OLG Jena: Herstellung von Thumbnails ohne Zustimmung des Urhebers rechtswidrig
Google konnte mit einiger Not und etwas Glück eine urheberrechtliche Unterlassungs- und Schadensersatzklage wegen des Einsatzes von Thumbnails in ihren Trefferlisten abwehren.
Inhaltsverzeichnis
Das Thüringer Oberlandesgericht (OLG) (Az. 2 U 319/07) entschied am 27.02.2008, dass Google mit der Herstellung von Thumbnails ohne Zustimmung des Urhebers die Rechte des Urhebers des für das Thumbnail verwendeten Bildes verletzt. Dies begründe aber dann keine Ansprüche des Urhebers gegen Google, wenn der Urheber eine Suchmaschinenoptimierung vorgenommen habe, die die “crawler“ von Google geradezu anlockten.
Es wird enger für Google: Zwar haben bereits das Amtsgericht Bielefeld und das Landgericht Bielefeld (Az: 20 S 49/05) eine Haftung von Google aus unterschiedlichen Gründen verneint. Das Amtsgericht sah die Haftungsprivilegierung gem. § 8 TDG als gegeben an und das Landgericht verneinte das Vorliegen eines Schadens durch die Verwendung der Bilder als „thumbnails“. Dagegen hatte aber das Landgericht Hamburg (Urteil vom 05.09.2003, Az.: 308 O 449/03) eine Verletzung des Rechtes der öffentlichen Zugänglichmachung im Wege einer unfreien Bearbeitung der Bilder bejaht.
Die jeweiligen Begründungen waren jeweils nicht sehr stichhaltig. Dies hat wohl auch das OLG erkannt und prüfte daher die Ansprüche der klagenden Urheberin geradezu schulbuchmäßig. Es setzte damit Maßstäbe, die andere Gerichte beachten werden.
Sachverhalt:
Jeder kennt sie: So genannte Thumbnails sind Miniaturbilder, die als Vorschau für eine größere Version eines Bildes dienen. Da die Bilder kleiner als das Original sind und damit eine kürzere Ladezeit als große haben, werden sie insbesondere im Internet oft eingesetzt. Im vorliegenden Fall, hatte Google die Thumbnails erstellt und im Rahmen einer Trefferliste angezeigt. Bei dieser Gelegenheit waren Bilder einer Künstlerin aufgetaucht, die diese auf Ihrer Homepage veröffentlicht hatte. Die Künstlerin verklagte Google. Google konnte sich aber letztlich vor dem OLG Jena durchsetzen.
Entscheidung
Das OLG entschied wie folgt,
- Bei der Herstellung eines Thumbnails, also der digitalen Miniaturisierung eines Bildes, handelt es sich um Umgestaltungen eines Werkes im Sinne von § 23 UrhG. Die Verkleinerung und Komprimierung dienen den Zwecken von Google bei der technischen Ausgestaltung ihrer Bildersuche, nicht aber dem jeweiligen Werk der Künstlerin.
- Die Herstellung eines Thumbnails stellt keine freie Benutzung eines Werkes im Sinne von § 24 UrhG dar. Denn § 24 UrhG privilegiert allein eine selbständige Neuschöpfung, die einen ausreichenden künstlerischen Abstand zum benutzten Werk aufweist.
- Das Anzeigen der Thumbnails in der Trefferliste von Google stellt eine Verwertung der Umgestaltung dar, da unzweifelhaft eine der in § 15 Abs. 2 UrhG dem Urheber vorbehaltene Handlung vorgenommen wird, wenn Google Thumbnails auf eigenen Internetseiten als Linkanker, der für jeden Internetnutzer zugänglich ist, anzeigt. Das Bearbeitungsrecht des Urhebers erfasst auch die in § 15 UrhG nicht genannten Verwertungsarten.
- Google ist bei der Umgestaltung der Originalbilder und der Anzeige von Thumbnails in der Trefferliste ihrer Suchmaschine auch urheberrechtlich verantwortliche Werknutzerin und stellt nicht nur technische Hilfsmittel zur Nutzung zur Verfügung. Google stellt zwar grundsätzlich (nur) einen Internetsuchdienst zur Verfügung. Sie nimmt aber eine eigene Verwertungshandlung vor, nämlich das Umgestalten der Originalbilder und das Anzeigen von Verkleinerungen bzw. Komprimierungen des aufgefundenen Bildes.
- Die Verwertung der umgestalteten Thumbnails durch Google ist auch rechtswidrig im Sinne von § 23 UrhG. Eine gesetzliche Schrankenregelung, die eine Einwilligung des Urhebers in die Verwertung der Thumbnails durch Google entbehrlich machen könnte, greift nicht ein.
- § 44a UrhG (*vorübergehende Vervielfältigungen* ) ist nicht einschlägig, da die Trefferlisten bei Google, die Thumbnails dauerhaft anzeigen, eine Vielzahl von Einnahmemöglichkeiten bieten, insbesondere durch Werbung.
- Auch auf § 58 Abs.1 UrhG (*Werke in Ausstellungen, öffentlichem Verkauf und öffentlich zugänglichen Einrichtungen* ) kann sich Google nicht berufen. Zum einen ist sie in Bezug auf die von der Künstlerin im Internet „ausgestellten“ Bilder nicht Veranstalter im Sinne von § 58 Abs.1 UrhG, sondern lediglich Dritter, dem die Privilegierung des § 58 Abs.1 UrhG nicht zugute kommen kann. Zum anderen lässt § 58 Abs.1 UrhG die sonstige Umgestaltung eines Werkes im Sinne von § 23 UrhG nicht zu.
- Auf § 53 UrhG (*Privatkopie* ) kann sich Google nicht berufen. Einer der privilegierten Nutzungstatbestände im Sinne dieser Norm liegt ersichtlich nicht vor, weil die Verwertung (auch) erwerbswirtschaftlichen Zwecken dient und es sich nicht bloß um die Erstellung einer Privatkopie durch einen Dritten handelt, sondern um eine Nutzung in Form einer Umgestaltung.
- Schließlich können Thumbnails auch nicht als zulässige Zitate im Sinne von
§ 51 UrhG angesehen werden, da der berechtigte Zitatzweck fehlt. Zitate sollen zur Erleichterung der geistigen Auseinandersetzung genutzt werden. Diese findet im Rahmen der Darstellung eines Bildes in einer Trefferliste, die rein maschinell zusammengestellt wird und oftmals auch völlig abwegige Treffer zeigt, nicht statt. Google kann sich auch nicht darauf berufen, der Zitatzweck sei die Ermöglichung einer technisch nicht anders möglichen Bildersuche im Internet. Google stellt ihre (grundsätzlich als sinnvoll anerkannte) Suchmaschine nicht aus ideellen Gründen der Internetgemeinschaft zur Verfügung. Es ist allgemein bekannt, dass ihr Unternehmenszweck z.B. die Erzielung von Werbeeinnahmen ist, wobei sie auch und gerade Trefferlisten bzw. Suchmaschinenergebnislisten als Werbefläche vermarktet, selbst wenn dies zur Zeit bei der Bildersuche noch nicht der Fall zu sein scheint. Nutzt Google aber Bilder zur Steigerung der Effizienz und der Anschaulichkeit ihrer Trefferliste, dann dient eine Privilegierung dieses Vorgehens über § 51 UrhG nur ihren eigenen kommerziellen Interessen, ohne die Urheber zu beteiligen. Eine Trefferliste stellt auch keine bisher unerkannte neue Form der geistigen Auseinandersetzung dar, die eine Erweiterung der Schranke bzw. des Zitatzwecks rechtfertigen könnte. Vielmehr ist die von einer Suchmaschine generierte Trefferliste lediglich Hilfsmittel zum möglichen Auffinden von Inhalten im Internet.
- Es liegt auch keine Einwilligung der klagenden Künstlerin vor, die die Rechtswidrigkeit der Thumbnailerstellung ausschließt.
- Die Künstlerin hat Google kein ausdrückliches Nutzungsrecht eingeräumt.
- Google kann sich entgegen der Auffassung des Landgerichts Erfurt auch nicht darauf berufen, es liege eine konkludente (stillschweigende) Einwilligung der Urheberin dadurch vor, dass diese ihre Bilder ins Internet eingestellt hat. Durch das Einstellen von Bildern zur freien Betrachtung und ohne technische Schutzmaßnahmen ins Internet hat die Künstlerin keine konkludente Nutzungsrechtseinräumung für Suchmaschinenbetreiber abgegeben, ihre Bilder zu Thumbnails umzuarbeiten. Dies gilt selbst unter Berücksichtigung des eigenen Vortrags der Künstlerin, dass sie daran interessiert sei, dass ihre Homepage bzw. ihre Bilder von möglichst vielen Internetnutzern angeschaut würden. Derjenige, der Bilder frei ins Internet einstellt, will lediglich erreichen, dass sie von anderen Internetnutzern angesehen werden können. Ein darüber hinausgehender Wille, irgendwelche Nutzungsverträge abzuschließen oder auch nur Einwilligungen zu erteilen, geht damit vernünftigerweise nicht einher, weil dies originären Urheberinteressen widersprechen würde.
Auch wenn es technisch einfach möglich ist zu verhindern, dass bestimmte in eine Internetseite eingebettete Bilder von den Suchrobotern ("crawlern") einer Suchmaschine indexiert werden (hier: Bilder etwa durch die Eingabe "Googlebot-Image Disallow:..." in der robots.txt-Datei), liegt darin noch keine (konkludente) Einwilligung des Rechteinhabers in die Umgestaltung und/oder Verwertung seines Werkes (hier: Bilder). Technisch grundsätzlich mögliche Sperren können dienlich sein, ihr Fehlen kann aber nicht als Freigabe für jede beliebige Form gewerblicher Drittnutzung verstanden werden. Daher willigt nicht jeder, der ein Bild zur freien Ansicht und ohne (technisch mögliche) Sperrmaßnahmen in das Internet einstellt, konkludent ein, dass sein Werk im Sinne von § 23 Abs. 1 UrhG durch eine (Bilder-) Suchmaschine als Thumbnail genutzt wird.
- Obwohl also Google durch die Erstellung von Thumbnails und die Veröffentlichung in ihren Trefferlisten rechtswidrig handelte, steht der klagenden Künstlerin kein Unterlassungsanspruch zu, wenn dessen Geltendmachung rechtsmissbräuchlich ist (§ 242 BGB) . Dies ist dann der Fall, wenn der Urheber eine „ Suchmaschinenoptimierung“ in der Gestalt vorgenommen hat, dass Suchmaschinen der Zugriff auf seine Seite erleichtert wird, die „crawler“ der Suchmaschine sozusagen „angelockt“ werden. Im vom OLG zu entscheidenden Fall hatte die klagende Künstlerin eine solche „Suchmaschinenoptimierung“ durch die Aufnahme zahlreicher META-Elemente, die sie ständig aktualisiert und ändert, vorgenommen. Sie hat beschrieben, welche Wortlisten die Klägerin im Quellcode in der Befehlszeile zu „Meta Name = keywords Content“ eingefügt hat, damit ihre Seite bevorzugt als Suchtreffer angezeigt wird. Auch die Bildersuche von Google arbeitet textgestützt, was bedeutet, dass die Aufnahme von „anlockenden“ META-Elementen auch die Bildersuche beeinflusst. In einer solchen Situation ist das Berufen der Klägerin auf eine fehlende Einwilligung zur Verwertung ihrer Bilder durch Suchmaschinen rechtsmissbräuchlich und treuwidrig im Sinne von § 242 BGB (venire contra factum proprium). Die klagende Künstlerin kann sich auch nicht darauf berufen, ihr Interesse habe sich lediglich darauf bezogen, dass„ihre Kunst“ im Internet aufgefunden werde, nicht aber, dass Google sie in Form von Thumbnails nutze. Denn durch ihre Beeinflussung der META-Elemente im Rahmen der Programmierung ihrer Homepage hat sie zu erkennen gegeben, dass sie insgesamt am Zugriff durch Suchmaschinen interessiert ist. Sie darf sich dann auch nicht gegen ein Verfahren (also die Umgestaltung in Thumbnails) wenden, das bei der Bildersuche üblich ist.
Fazit:
Das Urteil ist für Google ein Einfalltor für Unsicherheiten. Obwohl die Klage letztlich abgewiesen wurde, hat nun auch das OLG Jena entschieden, dass Suchmaschinenbetreiber ständig rechtwidrig handeln, wenn sie Thumbnails ohne Zustimmung des Urhebers herstellen und für ihre Trefferlisten nutzen. Das gilt nur dann nicht, wenn der Urheber seine Bilder suchmaschinenoptimiert. Google hat verständlicherweise Revision eingelegt, weil das Urteil eine unzumutbare Rechtsunsicherheit darstellt. Auf die Entscheidung des BGH wird mit Spannung gewartet.
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