Werbung mit „vegan“: Rechtliche Anforderungen und Grenzen
Nicht nur beim Lebensmittelkauf achten Verbraucher zunehmend auf eine tierwohlfreundliche Produktion und sind bemüht, bei ihrem Konsumstil Tierleid keine Chance zu bieten. Dies bringt eine sich laufend diversifizierende Palette veganer Produkte hervor, welche der Handel zur Absatzsteigerung auch entsprechend auszeichnen und bewerben möchte. Doch welche rechtlichen Anforderungen bestehen bei der Werbung mit „vegan“ und wo liegen die rechtlichen Grenzen? Aufschluss gibt dieser Beitrag.
I. Grundsätzliche lauterkeitsrechtliche Anforderungen
Auch wenn der Veganismus in erster Linie eine bestimmte Ernährungsweise bezeichnet, wird er zunehmend auch als Lebensweise definiert und hat dann den generellen Verzicht auf alle Produkte zum Inhalt, die ganz oder teilweise von Tieren gewonnen werden.
Um im Sinne des Lauterkeitsrechts bei der Werbung dem vernünftigerweise erwartbaren Verbraucherverständnis zu entsprechend und Irreführungspotenzial auszuschließen, darf daher im Allgemeinen als „vegan“ nur beworben was, gänzlich ohne tierische Materialien oder Inhaltsstoffe auskommt.
Anders herum gesagt verbietet sich die Bewerbung eines Produkts als „vegan“ dann, wenn es Bestandteile tierischen Ursprungs enthält.
Wer ein Produkt als „vegan“ deklariert, obwohl es ganz oder teilweise auch von Tieren gewonnen wurde, begeht eine abmahnbare wettbewerbsrechtliche Irreführung i.S.d. § 5 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 UWG.
II. Verbotene Werbung mit „vegan“
Unter gewissen Umständen kann die Auszeichnung eines Produkts mit dem Attribut „vegan“ aber einen gesetzlichen Verbotstatbestand verwirklichen und unzulässig sein.
1.) Verbotene Werbung mit Selbstverständlichkeiten bei Lebensmitteln
Auf dem Gebiet der Werbung für Lebensmittel (Nahrungs- und Nahrungsergänzungsmittel) kann die Hervorhebung der veganen Qualität eine verbotene Werbung mit Selbstverständlichkeiten und mithin eine Irreführung im Sinne des Art. 7 Abs. 1 lit. c der Lebensmittelinformationsverordnung darstellen.
Eine verbotene Werbung mit Selbstverständlichkeiten liegt dann vor, wenn werbend eine Produkteigenschaft hervorgetan wird, die das Produkt schon aufgrund einer gesetzlichen Notwendigkeit oder aufgrund anderer objektiver Umstände zwingend aufweisen muss. Die werbende Anpreisung impliziert dann unbillig eine besondere Qualität oder ein besonderes Engagement des Herstellers oder Händlers.
Einschlägig ist diese Konstellation, wenn pflanzliche Lebensmittel aus nur einer Zutat („Monoprodukte“) mit dem Attribut „vegan“ beworben werden, auch wenn bereits aus der Lebensmittelbezeichnung und der Zutatenliste logisch gefolgert werden kann, dass das Lebensmittel zwangsweise ohne tierische Bestandteile auskommen muss.
Eine zusätzliche Bewerbung mit dem Schlagwort „vegan“ kann hier die Kaufentscheidung durch den Blickfang unbillig und über Gebühr beeinflussen, obwohl das Lebensmittel zwangsweise einen veganen Status aufweist. Impliziert wird nämlich fälschlich, der Hersteller habe aufgrund einer bewussten Entscheidung auf den Zusatz tierischen Materials verzichtet.
Ausgeschlossen werden kann das Irreführungspotenzial durch die verbotene Selbstverständlichkeitswerbung aber dann, wenn dem Werbeschlagwort „vegan“ der Zusatz „Von Natur aus“ beigestellt wird.
Die Werbung mit „Von Natur aus vegan“ sensibilisiert das Verkehrsverständnis dahingehend, dass der vegane Charakter dem Produkt selbst und nicht einer Selbstverpflichtung des Lebensmittelunternehmers anhaftet, und ist ohne Bedenken zulässig.
2.) Verbotene Veganismus-Werbung bei geschützten Begriffen
Bestimmte landwirtschaftliche Erzeugnisse tierischen Ursprungs unterliegen in der EU einem Bezeichnungsschutz, der die homogene Qualität und Zusammensetzung auf dem Binnenmarkt sicherstellen soll.
So definiert Art. 78 i.V.m. Anhang VII der EU-Verordnung Nr. 1308/2013, dass folgende Bezeichnungen ausschließlich für Milcherzeugnisse aus tierischem Ursprung verwendet werden dürfen:
- Käse
- Milch
- Rahm
- Sahne
- Butter
- Joghurt
- Kefir
- Molke
Weil die Begriffsbezeichnungen gesetzlich reguliert sind und ein Entstammen aus tierischem Ursprung voraussetzen, dürfen sie nicht mit dem Attribut „vegan“ kombiniert werden (s. EuGH, Urteil vom 14.06.2017, Rs. C-422/16).
Die Bezeichnung eines begriffsgeschützten Milcherzeugnisses als „vegan“ (etwa: „veganer Käse“ „vegane Milch“ etc.) ist also stets als Verstoß gegen die Typisierung aus der Schutzverordnung über landwirtschaftliche Erzeugnisse zu werten und unzulässig.
3.) "Veganes Leder"
Ein besonderes Irreführungspotenzial besteht auch bei Begriffskombinationen aus „vegan“ und einem eigentlich tierischen Textilmaterial zum Hinweis auf einen rein synthetischen, nicht tierischen Ursprung.
Als irreführend wurde insbesondere die Bezeichnung „veganes Leder“ eingestuft.
Nach herrschender Ansicht ist der Verweis auf die Freiheit tierischer Inhaltsstoffe durch das Wort „vegan“ nicht hinreichend geeignet, den durch das Wort „Leder“ hervorgerufenen Eindruck eines Echtlederprodukts zu beseitigen.
Daher suggeriere die Bezeichnung das Vorliegen eines hochwertigen Lederprodukts, obwohl das Material nur deutlich preiswerterer Kunststoff in Lederoptik sei. Die Wahl des beschreibenden Wortes „vegan“ solle unbillig von der Synthetikeigenschaft ablenken und über einen Appell an die Konsumethik eine Absatzförderung fördern.
„Lederimitat“ oder „Lederoptik“ sind dahingegen zulässige Werbebezeichnungen, weil die Formulierungen dem Produkt den Echtlederstatus hinreichend erkennbar absprechen.
III. Fazit
Die Bewerbung von Produkten mit dem Schlagwort „vegan“ ist allgemein zulässig, wenn diese gänzlich ohne Inhaltsstoffe oder Bestandteile tierischen Ursprungs auskommen.
Die lauterkeitsrechtliche Grenze wird aber überschritten, wenn in Form einer Werbung mit Selbstverständlichkeiten oder einer unzulässigen Kombination mit Begriffen, die Produkten tierischen Ursprungs vorbehalten sind, unbillig ethischer Einfluss auf die Kaufentscheidung genommen wird.
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