die gleiche Zweckbestimmung beziehen (Nr. 1) und darf nur objektive Eigenschaften oder den Preis betreffen (Nr. 2).
In der Fortsetzung des Artikels werden weitere Unlauterkeitsmerkmale vorgestellt werden.
Nächste Woche Freitag können Sie an dieser Stelle den zweiten Teil des Beitrags zum Thema „Vergleichende Werbung“ im Rahmen der Serie der IT-Recht Kanzlei zu den rechtlichen Aspekten der Werbung im Internet lesen!
Tipp: Sie haben Fragen zu dem Beitrag? Diskutieren Sie hierzu gerne mit uns in der Unternehmergruppe der IT-Recht Kanzlei auf Facebook .
© Robert Kneschke - Fotolia.com
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