BGH: Unterlassungserklärung muss nicht unbedingt im Original vorliegen

BGH: Unterlassungserklärung muss nicht unbedingt im Original vorliegen
10.08.2023 | Lesezeit: 7 min

Bei Abmahnungen sehen wir immer wieder, dass die abmahnende Seite vom Abgemahnten die Vorlage einer unterschriebenen Unterlassungs- und Verpflichtungserklärung im Original fordert. Die Übermittlung einer bloßen elektronischen Kopie bzw. eines Scans wird - wenn überhaupt - häufig nur dann akzeptiert, wenn das unterschriebene Original innerhalb einer bestimmten Nachfrist nachgereicht wird. Nun hat der BGH die Konstellation entschieden. Wir ordnen die neue Rechtsprechung ein und geben Händlern hierzu konkrete Handlungsempfehlungen.

I. Von Gesetzes wegen: Formfreiheit der Unterlassungserklärung

Im deutschen bürgerlichen Recht gilt der allgemeine Grundsatz der Formfreiheit. Sieht das Gesetz für ein bestimmtes rechtliches Handeln keine zwingende Form vor, können etwa Vertragsangebote und -annahmen ohne Einhaltung einer bestimmten Form wirksam abgegeben werden.

Etwas Anderes kann grundsätzlich auch nicht einseitig mit Wirkung gegenüber anderen bestimmt werden. Allerdings kann auf der anderen Seite jeder für sich entscheiden, ob er Verträge - etwa aus Gründen der späteren Beweisbarkeit - immer nur in Schrift- oder zumindest Textform, jedenfalls in dokumentierter Form abschließen möchte und deshalb jeden Vertragsschluss verweigern, der nicht den eigenen Formvorstellungen entspricht.

Vor diesem Hintergrund stellt sich bei wettbewerbsrechtlichen Abmahnungen die Frage, ob der Abmahnende dem Abgemahnten vorschreiben kann, die für den Wegfall der Wiederholungsgefahr hinsichtlich des jeweiligen Wettbewerbsverstoßes erforderliche Unterlassungs- und Verpflichtungserklärung in einer ganz bestimmten Form vorzulegen, also etwa unterschrieben im Original.

II. Der Fall vor dem BGH - Sachverhalt

In einem hierzu passenden Fall, den am Ende der BGH zu entscheiden hatte, mahnte die Klägerin den Beklagten wegen eines Wettbewerbsverstoßes ab.

Wie üblich und für den Wegfall der Wiederholungsgefahr erforderlich forderte die Klägerin den Beklagten zugleich auch zur Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungs- und Verpflichtungserklärung innerhalb einer bestimmten Frist auf. In der Abmahnung wies sie zudem darauf hin, dass die Übermittlung der Unterlassungs- und Verpflichtungserklärung via Fax oder E-Mail genüge, wenn dessen (unterschriebenes) Original binnen Nachfrist bei der Klägerin nachgereicht wird, also innerhalb der Frist bei ihr eingehe.

Zwar gab der Beklagte im Anschluss eine dem Inhalt nach die Klägerin zufrieden stellende Unterlassungs- und Verpflichtungserklärung per E-Mail ab, wobei er der E-Mail auch ein zunächst auf Papier ausgedrucktes und sodann unterschriebenes und eingescanntes Exemplar in Form einer PDF-Datei anhängte. Allerdings schickte der Beklagte das Original nicht innerhalb der Nachfrist an die Klägerin.

Der Klägerin genügte die bloß digital übermittelte Kopie der Unterlassungs- und Verpflichtungserklärung nicht. Sie klagte gegen den Beklagten. Am Ende landete der Fall vor dem BGH.

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III. Entscheidung des BGH: Kein Original der Erklärung erforderlich

Der BGH hat in diesem Fall entschieden, dass die Übersendung der unterschriebenen Unterlassungs- und Verpflichtungserklärung durch den Beklagten als PDF-Datei per E-Mail an die Klägerin den rechtlichen Anforderungen für die Beseitigung der Wiederholungsgefahr genügt (Urteil vom 12. Januar 2023 - Az. I ZR 49/22).

1. Anforderungen an den Wegfall der Wiederholungsgefahr

Zur Ausräumung der Gefahr der Wiederholung des durch die Abmahnung gerügten Wettbewerbsverstoßes muss eine Unterlassungs- und Verpflichtungserklärung:

  • eindeutig und
  • hinreichend bestimmt sein,
  • den ernstlichen Willen des Abgemahnten erkennen lassen, die durch die Abmahnung gerügte Handlung nicht mehr zu begehen, was durch ein angemessenes Vertragsstrafeversprechen abgesichert sein muss, und
  • den gesetzlichen Unterlassungsanspruch nach Inhalt und Umfang vollständig abdecken, d.h.
  • uneingeschränkt,
  • unwiderruflich,
  • unbedingt und
  • (grundsätzlich) auch ohne Angabe eines Endtermins erfolgen.

2. Wichtig: Ernstlicher Unterlassungswille erforderlich

Ganz wesentliche Voraussetzung für eine hinreichende Unterlassungs- und Verpflichtungserklärung ist nach Angabe der Rechtsprechung, ob sie Ausdruck eines ernsthaften Unterlassungswillens des Abgemahnten sei. Daher müsse die in der Erklärung durch den Abgemahnten versprochene Sanktion (=Vertragsstrafe) für diesen derart nachteilhaft sein, dass sie geeignet ist, den Abgemahnten von Wiederholungen der Verletzungshandlung abzuhalten.

Die Ernstlichkeit des Unterlassungswillens kann nach Ansicht des BGH dabei auch in solchen Fällen gegeben sein, wenn die unterschriebene Unterlassungs- und Verpflichtungserklärung später nicht im Original auf dem Postweg nachgereicht wird, nachdem bereits zuvor eine Kopie per E-Mail übersandt worden war.

3. Keine Zweifelsgründe oder Beweisschwierigkeiten

Nach Auffassung des BGH gehöre zum Sinn und zur Funktion der Unterlassungs- und Verpflichtungserklärung, dass der Abgemahnte dem Abmahnenden diese Erklärung in einer Form zur Verfügung stellen muss, die - wenn es später zwischen den Parteien zum Streit vor Gericht kommt - die Durchsetzung:

  • ohne rechtliche Zweifelsgründe und
  • ohne Beweisschwierigkeiten

ermöglicht. Mit der Unterlassungs- und Verpflichtungserklärung in Händen, so wie sie der Abgemahnte dem Abmahnenden zuvor übermittelt hatte, muss es dem Abmahnenden ohne weitere rechtliche Hürden möglich sein, seine Ansprüche gegen diesen durchzusetzen.

4. Kein gesetzliches Formerfordernis für Unterlassungserklärungen

Der BGH bestätigte in seiner Entscheidung die rechtliche Einschätzung der Vorinstanz, wonach eine Unterlassungs- und Verpflichtungserklärung an sich keinem gesetzlichen Formzwang i.S.d. § 126 BGB unterliegt.

Zwar sei eine Unterlassungsverpflichtungserklärung ein sog. abstraktes Schuldanerkenntnis und unterliege als solches der Schriftform (§§ 780, 781 BGB) . Jedoch bestehe dieses Schriftformerfordernis nach den Vorschriften der §§ 343 Abs. 1, 350 HGB nicht, wenn die Unterlassungs- und Verpflichtungserklärung von einem Kaufmann i.S.d. Handelsrechts abgegeben werde.

Dies bedeutet: Im B2B-Verkehr zwischen Kaufleuten, d.h. auch zwischen zwei Online-Händlern, genügt im Falle einer wettbewerbsrechtlichen Abmahnung auch die Übermittlung einer Unterlassungs- und Verpflichtungserklärung per E-Mail (oder auch per Fax). Ein unterschriebenes Original muss daher von Gesetzes wegen grundsätzlich nicht auf dem Postweg nachgereicht werden.

IV. Handlungsempfehlungen für Online-Händler

Recht haben ist das Eine, Recht bekommen etwas ganz Anderes. Trotz dieser Entscheidung des BGH kann in bestimmten Konstellationen aus rechtlicher Sicht doch die Übersendung des unterschriebenen Originals der Unterlassungs- und Verpflichtungserklärung erforderlich sein.

Um diese und andere Konstellationen abzudecken, geben wir Händlern bei Abmahnungen daher die folgenden wichtigen Ratschläge:

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V. Fazit: Das Wesentliche in Kürze

Aus der neuen BGH-Rechtsprechung zur Form von Unterlassungs- und Verpflichtungserklärungen ergeben sich folgende wesentliche Punkte:

  • Die Wiederholungsgefahr wird nur durch Übermittelung einer ernsthaften Unterlassungs- und Verpflichtungserklärung beseitigt.
  • Hierfür kann auch eine bloß auf elektronischem Wege (E-Mail; Fax) übermittelte Erklärung genügen.
  • Akzeptiert der Abmahnende eine Erklärung in Textform aber nicht, sondern lehnt sie ab, sollte der Abgemahnte das unterschriebene Original noch nachreichen.

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