Klarheit in Sachen Verbot des Verkaufs über eBay und Amazon?
Das Berliner Kammergericht hat mit Urteil vom 19.09.2013 (2 U 8/09) entschieden, dass das Verbot des Verkaufs von Markenprodukten über eBay unzulässig ist. Das liest man zumindest in den meisten Besprechungen dieses Urteils. Aber hat das Kammergericht das wirklich gesagt? Eben nicht wirklich. Dieser Artikel soll die - übrigens sehr lesenswerte – Urteilsbegründung etwas genauer erklären.
Hintergrund
Der Streit zwischen dem Hersteller der Scout Schulranzen und einem seiner Händler geht in die nächste Runde. Nachdem sich das Oberlandesgericht Karlsruhe und das Oberlandesgericht München sich schon vor einiger Zeit mit der Zulässigkeit des Verbots des Verkaufs von Waren über eBay beschäftigt (und beide Gerichte es für zulässig gehalten) haben, hat nun das Kammergericht in Berlin mit Urteil vom 19.09.2013 sich in einem aktuellen Fall mit dem Stand der rechtlichen Diskussion auseinandergesetzt.
Verbot in selektiven Vertriebssystemen
Ausgangspunkt ist, dass ein selektives Vertriebssystem grundsätzlich wettbewerbsbeschränkend im Sinne des Kartellrechts ist. Denn ein selektives Vertriebssystem schränkt den wettbewerblichen Handlungsspielraum der Wiederverkäufer im Absatz ihrer Produkte ein. Das Kartellrecht will jedoch gerade diese wirtschaftliche Betätigungsfreiheit der Marktteilnehmer schützen. Daher werden Einschränkungen der Händler durch den Hersteller im Rahmen eines selektiven Vertriebssystems grundsätzlich als Wettbewerbsbeschränkung angesehen.
Nach der Definition in der Verordnung (EU) Nr. 330/2010 der Kommission vom 20. April 2010 über die Anwendung von Artikel 101 Absatz 3 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union auf Gruppen von vertikalen Vereinbarungen und abgestimmten Verhaltensweisen, der sogenannten „Vertikal GVO“ sind
„selektive Vertriebssysteme“ Vertriebssysteme, in denen sich der Anbieter verpflichtet, die Vertragswaren oder -dienstleistungen unmittelbar oder mittelbar nur an Händler zu verkaufen, die anhand festgelegter Merkmale ausgewählt werden, und in denen sich diese Händler verpflichten, die betreffenden Waren oder Dienstleistungen nicht an Händler zu verkaufen, die innerhalb des vom Anbieter für den Betrieb dieses Systems festgelegten Gebiets nicht zum Vertrieb zugelassen sind;
Es ist allerdings anerkannt, dass selektive Vertriebssysteme dann keinen wettbewerbsbeschränkenden Charakter haben, wenn die Auswahl der Händler an objektive Kriterien qualitativer Art anknüpft, die sich auf die fachliche Eignung des Händlers, seines Personals oder seiner sachlichen Ausstattung beziehen und diese einheitlich und diskriminierungsfrei angewendet werden.
Bei den Scout Schulranzen sieht das Kammergericht den Sinn des selektiven Vertriebssystems, in dem die Ranzen vertrieben werden, in der „Signalisierung hoher Produktqualität durch Investitionen in das Produktimage”. Diese Signalisierung einer hohen Produktqualität könne ein selektives Vertriebssystem grundsätzlich rechtfertigen. Da Kaufentscheidungen mangels hinreichender Informationen häufig nach dem Kriterium des Preises getroffen würden, hätten Hersteller hochwertiger Artikel ein Interesse daran, der Marktgegenseite zu vermitteln, dass ihre Artikel qualitativ höher einzustufen seien als der Durchschnitt. Die Signalisierung einer gehobenen Produktqualität sei wettbewerblich gerade da geboten, wo sich diese Qualität für den durchschnittlich informierten Verbraucher schwer beurteilen ließe, wie beim Erwerb länger und intensiver genutzter Artikel, bei denen sich der Gebrauchswert erst nach einiger Zeit zeige.
Dieses von dem Hersteller sorgsam aufgebaute Produktimage könne nach Ansicht des Kammergerichts durch den Verkauf der Produkte über eBay gefährdet sein. Das Gericht meint, dass in der Öffentlichkeit eBay immer noch in die Nähe eines Flohmarktes gerückt und auch im Zusammenhang mit dem Absatz von Fälschungen von Markenartikeln genannt werde. Das habe ein Hersteller hochwertiger Markenartikel nicht hinzunehmen und könne daher den Verkauf über eBay verbieten.
Und im nächsten Satz des Urteils kommt dann eine für die Praxis sehr wichtige Einschränkung: Wenn eBay so einen schlechten Ruf habe, dann folgt daraus nicht zwingend, dass andere Handelsplattformen wie etwa Amazon den gleichen schlechten Ruf haben. Es gibt auch andere Plattformen, die auf ein qualitätsbewusstes Publikum zielen. Wer seinen Händlern den Verkauf über Handelsplattformen verbieten will, muss daher genau überlegen, für welche Plattformen dieses Verbot gelten soll. Anderenfalls ist diese Verbot aus kartellrechtlicher Sicht eventuell nicht begründbar.
Das Kammergericht sieht folglich das Verbot des Verkaufs von Waren über eBay in einem selektiven Vertriebssystem als zulässig an und schließt sich damit dem Oberlandesgericht in Karlsruhe an.
Warum Scout trotzdem verloren hat
Der Hersteller der Schulranzen hat den Rechtsstreit aber, trotz dem das Kammergericht grundsätzlich auf seiner Seite war, verloren. Denn der Hersteller hat sich in seiner Verkaufspolitik selbst widersprochen und damit das selektive Vertriebssystem nicht diskriminierungsfrei angewandt und es damit selbst unzulässig werden lassen.
Zwar war es verboten die Schulranzen über eBay zu „verramschen“, die Ranzen waren aber gleichzeitig bei einem Discounter offiziell und als Sonderangebot erhältlich. Bei dem Discounter war das Markenimage dem Hersteller plötzlich nicht mehr so wichtig wie bei eBay. Er hat sich damit in klaren Widerspruch zu den Gründen gesetzt, die nach seinen Angaben das selektive Vertriebssystem rechtfertigen. Das wollte das Kammergericht nicht dulden hat und die Einschränkung des Verkaufs über eBay für unzulässig erklärt. Obwohl es vorher ausführlich begründet hat, dass es ein solches Verbot für zulässig hält. Diejenigen, die schon (voreilig) gejubelt haben, dass damit klar sei, dass man den Vertrieb über eBay nicht einschränken dürfe, haben wohl die Urteilsbegründung nicht abgewartet.
Verbot in nicht selektiven Vertriebssystemen
Ob das Verbot des Vertriebs über eBay auch in nicht selektiven Vertriebssystemen – also auch bei Produkten, die weder technisch anspruchsvoll noch hochwertige Markenartikel sind – zulässig ist, ist nach der Entscheidung des Kammergerichts noch immer offen.
Das Kammergericht sieht in dem Verbot des Verkaufs über eBay eine unzulässige Kernbeschränkung nach der Vertikal GVO, weil der Händler in seiner Möglichkeit, Waren an eine bestimmte Kundengruppe abzusetzen, beschränkt würde. eBay-Käufer sind nach Ansicht der Berliner Richter eine andere Art Kunde, als nicht-eBay-er. Der Händler habe es nicht hinzunehmen, dass er bei der Entscheidung, welche Kunden er ansprechen will, von dem Hersteller eingeschränkt wird. Eine solche Einschränkung der Kundengruppe sei nur in einem selektiven Vertriebssystem für hochwertige Güter hinzunehmen. Anderenfalls nicht. In einem nicht selektiven Vertriebssystem ist das Verbot des Verkaufs über eBay damit – nach Berliner Ansicht – unzulässig.
Diese Ansicht widerspricht der Entscheidung des Oberlandesgerichts München. Die Bayern sehen keinen Unterscheid zwischen dem eBay und dem nicht-eBay Kunden. Alle würden über das Internet einkaufen.
Beide Ansichten haben gute Argumente für sich. Letztendlich kann diese widersprechende Einschätzung nur der Bundesgerichtshof entscheiden. Deshalb hat das Kammergericht auch weise die Revision zugelassen. Leider wollte Scout wohl diese letzte Klarheit nicht – auch wenn es sehr wichtig gewesen wäre – und hat die Revision zwar eingelegt aber wieder zurückgenommen.
Praxishinweis
Nachdem jetzt drei Oberlandesgerichte entschieden haben, dass das Verbot des Vertriebs über eBay in einem selektiven Vertriebssystem zulässig sei, sollte man sich in der Praxis damit abfinden, dass es solche Verbote gibt. Das Kammergericht hat aber klargestellt, dass jedes Verbot der Nutzung einer Handelsplattform für sich abgewogen und im Einzelfall zu entscheiden ist. Andere Plattformen mögen einen besseren Ruf als eBay haben. Wenn der Ruf von eBay besser wird, wird die rechtliche Beurteilung aber überprüft werden müssen.
Bei nicht selektiven Vertriebssystemen sollte man von einem Verbot des Verkaufs über eBay absehen, es sei denn man vertraut auf die Oberbayrische Justiz. Erst kürzlich hat das Landgericht Kiel mit Urteil vom 08.11.2013 (Aktenzeichen 14 O 44/13.Kart) entschieden, dass bei Casio Kameras das Verbot der Verkaufs über eBay unzulässig ist.
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