EuGH muss über die Pflicht zur Angabe einer Telefonnummer in der Widerrufsbelehrung entscheiden

EuGH muss über die Pflicht zur Angabe einer Telefonnummer in der Widerrufsbelehrung entscheiden
08.08.2019 | Lesezeit: 4 min

Erst kürzlich hatte der EuGH im Rahmen eines Vorabentscheidungsersuchens des BGH über die Frage entschieden, ob Online-Händler verpflichtet sind, auf Ihrer Website generell eine Telefonnummer zur Kontaktaufnahme durch Verbraucher vorzuhalten. Nunmehr muss sich der EuGH im Rahmen eines neuen Vorabentscheidungsersuchens des BGH (Beschl. v. 7.3.2019 – I ZR 169/17) auch mit der Frage auseinandersetzen, ob Online-Händler in der Widerrufsbelehrung eine Telefonnummer vorhalten müssen.

Sachverhalt

Im zugrunde liegenden Fall hatte ein Anbieter von Erotikartikeln einen Konkurrenten auf Unterlassung in Anspruch genommen, da dieser eine Widerrufsbelehrung verwendet hat, ohne darin eine Telefonnummer anzugeben. Im Impressum des Shops sowie im Footer der Startseite wurde jedoch eine Telefonnummer genannt. Hierin sahen sowohl das LG Arnsberg als auch das OLG Hamm einen Verstoß gegen die gesetzlichen Informationspflichten.

In seinem Beschluss vom 7.3.2019 schloss sich der BGH dieser Rechtsauffassung grundsätzlich an. Da es für eine abschließende Entscheidung aber maßgeblich auf die Auslegung der einschlägigen Vorschriften der Verbraucherrechterichtlinie 2011/83/EU ankommt, setzte der BGH das Verfahren aus und legte dem EuGH folgende Fragen zur Entscheidung vor:

1. Ist eine Telefonnummer im Sinne des Gestaltungshinweises zur Muster-Widerrufsbelehrung gemäß Anhang I Teil A der Richtlinie 2011/83/EU "verfügbar", wenn der Unternehmer die Telefonnummer im Rahmen des Impressums nennt oder auf der Startseite seines Internetauftritts klar und deutlich darstellt?

2. Ist eine Telefonnummer im Sinne des Gestaltungshinweises zur Muster-Widerrufsbelehrung gemäß Anhang I Teil A der Richtlinie 2011/83/EU "verfügbar", wenn der Unternehmer den Telefonanschluss zwar geschäftlich nutzt, aber nicht für den Abschluss von Fernabsatzverträgen verwendet und daher auch nicht zur Rückabwicklung von Fernabsatzverträgen in Form einer Entgegennahme von Widerrufserklärungen vorhält?

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Die gesetzliche Regelung

Nach Art. 246a § 1 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 EGBGB hat der Unternehmer den Verbraucher über die Bedingungen, die Fristen und das Verfahren für die Ausübung des Widerrufsrechts nach § 355 Absatz 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs sowie das Muster-Widerrufsformular zu informieren. Hieraus lässt sich aber noch keine unmittelbare Pflicht zur Angabe einer Telefonnummer in der Widerrufsbelehrung herleiten. Der Unternehmer kann diese Informationspflichten dadurch erfüllen, dass er das gesetzliche Muster für die Widerrufsbelehrung verwendet. Hierzu lautet der Gestaltungshinweis 2 des Musters:

"Fügen Sie Ihren Namen, Ihre Anschrift und, soweit verfügbar, Ihre Telefonnummer, Telefaxnummer und E-Mail-Adresse ein."

Allerdings ist der Unternehmer nicht verpflichtet, das gesetzliche Muster für die Widerrufsbelehrung zu verwenden. Somit ist eine gesetzliche Pflicht zur Angabe der Telefonnummer in der Widerrufsbelehrung nicht eindeutig erkennbar. Diese Rechtsunsicherheit zeigt sich auch in der bisher zu dieser Thematik in Deutschland ergangenen Rechtsprechung, die keineswegs einheitlich ist.

Einigkeit besteht in der Rechtsprechung jedenfalls darin, dass die Telefonnummer nur dann in der Widerrufsbelehrung zu nennen ist, wenn sie „verfügbar“ im Sinne des Gestaltungshinweises 2 des gesetzlichen Belehrungsmusters ist. Da dieser Begriff im Gesetz jedoch nicht definiert ist, hat der BGH dies nun zum Gegenstand seines Vorabentscheidungsersuchens gemacht, indem er dem EuGH die oben zitierten Fragen zur Entscheidung vorgelegt hat.

Rechtsauffassung des BGH

Nach Ansicht des BGH sind die beiden oben zitierten Fragen zu bejahen. Dies begründet der BGH auszugsweise wie folgt:

„Ein Unternehmer, der eine Telefonnummer im Rahmen des Impressums nennt oder auf der Startseite seines Internetauftritts klar und deutlich darstellt, erweckt damit gegenüber dem Verbraucher den Anschein, dieser könne über diese Telefonnummer mit ihm Kontakt aufnehmen und gegenüber ihm Erklärungen abgeben.

Stellt ein solcher Unternehmer nicht durch einen entsprechenden Hinweis klar, dass diese Telefonnummer nicht für die Entgegennahme von Widerrufserklärungen bestimmt ist, muss er sich an dem von ihm erweckten Eindruck festhalten lassen, die Telefonnummer könne auch zur Abgabe von Widerrufserklärungen verwendet werden. Eine solche Telefonnummer ist dann im Sinne des Gestaltungshinweises zur Muster-Widerrufsbelehrung gem. Anh. I Teil A der RL 2011/83/EU „verfügbar“ und muss an der dafür vorgesehenen Stelle der Muster-Widerrufsbelehrung eingefügt werden.“

Und weiter:

"Eine Telefonnummer ist im Sinne des Gestaltungshinweises zur Muster-Widerrufsbelehrung gemäß Anhang I Teil A der Richtlinie 2011/83/EU „verfügbar“, wenn der Unternehmer diese Telefonnummer geschäftlich nutzt. Der Umstand, dass der Unternehmer eine geschäftlich genutzte Telefonnummer nicht für den Abschluss von Fernabsatzverträgen verwendet, rechtfertigt es nicht, dass dieser Unternehmer die Telefonnummer nicht für die Entgegennahme von Widerrufsbelehrungen bereithält."

Fazit

Gerade vor dem Hintergrund seiner eher unternehmerfreundlichen Rechtsprechung aus der kürzlich ergangenen „Rückrufsystem“-Entscheidung darf man gespannt sein, ob sich der EuGH der strengen Auslegung des BGH anschließen wird. Bis zur endgültigen Klärung durch den EuGH sollten Online-Händler nach dem Grundsatz des sichersten Weges eine Telefonnummer in der Widerrufsbelehrung angeben. Dies gilt umso mehr, wenn im Impressum oder an anderer Stelle im Online-Shop eine Telefonnummer genannt wird.

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