Kein hinkender Vergleich!? - Teil 3 - Die Rechtmäßigkeit vergleichender Werbung
Im dritten und letzten Beitrag zum Thema „Vergleichende Werbung“ geht es um die Frage, was unter der Herabsetzung eines Konkurrenten zu verstehen ist und wann die Bewerbung der eigenen Produkte als Imitate eines konkurrierenden Unternehmens erlaubt und wann sie verboten ist. Lesen dazu jetzt den[ 13. Teil der Serie der IT-Recht Kanzlei](index.php?id=%2FviewFolder&fid=366) über die rechtlichen Aspekte der Werbung im Internet.
Einleitung
In den letzten beiden Wochen wurde bereits § 6 Absatz 2 Nr. 1 bis Nr. 4 UWG besprochen. Heute im dritten und letzten Beitrag zum Thema „Vergleichende Werbung“ geht es um Nr. 5 und 6. Inhaltlich geht es bei diesen Regelungen zum einen um die Verunglimpfung eines Mitbewerbers und/oder dessen Produkten und zum anderen um das Nachmachen von Produkten eines Konkurrenten.
Herabsetzung und Verunglimpfung (§ 6 Absatz 2 Nr. 5 UWG)
Nach § 6 Absatz 2 Nr. 5 UWG handelt unlauter,
„wer vergleichend wirbt, wenn der Vergleich die Waren, Dienstleistungen, Tätigkeiten oder persönlichen oder geschäftlichen Verhältnisse eines Mitbewerbers herabsetzt oder verunglimpft.“
Bezugspunkt der Herabsetzung oder Verunglimpfung
Bei herabsetzenden und verunglimpfenden Werbevergleichen kommt es bei § 6 Absatz 2 Nr. 5 UWG nicht allein darauf an, ob die Äußerung wahr oder unwahr ist bzw. ob eine Äußerung belegt werden kann. Denn auch wahre Verunglimpfungen können wettbewerbswidrig sein.
§ 6 Absatz 2 NR. 5 UWG ist dann anwendbar, wenn ein bestimmtes Unternehmen oder dessen Produkte im Rahmen eines Werbevergleichs verunglimpft wird, nicht aber wenn etwa die Marke des Unternehmens verunglimpft wird. Denn von Kennzeichen oder Marken ist in der Vorschrift nicht die Rede; sie werden von ihr demnach nicht erfasst.
Schließlich spielt es keine Rolle, ob die Herabsetzung/Verunglimpfung im Rahmen einer Tatsachenbehauptung oder einer Meinungsäußerung, also der Abgabe eines Werturteils, erfolgt.
Was heißt überhaupt Herabsetzung, was Verunglimpfung?
Die wesentlichen Begriffe der Vorschrift sind die der Herabsetzung und der Verunglimpfung. Bei der Herabsetzung geht es um die Verringerung der Wertschätzung des entsprechenden Konkurrenzunternehmens oder Konkurrenzprodukts, also dessen Rufs oder Images, ohne dass dafür eine sachliche Rechtfertigung vorliegt. Die Perspektive, aus der beurteilt wird, ob eine Herabsetzung vorliegt, ist dabei stets die der durch die Werbung angesprochenen Verkehrskreise, nicht die des Werbenden.
Die Verunglimpfung ist die Steigerungsform der Herabsetzung, also ein Verächtlichmachen des Konkurrenten oder dessen Produkten. Jede Verunglimpfung ist somit eine Herabsetzung – wenn man so will – „in einem besonders schweren Fall“.
Wann liegt nun eine Herabsetzung nach § 6 Absatz 2 Nr. 5 vor?
Ein Werbevergleich stellt für sich genommen noch keine Herabsetzung im Sinne der Vorschrift dar, selbst wenn der Mitbewerber in der Werbung namentlich erwähnt wird. Werbevergleiche sollen grundsätzlich rechtlich zulässig sein, da sie dem freien Wettbewerb dienen können. Damit aber überhaupt erst ein Werbevergleich zustande kommt, ist es zwingend erforderlich, dass im Rahmen der Werbung der entsprechende Vergleichspartner erkennbar ist – z.B. indem er namentlich erwähnt wird.
Ebenfalls noch keine Herabsetzung stellt es dar, wenn lediglich die eigene Leistung im Vergleich zum verglichenen Konkurrenten oder Konkurrenzprodukt als besser dargestellt wird. Denn das ist gerade der Kern des Leistungswettbewerbs – es geht darum, sich auf dem freien Markt der Kräfte frei zu bewegen; da gehört es dazu, dass die eigene Leistung mit der anderer Unternehmen und deren Produkte verglichen wird.
Umgekehrt gilt dasselbe: die bloße Darstellung, das Produkt eines namentlich genannten Konkurrenten habe bestimmte Nachteile, stellt keine Herabsetzung dar, wenn dies in einem sachlich-informativen Ton und ohne zusätzliche abwertende Elemente lediglich als Gegenüberstellung der Leistungen geschieht.
Hinzutreten besonderer Umständen
Wie oft im Lauterkeitsrecht müssen auch im Rahmen von § 6 Absatz 2 Nr. 5 UWG besondere Umstände hinzutreten, damit ein Wettbewerbsverstoß vorliegt. Der Werbevergleich ist erst dann unlauter, wenn er in unangemessener Weise abwertend, abschätzig oder unsachlich erscheint. Dies lässt sich vor dem Hintergrund, warum vergleichende Werbung rechtlich zulässig sein soll, leicht verstehen: es geht darum, dass sich der Verbraucher informieren kann bzw. informiert wird. Die (nützliche) Information, die dem Verbraucher bei einer Entscheidung auf dem Markt hilft, ist erlaubt, die Diffamierung des Konkurrenten dagegen nicht.
Hieraus ergibt sich, dass unwahre Behauptungen über einen Konkurrenten stets wettbewerbswidrig sind, da sie dem Verbraucher bei seiner Entscheidung nicht helfen können – vielmehr führen solche Behauptungen zu einer ungerechtfertigten Negativ-Beeinflussung des Verbrauchers. Sie schaden dem Wettbewerb, daher sind sie nach § 6 Absatz 2 Nr. 5 UWG nicht zulässig, sondern stellen einen Wettbewerbsverstoß dar.
Bei wahren Behauptungen kommt es darauf an, ob die Werbung nützliche Informationen liefert und den Werbeadressaten (in der Regel der Verbraucher) nicht unsachgemäß beeinflusst.
Bei Werturteilen muss stets berücksichtigt werden, dass mit jeder Abgabe eines Werturteils zugleich eine verfassungsrechtlich geschützt Meinungsäußerung vorliegt. Die Meinungsfreiheit endet jedoch stets dort, wo abschätzige Meinungen verbreitet werden, die überhaupt keinen sachlichen Gehalt haben (sog. Schmähkritik).
Humoristische Werbung
Bei jeder rechtlichen Bewertung eines Werbevergleichs ist zu berücksichtigen, dass Werbung heutzutage viel mit Humor und Ironie zu tun hat. Das „Augenzwinkern“ der Werbung muss selbstverständlich berücksichtigt werden, wenn eine Werbemaßnahme wettbewerbsrechtlich überprüft wird. Es geht somit stets nicht bloß darum, wie eine bestimmte Werbung wortwörtlich zu verstehen ist, sondern wie sie insgesamt mit all ihren Facetten von den Werbeadressaten aufgefasst wird. Ganz entscheidend ist zu berücksichtigen, dass das Lauterkeitsrecht innerhalb der letzten Jahrzehnte eine Liberalisierung durchgemacht hat. Dies hat zur Folge, dass die Maßstäbe, an denen sich die Lauterkeit einer Werbemaßnahme bemisst, nicht zu hoch angelegt werden.
Einige Beispiele zur Erläuterung:
- Findet in der Werbung ein Preisvergleich zwischen zwei Unternehmen statt, etwa zwei Kaufhäusern, so ist dieser Vergleich per se nicht bereits etwa deshalb unlauter. Weil sich das andere Unternehmen als „Abzocker“ herabgesetzt fühlt. Anders kann dies jedoch zu beurteilen sein, wenn die Aussage der Werbung ist, dass das Konkurrenzunternehmen nicht nur vereinzelt, sondern ganz generell vollkommen überteuert ist. Solche Pauschalaussagen sind stets problematisch.
- Der Vergleich von Markenprodukten mit sog. no name-Produkten ist für sich genommen ebenfalls noch keine Herabsetzung des Mitbewerbers. Auch hier kommt es für eine abschließende rechtliche Bewertung stets auf die Umstände des Einzelfalls an.
- Die Werbeaussage, alle Produkte oder ein bestimmtes Produkt der Konkurrenz seien „Mist“ oder minderwertig ist unlauter. Dasselbe gilt, wenn behauptet wird, das Produkt des Konkurrenten sei ein Imitat oder eine Nachahmung (eines eigenen Produkts).
- Die Aussage, der Konkurrent bekomme nicht einmal sein Familienleben geordnet, weil ihm die Frauen reihenweise wegliefen (bereits die vierte Scheidung), kann zwar wahr sein, ist jedoch unlauter gemäß § 6 Absatz 2 Nr. 5 UWG. Denn diese Aussage hilft dem Verbraucher nicht weiter, wenn er eine informierte (Kauf-)Entscheidung treffen möchte. Dagegen ist die Aussage, ein Konkurrent, etwa eine Anwaltskanzlei, verliere ihre führenden Köpfe (die besten Mitarbeiter) an die Konkurrenz, grundsätzlich nicht unlauter – denn dies ist für die (zukünftigen) Mandanten eine wichtige Information, die eine Geschäftsentscheidung („Zu welcher Kanzlei gehe ich mit meinem rechtlichen Problem?“) sachlich beeinflussen kann.
Imitation und Nachahmung (§ 6 Absatz 2 Nr. 6 UWG)
Nach § 6 Absatz 2 Nr. 6 UWG handelt unlauter,
„wer vergleichend wirbt, wenn der Vergleich eine Ware oder Dienstleistung als Imitation oder Nachahmung einer unter einem geschützten Kennzeichen vertriebenen Ware oder Dienstleistung darstellt.“
Anwendungsbereich
Wie es der Wortlaut bereits ausdrückt, bezieht sich die Vorschrift nur auf die Behauptung des Werbenden, dass das eigene Produkt ein Imitat bzw. eine Nachahmung eines Konkurrenzprodukts sei. Nicht erfasst ist der Fall, dass behauptet wird, das Produkt des Konkurrenten sei ein Imitat. Dies könnte je nach konkreter Fallgestaltung vielmehr von § 6 Absatz 2 Nr. 5 UWG erfasst sein.
Des Weiteren bezieht sich die Regelung nur auf Imitate/Nachahmungen von „unter einem geschützten Kennzeichen vertriebenen“ Produkten. Diese Formulierung bezieht sich insbesondere auf Marken, die nach dem Markenrecht Schutz genießen, nicht aber auf geografische Herkunftsangaben. Wichtig ist, dass das Produkt des Mitbewerbers tatsächlich rechtlich geschützt ist. Denn dies ist eine Tatbestandsvoraussetzung des § 6 Absatz 2 Nr. 6 UWG; soll heißen: die Darstellung, das eigene Produkt sei die Nachahmung eines anderen, ist nicht nach § 6 Absatz 2 Nr. 6 UWG unlauter, wenn das andere Produkt nicht auch rechtlich geschützt ist.
Imitat und Nachahmung
Was unter einem „Imitat“ und was demgegenüber unter einer „Nachahmung“ verstanden wird, ist nicht ganz klar. Jedenfalls muss keine trennscharfe Unterscheidung zwischen diesen beiden Begriffen vorgenommen werden, da die Vorschrift zur selben Rechtsfolge führt.
Während allerdings der Begriff „Imitat“ eher so verstanden wird, dass darunter die (gestalterische) Annäherung an das Original(produkt) gemeint ist, meint „Nachahmung“ wohl eher die vollständige Übernahme des Originals; dieses wird also in Gänze kopiert.
Für die Anwendbarkeit von § 6 Absatz 2 Nr. 6 UWG ist es nicht erforderlich, dass ein Produkt als Ganzes „kopiert“ wird, vielmehr reicht es aus, dass wesentliche, möglicherweise besonders aussagekräftige Teile eines Produkts betroffen sind.
Die Darstellung
§ 6 Absatz 2 Nr. 6 UWG verbietet es, dass ein Werbender die eigenen Produkt als Imitate von anderen (geschützten) Produkten „darstellt“. Es geht somit nicht darum, dass sie tatsächlich Imitate oder Nachahmungen sind. Die Vorschrift schützt zudem nicht davor, dass die Imitate vertrieben, d.h. verkauft werden – dagegen wird man jedoch regelmäßig markenrechtlich vorgehen können. Nur vergleichend geworben werden darf hierfür nach § 6 Absatz 2 Nr. 6 UWG nicht.
Unklar ist, wie deutlich der Werbevergleich zeigen muss, dass eine Nachahmung vorliegt, damit die Werbung als unzulässig anzusehen ist. Muss dies etwa ausdrücklich erwähnt werden („Unser Produkt xy1 ist eine Kopie des Produkts xy2 des Mitbewerbs xyz“) oder reichen Andeutungen? Sicherlich ist Ausdrücklichkeit nicht erforderlich, letztlich kommt es auf die gesamte Aufmachung der Werbung im Einzelfall an. Wichtig ist, dass die angesprochenen Verkehrskreise (die Verbraucher) das Produkt des Werbenden mit dem imitierten (Original-)Produkt zumindest gedanklich in Verbindung bringen.
Viele Fälle in der Praxis betreffen die Werbung für Imitate von Markenparfüms. Natürlich will der Nachahmer möglichst präzise darauf hinweisen, welchem Markenduft das eigene Imitat nachempfunden ist, um es besser verkaufen zu können. Hierin kann im Einzelfall eine Herabsetzung zu sehen sein.
Bewerbung der „Funktionsgleichheit“ ist kein Problem
Schließlich ist von Bedeutung, dass die Bewerbung eines eigenen Produkts dahingehend, dass es „funktionsgleich“ mit einem Konkurrenzprodukt sei, gerade keine Nachahmung im Sinne dieser Vorschrift darstellt und somit nicht wettbewerbswidrig ist. Denn damit wird ja gerade gesagt, dass das eigene Produkt eben nicht „gleich“ oder „wie“ das Konkurrenzprodukts ist, sondern nur denselben Zweck erfüllt, d.h. dieselbe Funktion hat.
Fazit
Der Konkurrenz in der Werbung „mit einem Augenzwinkern“ eins auszuwischen, um beim Verbraucher „ein Schmunzeln“ hervorzurufen kann vollkommen in Ordnung sein, während das abfällige Aburteilen unzulässig ist. Die Grenzen zulässiger Werbung sind nicht immer leicht zu ziehen; regelmäßig muss dazu jeder Einzelfall für sich untersucht werden.
Darüber hinaus ist das Bewerben des eigenen Produkts als Imitat eines anderen (Original-)Produkts nicht erlaubt – schließlich soll das Vertreiben eines abgekupferten Produkts nicht derart leicht gemacht werden – das würde dem Wettbewerb schaden.
Nach den drei Beiträgen zum Thema „Vergleichende Werbung“ hat sich nun ein vollständiges Bild ergeben, wann Werbevergleiche zulässig und wann sie unzulässig sind. Greift keiner der vorgestellten Verbotstatbestände, so sind sie rechtlich zulässig, soweit sie nicht gegen andere, für alle Werbemaßnahmen geltende Vorschriften des UWG verstoßen.
Nächste Woche Freitag können Sie an dieser Stelle den 14. Teil der Serie der IT-Recht Kanzlei zu den rechtlichen Aspekten der Werbung im Internet lesen!
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