OLG Stuttgart: Bewerbung von Tierfutter als „Anti-Zecken-Snack“ irreführend
Die Bewerbung eines Futtermittels als „Anti-Zecken-Snack“ ist irreführend, wenn bei dem Verbraucher fälschlicherweise der Eindruck entsteht, die Anti-Zecken-Wirkung sei wissenschaftlich nachgewiesen. Dies entschied kürzlich das OLG Stuttgart. Was müssen Futtermittelhändler künftig beachten?
A. Der zugrundeliegende Sachverhalt: Händler vertreibt „Anti-Zecken-Snack“
Die Beklagte vertreibt online Futtermittel. Eines der von ihr angebotenen Futtermittel, der „Anti-Zecken-Snack“, besteht zu 1% aus Schwarzkümmelöl. Auf den Verpackungen des „Snacks“ ist unter anderem folgendes abgedruckt: „Natürlicher Zecken- und Flohschutz. Mit wertvollem Schwarzkümmelöl. Die biozidfreie Zeckenabwehr“. Der Klägerin – ein Verein, dem unter anderem Anbieter von Tierbedarf angehören – waren diese Werbeversprechen ein Dorn im Auge. Sie behauptete, die zeckenvorbeugende Wirkung des Produkts sei wissenschaftlich nicht hinreichend gesichert. Sie mahnte die Beklagte daher ab und forderte sie erfolglos zur Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung auf. Schließlich trafen sich die Parteien vor Gericht wieder.
B. Die Entscheidung des OLG Stuttgart
Die Klägerin obsiegte sowohl in der ersten Instanz vor dem LG Stuttgart (Urteil vom 17.05.2018, Az.: 35 O 62/17 KfH) als auch vor dem OLG Stuttgart (Urteil vom 06.06.2019, Az.: 2 U 144/18).
Das OLG Stuttgart stellte fest, dass die Werbeaussage der Beklagten gegen Art. 11 Abs. 1 lit. b) VO (EG) 767/2009) verstößt. Nach dieser Vorschrift dürfen Kennzeichnung und Aufmachung von Futtermitteln den Verwender nicht irreführen, insbesondere nicht durch die Angabe von Wirkungen, die das Futtermittel nicht besitzt. Eine solche Irreführung lag hier aber vor. Denn: Der Unternehmer konnte die Anti-Zecken-Wirkung nicht wissenschaftlich belegen.
I. Wirkangabe erfordert hinreichende wissenschaftliche Absicherung
Das OLG Stuttgart entschied zunächst, dass der „Anti-Zecken-Snack“ den Eindruck erweckt, dass dieser nicht nur der Fütterung dient, sondern gleichzeitig auch einem Zeckenbefall vorbeugt. Gleichzeitig versteht der Verkehr eine derartige Werbeaussage dahingehend, dass sie auf Basis einer qualifizierten wissenschaftlichen Grundlage getätigt wurde, also wissenschaftlich hinreichend gesichert ist. Dem Futtermittelunternehmer obliegt es dabei darzulegen und zu beweisen, dass die angepriesene Wirkung hinreichend wissenschaftlich abgesichert ist. Kann der Unternehmer seiner Darlegungs- und Beweislast nicht genügen, liegt bereits darin eine unzulässige Irreführung. Doch was bedeutet „wissenschaftlich hinreichend gesichert“ konkret im Kontext mit Futtermitteln?
Der Stuttgarter Senat stellte fest, dass bei dieser Beurteilung im Verkehr mit Futtermitteln ein weniger strenger Maßstab als im Verkehr mit Lebensmitteln heranzuziehen ist. Denn: Im Verkehr mit Lebensmitteln geht es um die menschliche Gesundheit, im Verkehr mit Futtermitteln um die tierische Gesundheit, der rechtlich nicht derselbe Stellenwert zukommt wie der menschlichen Gesundheit. Eine Aussage über Wirkungen eines Futtermittels kann daher auch dann hinreichend wissenschaftlich gesichert sein, wenn sie der herrschenden Meinung entspricht, jedoch auch Gegenmeinungen ohne besonderes wissenschaftliches Gewicht bestehen.
Stützt sich der Werbende allerdings bewusst auf eine fachlich umstrittene Behauptung, muss er sie im Streitfall auch beweisen, wenn die Gegenseitige das Fehlen der wissenschaftlichen Behauptung hinreichend substantiiert vorgetragen hat (vgl. Urteil des BGH vom 06.02.2013 - I ZR 62/11). Dies gilt, wie die Stuttgarter Richter betonten, nicht nur für Werbeangaben auf dem Gebiet des Gesundheitswesens, sondern auch für andere fachlich umstrittene, wissenschaftlich nicht abgesicherte Behauptungen.
II. Beklagte hat Nachweis der wissenschaftlichen Absicherung nicht erbracht
Im zugrundeliegenden Streitfall konnte die Beklagte jedoch weder darlegen noch beweisen, dass das Produkt die angepriesene Wirkung tatsächlich hat. So konnte die Beklagte auch auf Nachfrage in der mündlichen Verhandlung keinen einzigen schriftlichen Nachweis nennen, der die zeckenvorbeugende Wirkung des Produkts belegt.
Die einzige Quelle, die die Beklagte zur Untermauerung der Anti-Zecken-Wirkung des Produkts auftun konnte, war eine telefonisch und per Mail erfolgte Stellungnahme eines von ihr benannten sachverständigen Zeugen. Dieser führte an, dass das im Produkt enthaltene Schwarzkümmelöls eine natürliche repellierende, also zeckenvorbeugende Wirkung habe, weil die darin enthaltenen starken ätherischen Öle durch die Haut des Hundes ausdünsteten und so verhinderten, dass der Hund von Zecken befallen werde.
Die Stuttgarter Richter wiesen diese Argumentation jedoch als unzureichend zurück. So habe die unveröffentlichte Stellungnahme des benannten Zeugen bereits keine wissenschaftliche Relevanz.
C. Fazit
Händler, die Futtermittel unter Anpreisung einer besonderen, über die Fütterung hinausgehende Wirkung vertreiben, müssen im Streitfall darlegen und beweisen können, dass diese wissenschaftlich hinreichend bestätigt ist. Können sie den entsprechenden Nachweis nicht erbringen, ist die Werbung irreführend und damit unzulässig.
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