OLG Hamm: Mit dem Begriff Textilleder dürfen Produkte nicht beworben werden, die kein Leder enthalten!
Das OLG Hamm entschied kürzlich (Urteil vom 08.03.2012, Az. I-4 U 174/11), dass jedenfalls ein nicht unerheblicher Teil der maßgeblichen angesprochenen Verkehrskreise annimmt, dass es sich bei der Beschreibung eines Polstermöbels mit der Verwendung der Bezeichnung "Textilleder" um ein Produkt handelt, dass ganz oder jedenfalls teilweise aus Leder besteht oder bei dem jedenfalls Leder der Ausgangsstoff ist. Entspricht dies nicht den Tatsachen, sei die Bezeichnung "Textilleder" irreführend.
Begründung des Gerichts:
Beim Verständnis der Werbeaussage ist zunächst einmal der Wortsinn maßgebend, wie er dem allgemeinen Sprachgebrauch entspricht (vgl. BGH GRUR 2003, 247 –Thermalbad). Der zweigliedrige Begriff "Textilleder" wird im allgemeinen Sprachgebrauch so verstanden, dass das Grundwort "Leder" durch den Zusatz ergänzt und dabei näher beschrieben wird. Dem entsprechenden Grundstoff "Leder" wird "Textil" zugesetzt oder das Leder wirkt wie "Textil". Der Verkehr geht nach dem Wortverständnis gerade nicht davon aus, dass der Bezug keinerlei Leder enthält. Er sieht darin kein "Leder aus Textil", weil es so etwas nach seiner Vorkenntnis nicht geben kann. Textil kann nicht die Eigenschaften des Naturstoffs "Leder" aufweisen. Insoweit unterscheidet sich der Begriff "Textilleder" auch von dem Begriff "Betonklinker" (vgl. BGH GRUR 1982, 563, 564). Mit dem Landgericht ist auch davon auszugehen, dass sich die Bezeichnung "Textilleder" jedenfalls bislang noch nicht so sehr als Synonym von Kunstleder durchgesetzt hat, dass ein erheblicher Teil der Verbraucher trotz dieser Wortbedeutung nicht mehr irregeführt werden kann. Im Duden taucht der Begriff "Textilleder" nicht auf, nur bei Wikipedia im Internet wird erwähnt, dass dieser Begriff "vermehrt" anstelle von Kunstleder gebraucht werde. Selbst wenn der Begriff von der Polstermöbelbranche seit 2006 tatsächlich mehr und mehr verwandt worden ist, heißt das aber lange noch nicht, dass den angesprochenen Verbrauchern damit auch im nötigen Umfang klar war und ist, was er bedeutet. Zunächst scheint er etwas anderes zu beschreiben als Kunstleder. Die Verbraucher, die ihn im Internet schon frühzeitig gebrauchten, sprachen deshalb auch von "Leder" (Bl.110, 111), nicht von Kunstleder. Gerade Leder ist auch ein Naturprodukt, das bestimmte Qualitätsvorstellungen bei den Verbrauchern erweckt.
Dagegen sei der Begriff "Kunstleder" nicht irreführend, da dem Kunstleder das Kunstprodukt auf der Stirn stehe:
Der Begriff "Kunstleder" weist ganz ausdrücklich darauf hin, dass es um etwas Künstliches geht, das aus Preisgründen oder der praktischen Pflege wegen ersatzweise wie Leder wirken oder aussehen soll.
Dieses leicht abwertende Verständnis vermeide gerade in unzulässiger Weise der Begriff "Textilleder":
Die in Bezug genommenen Textilien können sowohl aus Naturprodukten als auch aus Kunststoffen bestehen. Es bleibt offen, ob es sich um etwas Künstliches handelt. Gerade deshalb wird nicht allgemein deutlich, dass es sich auch dabei um Kunstleder handelt. Auch vom optischen Eindruck der entsprechenden Angebote ist das Textilleder vom echten Leder kaum zu unterscheiden, was auch gerade so gewollt ist. Die mit dem Naturstoff Leder verbundene Qualitätsvorstellung wird in gewisser Weise auf das Textilleder transportiert. Wird "Leder" in der Kombination mit "Textil" zur Beschreibung der Polstermöbel verwendet, mit dem der angesprochene Verbraucher ohnehin das Material Leder gedanklich in Verbindung bringen kann, liegt es für ihn nahe, dass in dem Bezug der Möbel jedenfalls Leder enthalten ist. Der Verbraucher mit einer solchen Vorstellung nimmt jedenfalls ohne ausdrücklichen Hinweis nicht an, dass es sich bei dem "Textilleder" nur um eine andere Art von Kunstleder handelt.
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