Im Zweifel für den Urheber: Der BGH zur Urhebervermutung bei Bildverletzungen

Im Zweifel für den Urheber: Der BGH zur Urhebervermutung bei Bildverletzungen
von Bodo Matthias Wedell
08.06.2015 | Lesezeit: 6 min

Die unberechtigte Verwendung von geschützten Bildern im Internet ist ein Dauerbrenner bei urheberrechtlichen Streitigkeiten. Diesmal soll es um die Urhebervermutung des § 10 UrhG gehen. Diese gilt grundsätzlich für körperliche Werkexemplare. In der Vergangenheit konnten urheberrechtliche Ansprüche betreffend die unberechtigten Nutzung von Lichtbildern mit der Argumentation wiederlegt werde, dass es sich bei Bildern im Internet de facto lediglich um eine unkörperliche Wiedergabe handele. Dieser Argumentation hat der BGH nun eine Absage erteilt und klargestellt, dass die Vermutung des § 10 UrhG ebenso für unkörperliche Werkexemplare, mithin Lichtbilder gilt, die im Internet dargestellt werden.
Zudem ist bei der Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung in Bezug auf die unberechtigte Bildernutzung im Internet äußerste Vorsicht geboten, da diese nicht nur in einem reinen Unterlassungsversprechen der weiteren Nutzung, sondern auch aus der Verpflichtung zum aktiven Tätigwerden, nämlich der Beseitigung der Bilder bestehen kann, vgl. BGH, Urteil vom 18.9.2014, Az. I ZR 76/13.

Was war passiert?

Der Sachverhalt ist simpel und schnell erklärt. Die spätere Klägerin vertreibt im Internet über ihre Internetseite „ct-paradies.de“ sogenannte „Cherished Teddies“ unter der Bezeichnung „CT-Paradies“. Diese sind auf ihrer Internetseite abgebildet Es handelt sich um Sammelfiguren in Form von Teddybären, welche ebenfalls von der späteren Beklagten vertrieben werden. Eine Mitarbeiterin der späteren beklagten Partei kam auf die ruhmreiche Idee, zu Werbezwecken auf Google die Bildersuche zu betätigen, um dort Abbildungen dieser „Cherished Teddies“ zu suchen. Dort wurde sie auch recht schnell fündig. Sie fand wundersamer Weise Produktabbildungen von „Cherished Teddies“ in den Bildervorschlägen von Google.

Bedauerlicherweise gehörten die Urheberrechte an den Bildern der späteren Klägerin, worauf auch alsbald eine Abmahnung erteilt wurde. Die Anspruchsgegnerin sah ihren Fehler ein und unterzeichnete eine Unterlassungserklärung und kam für die Kosten der Klägerin auf.

Leider waren die urheberrechtlich geschützten Bilder jedoch weiterhin bei eBay über die Suchfunktion „erweiterte Suche“ oder „beobachtete Artikel“ unter der Rubrik „beendete Auktionen“ sichtbar, worauf die die beklagte Partei wiederum abgemahnt wurde und eine zweite strafbewehrte Unterlassungserklärung abgab.

Vor Gericht hatte die Klägerin vorgetragen, dass sie die die Bilder mit ihrer Kamera selbst aufgenommen hätte. Sie hatte die Bilder mit der Bezeichnung „CT-Paradies“ gekennzeichnet. Aufgrund einer Lizenzanalogie aus der Honorartabelle der Mittelstandsgemeinschaft Fotomarketing (MFM-Tabelle) habe sie dann einen Schadensersatz berechnet, der sich einerseits aus der unberechtigten Nutzung der Bilder, sowie andererseits aus dem Unterlassen der Urheberschaftsbenennung ergeben hat.

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Das Problem

Die beklagte Partei versuchte die Urheberschaft der Klägerin mit der Argumentation zu entkräften, dass die Klägerin die Urheberschaft schon deshalb nicht für sich in Anspruch nehmen könne, da die Bezeichnung „CT-Paradies“, mit denen die Lichtbilder bezeichnet waren weder der tatsächliche Name, noch der Deckname der Urheberin seien und es sich zudem um keine Künstlerzeichen handele. Sie monierte, dass die Urheberbezeichnung auf keine natürliche Person hinweise.

Des Weiteren gelinge es der Klägerin nicht, die Urheberschaft nachzuweisen. Zwar war den Fotodateien die Information zu entnehmen, dass die Fotos von einem bestimmten Kameramodell (das von der Klägerin) stammen. In der Rubrik „Autor“ und „Copyright“ der Dateien waren allerdings keine Eintragungen mit Hinweis auf eine konkrete Urheberschaft ersichtlich.

Zudem sei § 10 UrhG hier unanwendbar, da es sich bei Lichtbildern um unkörperliche Werkexemplare handele und schon deshalb der Anwendungsbereich der Vermutung nicht eröffnet sei.
Die beklagte Partei versuchte, die Urheberschaft der Klägerin mit der Argumentation zu Fall zu bringen, dass die Vermutung der Urheberschaft des § 10 UrhG in diesem Fall nicht anwendbar sei, da es sich lediglich um eine unkörperliche Wiedergabe handele und damit § 10 UrhG keine Anwendung finden würde.

Der rechtliche Rahmen

§ 10 UrhG normiert die Vermutung der Urheber- oder Rechtsinhaberschaft – (Auszug)

"(1) Wer auf den Vervielfältigungsstücken eines erschienenen Werkes oder auf dem Original eines Werkes der bildenden Künste in der üblichen Weise als Urheber bezeichnet ist, wird bis zum Beweis des Gegenteils als Urheber des Werkes angesehen; dies gilt auch für eine Bezeichnung, die als Deckname oder Künstlerzeichen des Urhebers bekannt ist."

Die Entscheidung des BGH

Der BGH legte die Vermutung des § 10 UrhG entsprechend ihrem Wortlaut aus und ergänzte, dass die Bezeichnung mit einem Decknamen oder einem Künstlerzeichen als ausreichend anzusehen sind.
Der Regelungsgedanke des § 10 UrhG finde gem. § 72 Abs. 1 UrhG bei Lichtbildern entsprechende Anwendung, so dass derjenige, der auf Vervielfältigungsstücken eines Lichtbildes in der üblichen Weise als Lichtbildner angegeben ist bis zum Beweis des Gegenteils als dessen Urheber anzusehen ist.

Das Eingreifen der Urhebervermutung des § 10 UrhG setze grundsätzlich voraus, dass die Urheberbezeichnung auf einem körperlichen Werk angebracht ist, vgl. Thum in Wandtke/Bullinger, Urheberrecht, 4. Aufl., § 10 Rn. 19; Wiebe in Spindler/Schuster, Recht der Elektronischen Medien, 2. Aufl. 2011, § 10 UrhG Rn. 5).

Nun hatte der BGH zu beurteilen, ob es sich bei einem in das Internet gestellten Werkexemplar überhaupt um ein körperliches Werkexemplar handelt, auf das die genannte Vermutung anwendbar ist.
Hier kommt der Kernpunkt der vorliegenden BGH Entscheidung, denn der BGH bejahte dies in Bezug auf in das Internet gestellte körperliche Werkexemplare und begründete seine Rechtsansicht wie folgt:

"Ein körperliches Werkexemplar und damit ein Vervielfältigungsstück im Sinne von § 10 Abs. 1 UrhG liegt - entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts - allerdings auch dann vor, wenn ein Werk in das Internet gestellt worden ist. Das Einstellen eines Werkes in das Internet setzt eine Übertragung des Werkes auf eine Vorrichtung zur wiederholbaren Wiedergabe von Bild- und Tonfolgen und damit eine Vervielfältigung (§ 16 Abs. 2 UrhG) - also die Herstellung eines Vervielfältigungsstücks (§ 16 Abs. 1 UrhG) - des Werkes voraus. Wird etwa die elektronische Datei eines Lichtbildes auf die Festplatte eines Servers hochgeladen, um sie auf diese Weise in das Internet einzustellen, wird damit ein Vervielfältigungsstück des Lichtbildes hergestellt. Danach kann es die Vermutung der Urheberschaft begründen, wenn eine Person auf einer Internetseite als Urheber bezeichnet wird (vgl. OLG Köln, WRP 2014, 977 Rn. 17; LG Berlin, ZUM-RD 2011, 416, 417; aA LG München I, ZUM-RD 2009, 615, 618; vgl. auch LG Frankfurt a.M., ZUM-RD 2009, 22, 23; Schulze in Dreier/Schulze, UrhG, 4. Aufl., § 10 Rn. 6a). Der Umstand, dass in das Internet eingestellte Werke darüber hinaus in unkörperlicher Form öffentlich zugänglich gemacht werden und eine solche unkörperliche öffentliche Wiedergabe die Voraussetzungen des § 10 Abs. 1 UrhG nicht erfüllt, steht einer Anwendung dieser Vorschrift nicht entgegen."

Unser Fazit

Mit der Bejahung der Anwendbarkeit der Vermutungsfiktion des § 10 UrhG auf im Internet vervielfältigte Lichtbilder erteilt der BGH der in der Vergangenheit oftmals erfolgreichen Argumentation unlizenzierter Nutzer nunmehr eine klare Absage.

Grundsätzlich empfiehlt es sich einerseits für Urheber von Lichtbildern für den Fall urheberrechtlicher Streitigkeiten stets, eine auf eine natürliche Person hinweisende Bezeichnung an dem Werkexemplar anzubringen. Überdies sollten zwecks Beweisfunktion nie die Originalversionen von Lichtbildern, sondern nur bearbeitete Versionen mit einer niedrigeren Auflösung in das Internet eingestellt werden.

Auf der anderen Seite sollte, für den unberechtigten Nutzer urheberrechtlich geschützter Werke, bei einer strafbewehrten Unterlassungserklärung zur Vermeidung von Kosten juristische Hilfestellung beigezogen werden. Der BGH stellte nämlich in Bezug auf die Auslegung von Unterlassungserklärungen klar, dass eine Unterlassungserklärung grundsätzlich nicht nur eine Verpflichtung zur Unterlassung selbst, sondern zudem eine Verpflichtung zur Beseitigung des rechtswidrigen Zustandes beinhalte. Es handelt sich um zwei selbstständige Ansprüche. Das bedeutet, dass in Bezug auf die Unterzeichnung einer Unterlassungserklärung diese nicht nur eine „passive“ Unterlassungskomponente sondern auch eine „aktive“ Handlungsverpflichtung, im Sinne eines Tätigwerdens umfasst. Dieses kann beispielsweise darin bestehen, dass der Schuldner dafür Sorge zu tragen hat, dass die streitigen Bilder von Drittseiten entfernt werden.

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Bildquelle:
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