Strafloser Bilderklau: Sind computergenerierte Grafiken urheberrechtlich geschützt?
Computergenerierte Grafiken in Form von Produktabbildungen sind im Bereich des Online-Handels nicht unüblich. Doch wie sieht es mit deren urheberrechtlichen Schutz aus? Bleibt hier der weit verbreitete „Bilderklau“ ohne Folgen oder droht ein Abmahnverfahren wegen einer Urheberrechtsverletzung? Kommt auf das Herstellungsverfahren solcher Abbildungen an, sagt das KG Berlin (Urt. v. 16.01.2020, Az. 2 U 12/16.Kart) in einem aktuellen Urteil.
Foto ist nicht gleich Foto
Die Parteien stritten über die Wiedergabe von Produktfotos in einem Online-Shop. Ein Online-Händler verwendete computergenerierte Produktfotos in seinem Online-Shop. Die digital nachgebauten Gegenstände wurden zunächst räumlich in ganz bestimmter Weise zueinander angeordnet, eine bestimmte Farbwahl getroffen und sodann über Art, Anzahl und Position der Lichtquellen entschieden, um die Produkte individuell auszuleuchten und entsprechende Schattenwürfe zu erzeugen. Es handelte sich somit um ein vollständig softwaregeneriertes Bild.
Die Klägerin verlangte vom Online-Händler unter anderem das Unterlassen der Zugänglichmachung der Produktfotos. Fraglich war in diesem Zusammenhang, ob die Klägerin überhaupt Ansprüche aus dem Urheberrechtsgesetz (UrhG) geltend machen konnte. Denn dazu hätten die computergenerierten Bilder Schutz nach dem UrhG genießen müssen, was hingegen teilweise umstritten ist.
Das Problem: Schutzfähigkeit von Computer-Grafiken
Grundsätzlich kommt ein urheberrechtlicher Schutz für Abbildungen nach § 2 Abs. 1, 2 UrhG sowie § 72 UrhG in Betracht. Es kann sich bei Abbildungen/Grafiken/Fotos im Einzelfall um Werke der bildenden Kunst nach § 2 I Nr. 4 UrhG oder um wissenschaftliche oder technische Darstellungen nach § 2 I Nr. 7 UrhG handeln.
Eine nach § 2 Abs. 2 UrhG geforderte geistige Schöpfung des Urhebers setzt hingegen voraus, dass ein Gestaltungsspielraum besteht und dieser vom Urheber dafür genutzt wird, seinen schöpferischen Geist in origineller Weise zum Ausdruck zu bringen. Nach der Rechtsprechung des BGH ist die erforderliche Schöpfungshöhe von Werken der angewandten Kunst erreicht, wenn die es nach Auffassung der für Kunst empfänglichen und mit Kunstanschauungen einigermaßen vertrauten Kreise rechtfertigt, von einer „künstlerischen“ Leistung zu sprechen. Dabei werden nicht nur „große“ künstlerische Werke geschützt, sondern auch solche, die auch nur eine geringe Gestaltungshöhe aufweisen (sog. Schutz der „kleinen Münze“: BGH, Urt. v. 13.11.2013, Az. I ZR 143/12).
Lichtbilder und ähnlich hergestellte Erzeugnisse, die die Schöpfungshöhe des § 2 Abs. 2 UrhG jedoch nicht erreichen, können unter den Voraussetzungen des § 72 UrhG ebenfalls geschützt sein, wobei ein Minimum eigener Leistung jedoch auch hierfür gegeben sein muss. Unter Zuhilfenahme entsprechender Software erzeugte (Computer-)Bilder (CAD- sowie CAM-Bilder, Computeranimationen, Webdesigns, Fotocomposing etc) fallen jedoch nach herrschender Meinung nicht in den Schutzbereich des § 72 UrhG.
Daher kommt ein urheberrechtlicher Schutz solcher „Computer-Bilder“ lediglich dann in Betracht, wenn dem Erzeugnis urheberrechtliche Werkqualität nach § 2 Abs. 1 Nr. 4 UrhG oder Nr. 7 UrhG zukommt. An den Voraussetzungen eines urheberrechtlichen Werkes dürften viele Gestaltungen jedoch angesichts der geforderten Schöpfungshöhe scheitern.
Bereits das LG Berlin (Urt. v. 20.6.2017, Az. 16 O 59/16) stellte dazu fest, dass die derzeitige Rechtslage zu deutlichen Wertungswidersprüchen führe. Es leuchte nicht ein, weshalb ein einfaches, praktisch von jedermann herzustellendes einfaches Lichtbild bereits (leistungs)schutzfähig sein soll, während eine aufwendig hergestellte und bearbeitete Visualisierung allenfalls Schutz als Werk der angewandten Kunst in Anspruch nehmen könne.
Dieser Wertungswiderspruch lasse sich jedoch nicht durch eine erweiternde Auslegung lösen. Es sei vielmehr die Aufgabe des Gesetzgebers, den Schutzbereich für die immer weiter um sich greifenden Visualisierungen (wie z.B. computergeneriete Bilder) neu zu bestimmen, sei es in Form eines Urheber- oder (nur) eines Leistungsschutzrechts.
KG Berlin: Computergenerierte Produktfotos haben keine Werkqualität
Das KG Berlin (Urt. v. 16.01.2020, Az. 2 U 12/16.Kart) urteilte, dass die am Computer mittels elektronischer Befehle erstellten Abbildungen virtueller Gegenstände weder nach § 2 Abs. 1, 2 UrhG noch nach § 72 UrhG urheberrechtlich schutzfähig seien.
Zunächst stellte das Gericht fest, dass die streitgegenständlichen Abbildungen keine urheberrechtlich geschützten Werke iSd § 2 Abs. 1, Abs. 2 UrhG darstellen. Die Abbildungen seien nicht als Werke der bildenden Kunst nach § 2 Abs. 1 Nr. 4 UrhG anzusehen.
Unter den Begriff der bildenden Kunst fallen alle eigenpersönlichen Schöpfungen, die mit den Darstellungsmitteln der Kunst durch formgebende Tätigkeit hervorgebracht werden. Diesen Schutz könnten zwar grundsätzlich auch Computeranimationen oder -grafiken genießen, wenn sie nicht lediglich auf der Tätigkeit des Computers beruhen. Jedoch fehle es den Produktfotos an einer eigenen geistigen Schöpfung. Eine solche setze nämlich voraus, dass ein Gestaltungsspielraum bestehe und vom Urheber dafür genutzt wird, seinen schöpferischen Geist in origineller Weise zum Ausdruck zu bringen. Die computergenerieten Produktfotos erreichten jedoch kein künstlerisches Gestaltungsmaß. Denn bei den Gestaltungselementen handele es sich um Grundelemente der perspektivischen Darstellung dreidimensionaler Körper auf zweidimensionalen Flächen, sodass es an der erforderlichen Schöpfungshöhe fehle.
Auch eine wissenschaftliche oder technische Darstellung nach § 2 Abs. 1 Nr. 7 UrhG komme nicht in Betracht, da es sich schon aus dem Sachkontext ergebe, in dem die streitgegenständlichen Abbildungen als Produktwerbung beauftragt wurden, dass weder die wissenschaftliche noch die technische Informationsvermittlung, sondern einzig die Produktwerbung als Kaufanreiz, im Vordergrund der Abbildungen stehen sollte.
Es kommt auf den Schaffensvorgang an!
Bei den erstellten Grafiken handele es sich des Weiteren auch nicht um Erzeugnisse, die ähnlich wie ein Lichtbild hergestellt werden (§ 72 UrhG) . Ausgangspunkt der vorzunehmenden Auslegung des § 72 UrhG sei der Wortlaut der Norm. Danach sei maßgeblich auf den Schaffensvorgang und nicht auf das Ergebnis des Schaffensprozesses abzustellen. Dementsprechend könne allein das Ergebnis des Herstellungsverfahrens letztlich nicht maßgeblich sein, denn sonst wäre bereits jedes Bild, das optisch wie eine Fotografie wirkt, als lichtbildähnliches Erzeugnis im Sinne des § 72 UrhG zu klassifizieren.
Es handele sich bei den Produktfotos um mittels elektronischer Befehle erzeugte Abbildungen von virtuellen Gegenständen. Damit fehle es an dem konkreten Schaffensprozess, dem ein Vorgang ähnlich wie bei der Erstellung von Lichtbildern zugrunde liegt. Auch das KG Berlin erkannte diesen Wertungswiderspruch, welches schon das LG Berlin (s.o.) anprangerte. Hinsichtlich der Frage, ob der Anwendungsbereich des § 72 UrhG für die Computergrafiken geöffnet werden soll, wenn diese in einer Art virtuellem Fotostudio erstellt werden, handele es sich um eine grundsätzliche Wertentscheidung, die der Gesetzgeber zu treffen habe.
Fazit: Produkfotos...dann doch lieber selber machen
Eine (ausschließlich) am Computer mittels elektronischer Befehle erstellte Abbildung eines virtuellen Gegenstands, also bspw. ein computergeneriertes Produktbild, genießt keinen Leistungsschutz nach § 72 UrhG. Es fehlt hierbei an einem Schaffensvorgang, der der Erstellung eines „klassischen“ Lichtbilds ähnelt. Dies gilt auch dann, wenn die Grafik wie eine Fotografie wirkt, da es auf das Ergebnis des Schaffensprozesses nicht entscheidend ankommt. Maßgeblich für die Beurteilung der Schutzfähigkeit nach § 72 UrhG ist somit allein das Herstellungsverfahren der Abbildung.
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