Frage des Tages: Können Online-Händler das Verbraucher-Widerrufsrecht ausschließen?
Das gesetzliche Verbraucher-Widerrufsrecht im Online- bzw. Fernabsatz-Handel müssen Händler Verbrauchern grundsätzlich gewähren, etwa auch bei beschädigter Ware. Allerdings ist das Widerrufsrecht in einigen Fällen von Gesetzes wegen ausgeschlossen. Welche Fälle dies sind und was dabei weiter zu beachten ist, erläutern wir in diesem Beitrag.
I. Widerrufsrecht bei Verbraucherträgen
Verbrauchern steht nach § 312g Abs. 1 BGB bei außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Verträgen und bei Fernabsatz-Verträgen ein Widerrufsrecht nach § 355 BGB zu.
Demnach sind viele Verbraucher an ihre Kaufverträge, die sie im Internet schließen, nicht mehr gebunden, wenn sie diese Kaufverträge form- und fristgerecht widerrufen. In aller Regel beträgt die Widerrufsfrist 14 Tage ab Lieferung bzw. Erhalt der gekauften Sache.
Dieses Verbraucher-Widerrufsrecht nach § 312g BGB besteht unabhängig davon, ob die Kaufsache beschädigt ist oder nicht, oder weshalb der Käufer von seinem Kaufvertrag mit dem Verkäufer nichts mehr wissen will, also auch dann, wenn ihm die Ware einfach nicht gefällt oder er die Ware woanders günstiger ist. Für einen wirksamen Widerruf muss der Verbraucher weder einen Grund angeben noch überhaupt einen Grund haben.
II. Kein Widerrufsrecht im B2B-Bereich
Dies gilt allerdings nur bei Verträgen im Online-Handel im B2C-Bereich.
Im B2B-Bereich hingegen, also bei Kaufverträgen zwischen Unternehmern bzw. Kaufleuten i.S.d. Handelsgesetzbuches (HGB), bei denen nicht nur der Verkäufer, sondern auch der Käufer ein Unternehmer bzw. ein Kaufmann im Sinne des HGB ist, gilt das Verbraucher-Widerrufsrecht gerade nicht. Bestellt also ein Unternehmer eine Ware, die er für seinen Geschäftsbetrieb erwirbt, kann er sich nicht auf das Verbraucher-Widerrufsrecht berufen, um die gekaufte Sache bei Nichtgefallen gegen Erstattung des bereits gezahlten Kaufpreises zurückzugeben. Dies bleibt ihm also verwehrt.
III. Ausschluss des Widerrufsrechts von Gesetzes wegen
Das Widerrufsrecht nach § 312g Abs. 1 BGB gilt allerdings nicht bei sämtlichen im Internet geschlossenen Verträgen. Vielmehr hat der Gesetzgeber in vielen Fällen das Widerrufsrecht ausgeschlossen, bei denen er dessen Gewährung für unbillig für den Händler erachten würde.
Die Konstellationen, in denen das Widerrufsrecht bereits von Gesetzes wegen ausgeschlossen ist, also gar nicht erst besteht, sind in § 312g Abs. 2 BGB geregelt:
- Verträge zur Lieferung von Waren, die nicht vorgefertigt sind und für deren Herstellung eine individuelle Auswahl oder Bestimmung durch den Verbraucher maßgeblich ist oder die eindeutig auf die persönlichen Bedürfnisse des Verbrauchers zugeschnitten sind,
- Verträge zur Lieferung von Waren, die schnell verderben können oder deren Verfallsdatum schnell überschritten würde,
- Verträge zur Lieferung versiegelter Waren, die aus Gründen des Gesundheitsschutzes oder der Hygiene nicht zur Rückgabe geeignet sind, wenn ihre Versiegelung nach der Lieferung entfernt wurde,
- Verträge zur Lieferung von Waren, wenn diese nach der Lieferung auf Grund ihrer Beschaffenheit untrennbar mit anderen Gütern vermischt wurden,
- Verträge zur Lieferung alkoholischer Getränke, deren Preis bei Vertragsschluss vereinbart wurde, die aber frühestens 30 Tage nach Vertragsschluss geliefert werden können und deren aktueller Wert von Schwankungen auf dem Markt abhängt, auf die der Unternehmer keinen Einfluss hat,
- Verträge zur Lieferung von Ton- oder Videoaufnahmen oder Computersoftware in einer versiegelten Packung, wenn die Versiegelung nach der Lieferung entfernt wurde,
- Verträge zur Lieferung von Zeitungen, Zeitschriften oder Illustrierten mit Ausnahme von Abonnement-Verträgen,
- Verträge zur Lieferung von Waren oder zur Erbringung von Dienstleistungen, einschließlich Finanzdienstleistungen, deren Preis von Schwankungen auf dem Finanzmarkt abhängt, auf die der Unternehmer keinen Einfluss hat und die innerhalb der Widerrufsfrist auftreten können, insbesondere Dienstleistungen im Zusammenhang mit Aktien, mit Anteilen an offenen Investmentvermögen und mit anderen handelbaren Wertpapieren, Devisen, Derivaten oder Geldmarktinstrumenten,
- Verträge zur Erbringung von Dienstleistungen in den Bereichen Beherbergung zu anderen Zwecken als zu Wohnzwecken, Beförderung von Waren, Kraftfahrzeugvermietung, Lieferung von Speisen und Getränken sowie zur Erbringung weiterer Dienstleistungen im Zusammenhang mit Freizeitbetätigungen, wenn der Vertrag für die Erbringung einen spezifischen Termin oder Zeitraum vorsieht,
- Verträge, die im Rahmen einer Vermarktungsform geschlossen werden, bei der der Unternehmer Verbrauchern, die persönlich anwesend sind oder denen diese Möglichkeit gewährt wird, Waren oder Dienstleistungen anbietet, und zwar in einem vom Versteigerer durchgeführten, auf konkurrierenden Geboten basierenden transparenten Verfahren, bei dem der Bieter, der den Zuschlag erhalten hat, zum Erwerb der Waren oder Dienstleistungen verpflichtet ist (öffentlich zugängliche Versteigerung),
- Verträge, bei denen der Verbraucher den Unternehmer ausdrücklich aufgefordert hat, ihn aufzusuchen, um dringende Reparatur- oder Instandhaltungsarbeiten vorzunehmen; dies gilt nicht hinsichtlich weiterer bei dem Besuch erbrachter Dienstleistungen, die der Verbraucher nicht ausdrücklich verlangt hat, oder hinsichtlich solcher bei dem Besuch gelieferter Waren, die bei der Instandhaltung oder Reparatur nicht unbedingt als Ersatzteile benötigt werden,
- Verträge zur Erbringung von Wett- und Lotteriedienstleistungen, es sei denn, dass der Verbraucher seine Vertragserklärung telefonisch abgegeben hat oder der Vertrag außerhalb von Geschäftsräumen geschlossen wurde, und
- notariell beurkundete Verträge; dies gilt für Fernabsatzverträge über Finanzdienstleistungen allerdings nur eingeschränkt.
IV. Kein Ausschluss bei beschädigten Waren
In unserer Beratungspraxis erreichen uns immer wieder Anfragen, ob das Verbraucher-Widerrufsrecht auch bei beschädigten Waren besteht. Gemeint sind damit Fälle, in denen der Verbraucher nach Erhalt der Ware diese beschädigt hat, etwa weil sie ihm zu Hause heruntergefallen ist oder weil er die Kleidung (z.B. Schuhe) bereits getragen hat. Viele Händler stören sich verständlicherweise daran, dass die Ware nun nicht mehr neu ist und auch nicht mehr als neu verkauft werden kann.
Allerdings ist es eine Urban Legend, dass in diesen Fällen das Widerrufsrecht bereits von Gesetzes wegen ausgeschlossen wäre. Vielmehr gilt das Verbraucher-Widerrufsrecht bei Fernabsatzgeschäften auch bei verschmutzten oder sogar beschädigten Waren. Der Händler ist von Gesetzes wegen auch zur Rücknahme solcher Waren verpflichtet; allerdings muss er dem Verbraucher den Kaufpreis nicht bzw. nicht in voller Höhe erstatten, da ihm je nach den Umständen das jeweiligen Einzelfalles wegen der Wertminderung ein Wertersatz-Anspruch gegenüber dem Verbraucher zusteht, den er diesem entgegensetzen kann.
V. Sanktionen bei Nichtgewährung des Widerrufsrechts
Online-Händler sind nicht nur dazu verpflichtet, das gesetzliche Widerrufsrecht den Verbrauchern selbstverständlich zu gewähren, wenn diese es from- und fristgerecht ausüben. Vielmehr müssen Sie auch über das Widerrufsrecht in bestimmter Weise informieren, insbesondere im Rahmen der sog. Widerrufsbelehrung. Hier sieht das Gesetz eine besondere Form vor, die es unbedingt zu beachten gilt.
Händler, die nicht oder nicht ordnungsgemäß über das Verbraucher-Widerrufsrecht belehren, sind stark abmahngefährdet. In unserer Beratungspraxis sehen wir immer wieder, dass Händler aus Unwissenheit letztlich berechtigter Weise von Mitbewerbern, Verbraucherschutz- oder Branchenverbänden abgemahnt werden, die Kosten der Abmahnung tragen müssen und zur Abgabe einer Unterlassungserklärung aufgefordert werden. Dies lässt sich vermeiden, wenn rechtssichere Rechtstexte verwendet werden, um die Verbraucher in gesetzeskonformer Weise auf ihr Widerrufsrecht hinzuweisen.
Hinweis: Wir stellen unseren Mandanten, die eines der Schutzpakete der IT-Recht Kanzlei gebucht haben, abmahnsichere Widerrufsbelehrungen für ihre Online-Geschäfte zur Verfügung. Zudem bieten wir über unser Mandantenportal viele weitere Informationen zum zugleich rechtssicheren wie pragmatischen Umgang mit dem Verbraucher-Widerrufsrecht. Sprechen Sie uns gerne an, wenn Sie hierzu Fragen haben.
VI. Das Wichtigste in Kürze
- Im Online-Handel gilt grundsätzlich ein gesetzliches Verbraucher-Widerrufsrecht, das Verbrauchern die Möglichkeit bietet, ohne Angabe von Gründen innerhalb einer bestimmten Frist von ihrem Kaufvertrag wieder Abstand zu nehmen.
- Allerdings ist in einigen Fällen das Widerrufsrecht bereits von Gesetzes wegen ausgeschlossen - nicht unbedingt aber bei beschädigten Waren.
- In jedem Fall müssen Online-Händler ordnungsgemäß über das Widerrufsrecht und dessen Ausübung und Folgen in Textform belehren.
- Händler, die nicht ordnungsgemäß über das Widerrufsrecht belehren, müssen mit kostspieligen Abmahnungen rechnen.
Tipp: Sie haben Fragen zu dem Beitrag? Diskutieren Sie hierzu gerne mit uns in der Unternehmergruppe der IT-Recht Kanzlei auf Facebook .
Lio putra
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