Sind Teillieferungs- und Vorkasseklauseln in AGB sowie die Werbung mit Selbstverständlichkeiten wettbewerbswidrig?
Einen sehr interessanten Beschluss hat das OLG Hamburg (Beschluss vom 13.11.20065 W 162/06 Ende letzten Jahres erlassen. Dabei ging es insbesondere um die Frage der Abmahnfähigkeit mehrerer AGB-Klauseln, die sich immer wieder in typischen Onlineshop-AGB befinden - wie etwa die Klauseln:
I. Abmahnfähigkeit von AGB-Bestimmungen
Es geht um die Abmahnfähigkeit der folgenden AGB-Bestimmungen:
- "Teillieferungen sind zulässig."
- "Der Versand der Ware erfolgt gegen Vorausüberweisung.”
- "Für Gebrauchtware gilt eine Gewährleistungsfrist von 1 Jahr. Sollten innerhalb dieses Zeitraums Funktionsstörungen auftreten, so erfolgt eine Ersatzlieferung oder eine Erstattung des Kaufpreises nur dann, wenn eine Reparatur nicht möglich oder wirtschaftlich nicht sinnvoll ist."
- "www.XXX.de” räumt Ihnen eine 14-Tage-Geld-Zurück-Garantie ein, d.h. Sie können alle bei "www.XXX.de” erworbene Artikel ohne Angabe von Gründen innerhalb von 14 Tagen nach Erhalt durch Rücksendung der Ware zurückgeben. Die Frist beginnt frühestens mit Erhalt der Ware und dieser Belehrung. Zur Wahrung der Frist genügt die rechtzeitige Absendung der Ware an "www.XXX.de”. Kosten und Gefahr der Rücksendung trägt "www.XXX.de", sofern kein Hinweis auf die gesetzlichen Rechte des Verbrauchers sowie darauf erfolgt, dass diese durch die Garantie nicht eingeschränkt werden.”
II. Die Klauseln im Einzelnen
1. Prüfung der ersten AGB-Klausel: "Teillieferungen sind zulässig."
Fragestellung
Ist diese Klausel abmahnsicher? Vertreten wird hier mitunter, dass diese Klausel bereits deshalb abmahnfähig sei, weil § 266 BGB ausdrücklich (!) dem Verkäufer die Berechtigung zur Teilleistung abspreche. Damit wolle der Gesetzgeber ja gerade verhindern, dass der Käufer durch mehrfache Leistungen belästigt werde.
OLG Hamburg
Das OLG Hamburg stellt zunächst einmal fest, dass eine uneingeschränkte Teillieferungsklausel in AGB tatsächlich rechtlich bedenklich erscheint. Dies zeigt das folgende
Beispiel
Käufer bestellt die Ware X. Aufgrund seiner AGB fühlt sich der Verkäufer zu Teillieferungen berechtigt und liefert daraufhin die ersten 3 (von 5) Teilen der Ware. Daraufhin kommt der Verkäufer in Verzug, liefert also die restlichen 2 Teile nicht mehr. Der Käufer hätte nun aufgrund der Klausel „Teillieferungen sind zulässig” möglicherweise Schwierigkeiten, aufgrund der fehlenden Teilleistung vom ganzen Vertrag zurückzutreten bzw. Schadensersatz wegen Nichterfüllung des ganzen Vertrages zu verlangen.
Dementsprechend hat auch bereits das OLG Stuttgart entschieden, dass eine solche Teillieferungsklausel gegen § 307 Abs. 1 S. 1 BGB verstößt (abgedruckt in der NJW-RR 95, 116). Das OLG Hamburg lässt die Frage dagegen offen und argumentiert, dass es hinsichtlich der möglichen Wettbewerbswidrigkeit einer solchen Klausel nicht darauf ankommen könne, ob diese gegen die gesetzlichen AGB-Vorschriften verstoße oder nicht. Denn selbst wenn die Teillieferungsklausel unwirksam i.S.d. § 307 I S. 1 BGB wäre, läge in ihrer Verwendung noch kein Wettbewerbsverstoß i.S.d. UWG. Das UWG sei schlicht nicht tangiert, was sich wiederum aus Folgendem ergebe:
- Ausnutzung der geschäftlichen Unerfahrenheit i.S.d. § 4 Nr. 2 UWG? Nein, dies wäre nur für den Fall anzunehmen, dass die Unwirksamkeit der fraglichen Klausel gezielt eingesetzt würde, um den Abschluss eines Vertrages zu erreichen (wobei übrigens bedingter Vorsatz genügen würde). Diese Annahme sei jedoch bei einer Klausel, die die Rechtsstellung des Kunden ersichtlich nicht verbessert, sondern verschlechtert, fernliegend.
- Zuwiderhandlung einer Vorschrift, die auch dazu bestimmt ist, im Interesse der Marktteilnehmer das Marktverhalten zu regeln (vgl. § 4 Nr. 11 UWG) ? Nein, das OLG Hamburg argumentiert, dass allenfalls die Verwendung solcher allgemeiner Geschäftsbedingungen Gegenstand eines Verbots nach § 4 Nr. 11 UWG sein könne, deren Verwendung sich im Markt, d.h. bei der Nachfrageentscheidung des Verbrauchers im Vorfeld des Vertragsschlusses auswirke.
Beispiel: Beispiel für eine solche Verbraucherschutzvorschrift, die eine Regelung des Marktverhaltens enthält, ist die Belehrungspflicht des Verkäufers im Fernabsatz nach § 312c Abs. 1 BGB i.V.m. Art. 1 Abs. 1 BGB-InfoV, welche rechtzeitig vor Abgabe der Vertragserklärung des Käufers zu erfolgen hat.
Nach Ansicht des OLG Hamburg handle es sich bei der vorliegend zu beurteilenden Teillieferungsklausel hingegen um eine solche, die erst nach Vertragsschluss bei der Abwicklung des Vertrages zum Tragen käme und deren etwaige Unzulässigkeit sich aus der Einschränkung der Rechte des Kunden bei Leistungsstörungen ergebe. Selbst wenn diese Klausel also gegen § 307 Abs.1, 2 BGB i.V.m. § 266 BGB verstoßen sollte, würde es sich bei diesem gesetzlichen Verbot daher nicht um ein solches handeln, das auch dazu bestimmt sei, im Interesse der Marktteilnehmer das Marktverhalten zu regeln.
- Irreführende Werbung nach § 5 Abs.1, 2 Nr. 2 UWG? Nein, dies könne laut OLG Hamburg nur bei einer Äußerung angenommen werden, die das Ziel verfolge, den Absatz von Waren oder die Erbringung von Dienstleistungen zu fördern. Dass dieses Ziel mit der vorliegenden Teillieferungsklausel verfolgt werde, welche sich auf die Durchführung eines bereits abgeschlossenen Vertrages beziehe, dürfe kaum anzunehmen sein. Mindestens werde es an der erforderlichen Relevanz für die Kaufentscheidung fehlen.
Fazit
Das OLG Hamburg lässt offen, ob in AGB enthaltene Teillieferungsklauseln ein Verstoß gegen das „AGB-Recht” darstellen oder auch nicht. Darauf käme es auch gar nicht an, da selbst bei der Annahme eines solchen Verstoßes das UWG (und damit die Möglichkeit der wettbewerbsrechtlichen Abmahnung) nicht tangiert sei.
Stellungnahme der IT-Recht Kanzlei
Der Begründung des OLG Hamburg ist nicht zwingend zu folgen. Insbesondere ist unklar, wieso es sich bei der zu beurteilenden Teillieferungsklausel um eine solche handeln soll, die erst nach Vertragsschluss bei der Abwicklung des Vertrages zum Tragen komme. Immerhin interessiert es den Käufer doch bereits bei (!) Vertragsschluss, ob und inwieweit seine späteren Mängelansprüche beschnitten werden. Die Begründung des Senats erscheint an dieser Stelle ein wenig „konstruiert” und es ist durchaus möglich, dass andere Gerichte zu einer gegenteiligen Entscheidung kommen könnten – nämlich, dass eine in AGB enthaltene Teillieferungsklausel durchaus abmahnfähig ist. Wir raten daher schon aus diesem Grund, auf entsprechende Klauseln in Onlineshop-AGB zu verzichten oder zumindest für den Fall der Anwendung eine entsprechende Anpassung der Haftungsklauseln vorzunehmen.
2. Prüfung der zweiten AGB-Klausel: "Der Versand der Ware erfolgt gegen Vorausüberweisung.”
Fragestellung
Ist diese Klausel abmahnsicher? Mancherorts wird dies mit der Begründung bestritten, dass diese Klausel dem Leitbild des § 320 BGB widerspreche – immerhin sehe diese Klausel den Leistungsaustausch Zug-um-Zug vor. Die pauschale, in AGB enthaltene Vorleistungspflicht des Kunden (als Verbraucher) könne diesen wieder i.S.d. § 307 I BGB „unangemessen benachteiligen”. So sah es, Gerüchten zufolge, im Jahr 2004 wohl auch die Wettbewerbszentrale, die mit der Argumentation anscheinend auch einige E-Commerce-Betreiber abmahnte.
OLG Hamburg
Das OLG Hamburg ist dagegen der Ansicht, dass ein Verstoß gegen die §§ 307 Abs. 1, 2 Nr. 1 i.V.m. 320 BGB nicht angenommen werden könne. So seien nach ständiger Rechtsprechung des BGH Vorleistungsklauseln in AGB zulässig, wenn für sie ein sachlicher Grund besteht und keine überwiegenden Belange des Kunden entgegenstehen. Dies sei bei Fernabsatzgeschäften über eBay der Fall. Da hierbei Zug-um-Zug-Leistungen nicht möglich seien, stellte sich nur noch die Frage, welche Seite mit der Vorleistungspflicht belastet wird. Das Gericht schlägt sich hierbei auf die Seite der Unternehmer: „Der Gefahr einer Nichtlieferung trotz Bezahlung ist der Käufer ebenso ausgesetzt wie der Verkäufer der Gefahr der Nichtbezahlung trotz Lieferung. Die Möglichkeit betrügerischen Handelns ist auf Seiten des Käufers nicht geringer. Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass der Verkäufer durch die Beschaffung, Verpackung und den Versand der Ware einen höheren Aufwand hat als der Kunde mit der Bezahlung. Gegen die Verwendung dieser auch transparenten Klausel hat der Senat daher ebenfalls keine Bedenken.”
Stellungnahme der IT-Recht Kanzlei
Der Ansicht des OLG Hamburg ist insoweit zuzustimmen. Es geht hierbei letztlich um die Abwägung, welche Interessen höher zu bewerten sind: Etwa die der Verkäufer, die ein schützenswertes Interesse daran haben, eigene erhebliche Aufwendungen vor Beginn der vertraglichen Leistungen abzusichern? Oder die der Käufer, die ein Druckmittel zur Bewirkung der Leistung und ein Sicherungsmittel bei Schlechtleistung in der Hand haben wollen. Angesichts dessen, dass der Verbraucherschutz in den letzten Jahren immer weiter um sich gegriffen hat (so mancher spricht schon von dem deutschem „Verbraucherschutzregime”) ist es angemessen, zumindest in dieser Frage einmal zugunsten der Unternehmer zu entscheiden. Gerade auch bei eBay-Geschäften ist es seit jeher üblich, dass Käufer bezüglich der Zahlung in Vorleistung treten müssen. Schon vor diesem Hintergrund kann eine entsprechende Klausel den Verbraucher auch nicht „überraschen” und stellt insoweit auch keinen Verstoß gegen § 305c BGB dar. Auch dem denkbaren Argument der „unangemessenen Benachteiligung” i.S.d. § 307 BGB hat das OLG Hamburg überzeugend den Wind aus den Segeln genommen.
3. Prüfung der dritten AGB-Klausel: "Für Gebrauchtware gilt eine Gewährleistungsfrist von 1 Jahr. Sollten innerhalb dieses Zeitraums Funktionsstörungen auftreten, so erfolgt eine Ersatzlieferung oder eine Erstattung des Kaufpreises nur dann, wenn eine Reparatur nicht möglich oder wirtschaftlich nicht sinnvoll ist."
Fragestellung
Ist diese Klausel abmahnsicher? Dies könnte problematisch sein, weil der Käufer bei Mängeln der Kaufsache von vornherein auf eine Reparatur verwiesen wird und eine Ersatzlieferung oder Erstattung des Kaufpreises nur erfolge, wenn die Reparatur wirtschaftlich nicht sinnvoll sei. Dies stellt wiederum eine Einschränkung des Wahlrechts nach § 439 Abs. 1, 3 BGB dar, wonach es eigentlich von vornherein dem Käufer zufällt zu entscheiden, ob er als Nacherfüllung nach seiner Wahl die Beseitigung des Mangels oder die Lieferung einer mangelfreien Sache verlangen möchte. Zudem weicht der Wortlaut der vierten AGB-Klausel insoweit von den gesetzlichen Bestimmungen ab, als von einer „wirtschaftlichen Sinnhaftigkeit” und eben nicht von den „unverhältnismäßigen Kosten” im Sinne des § 439 III BGB gesprochen wird. Diese beiden Begriffe sind jedoch nicht gleichzusetzen, so dass man auch hier von einer unangemessenen Benachteiligung i.S.d. § 307 Abs. 1 BGB sprechen könnte.
OLG Hamburg
Das Gericht verschließt sich den oben aufgeführten Argumenten nicht, sondern argumentiert hier letztlich wie bei der (oben besprochenen) weiten Teillieferungsklausel. Ergo gelte auch hier: Selbst wenn die Klausel unwirksam sein sollte, wäre ihre Verwendung nicht zugleich wettbewerbswidrig. Auch hierbei handele es sich um ein gesetzliches Verbot, welches nicht dazu bestimmt ist, das Verhalten am Markt zu regeln, sondern um eine Schutzvorschrift zugunsten des Verbrauchers bei der Abwicklung eines Verbrauchsgüterkaufs im Falle der Mangelhaftigkeit der Kaufsache.
Stellungnahme der IT-Recht Kanzlei
Auch wir machen es uns an dieser Stelle leicht und verweisen bezüglich unserer Kritik auf die obige Stellungnahme zur ersten AGB-Klausel. ;)
4. Prüfung der vierten AGB-Klausel: "www.XXX.de” räumt Ihnen eine 14-Tage-Geld-Zurück-Garantie ein, d.h. Sie können alle bei "www.XXX.de” erworbene Artikel ohne Angabe von Gründen innerhalb von 14 Tagen nach Erhalt durch Rücksendung der Ware zurückgeben. Die Frist beginnt frühestens mit Erhalt der Ware und dieser Belehrung. Zur Wahrung der Frist genügt die rechtzeitige Absendung der Ware an "www.XXX.de”. Kosten und Gefahr der Rücksendung trägt "www.XXX.de", sofern kein Hinweis auf die gesetzlichen Rechte des Verbrauchers sowie darauf erfolgt, dass diese durch die Garantie nicht eingeschränkt werden.”
Fragestellung
Ist diese Klausel abmahnsicher? Dies könnte problematisch sein, wenn es sich bei der fraglichen Klausel um eine Garantieerklärung handelt. Für solche Erklärungen ist jedoch im Rahmen von B2C-Geschäften zwingend der § 477 BGB zu beachten, wonach eine Garantieerklärung die folgenden Inhalte aufweisen muss:
- den Hinweis auf die gesetzlichen Rechte des Verbrauchers sowie darauf, dass sie durch die Garantie nicht eingeschränkt werden, und
- den Inhalt der Garantie und alle wesentlichen Angaben, die für die Geltendmachung der Garantie erforderlich sind, insbesondere die Dauer und den räumlichen Geltungsbereich des Garantieschutzes sowie Namen und Anschrift des Garantiegebers.
Die oben zitierte Klausel könnte auch noch vor dem Hintergrund ein Abmahnrisiko darstellen, dass ja immerhin in irreführender Weise mit einer Selbstverständlichkeit geworben wird, nämlich dem gesetzlichen Widerrufs- und Rückgaberecht nach § 312d BGB.
OLG Hamburg
Nach Ansicht des OLG Hamburgs ist diese Klausel nicht abmahnfähig und zwar aus den folgenden Gründen:
- Es handle sich bei besagter Klausel schon ihrem Inhalt nach nicht um eine Garantie im Sinne des § 443 BGB, denn es werde keine Gewähr für die Beschaffenheit der Artikel übernommen. Vielmehr werde ein von ihrer Beschaffenheit völlig unabhängiges 14-tägiges Rückgaberecht eingeräumt. Damit sei § 477 Abs. 1 Nr. 1 BGB schon gar nicht anwendbar.
- Die Klausel sei auch nicht unter dem Gesichtspunkt der Irreführung wegen einer Werbung mit Selbstverständlichkeiten wettbewerbswidrig. Selbst wenn sie als Werbung im Sinne des § 5 UWG aufzufassen sein sollte, sei der werbliche Effekt dieser nicht besonders hervorgehobenen AGB-Klausel auf einer untergeordneten Seite der Homepage als so gering anzusehen, dass die Bagatellgrenze des § 3 UWG nicht überschritten werde.
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