Tatsachen und Meinungen – Sind die Äußerungen rechtens?
Das Äußerungsrecht ist eine von vielen kaum beachtete Rechtsmaterie. Dabei spielt es in der Werbung – zumindest im Hintergrund – eine nicht unbedeutende Rolle. Wenn jemand etwas sagt, so ist es in der Welt und kann rechtlich bewertet werden. Wahres darf grundsätzlich gesagt, Unwahres muss im Grundsatz verschwiegen werden. Die Meinung darf man aber sagen! Oder doch nicht? Lesen dazu jetzt mehr im 15. Teil der Serie der IT-Recht Kanzlei über die rechtlichen Aspekte der Werbung im Internet.
Inhaltsverzeichnis
- Werbung – Verbreitung von Tatsachen oder Meinungen?
- Relevanz der Abgrenzung von Tatsachen und Meinungen
- Was sind Tatsachen?
- Was sind Meinungen?
- Beispiele für Tatsachenbehauptungen und Meinungsäußerungen
- Wann sind Tatsachenbehauptungen zulässig?
- Wann sind Meinungsäußerungen zulässig?
- Anspruch auf Unterlassung
- Beispiele
- Fazit
Das Äußerungsrecht ist eine von vielen kaum beachtete Rechtsmaterie. Dabei spielt es in der Werbung – zumindest im Hintergrund – eine nicht unbedeutende Rolle. Wenn jemand etwas sagt, so ist es in der Welt und kann rechtlich bewertet werden. Wahres darf grundsätzlich gesagt, Unwahres muss im Grundsatz verschwiegen werden. Die Meinung darf man aber sagen! Oder doch nicht? Lesen dazu jetzt mehr im 16. Teil der Serie der IT-Recht Kanzlei über die rechtlichen Aspekte der Werbung im Internet.
Werbung – Verbreitung von Tatsachen oder Meinungen?
Wer Äußerungen tätigt, muss auch zu ihnen stehen und mit daraus resultierenden Konsequenzen leben. Wenn sich Blogger in ihren Blogs, Verkäufer in ihren Online-Shops oder Werbetreibende in Bannern auf Internetseiten oder sonstigen Werbeanzeigen äußern, so hat das rechtliche Relevanz. Denn Unwahrheiten dürfen nicht verbreitet werden und auch Meinungsäußerungen sind nicht grenzenlos möglich. Wer dennoch rechtswidrige Äußerungen, etwa in Bezug auf ein bestimmtes Unternehmen oder einen Unternehmer, von sich gibt, muss damit rechnen, dass er in Anspruch genommen wird. Denkbar sind vor allem Unterlassungsansprüche aus § 1004 Absatz 1 in Verbindung mit § 823 Absatz 1 BGB. Diese sollen im folgenden Beitrag genauer beleuchtet werden, Ansprüche aus dem UWG bleiben dabei in diesem Artikel außer Betracht.
Relevanz der Abgrenzung von Tatsachen und Meinungen
Jede Äußerung, die in der Welt ist, hat rechtliche Relevanz. Es ist gleichgültig, ob es um einen Zeitungsartikel oder eine Werbeanzeige, um einen Werbespot im TV, einen Blog im Internet oder etwas anderes geht – jede Äußerung ist rechtlich überprüfbar.
Handelt es sich dabei um eine Meinungsäußerung, so genießt sie verfassungsrechtlichen Schutz nach Artikel 5 Absatz 1 des Grundgesetzes (GG). Handelt es sich dagegen um eine Tatsachenbehauptung, so besteht kein grundgesetzlicher Schutz. Dann kommt es allein darauf an, ob die Tatsachenbehauptung wahr oder unwahr ist. Somit ist für die rechtliche Bewertung einer Äußerung entscheidend, ob es sich um eine Meinungsäußerung oder eine Tatsachenbehauptung handelt. Man muss also zunächst stets klären, ob eine fragliche Äußerung eine Tatsachenbehauptung oder eine Meinungsäußerung ist.
Was sind Tatsachen?
Tatsachen sind innere oder äußere Vorgänge und Zustände, die in der Gegenwart oder der Vergangenheit liegen und dem Beweis zugänglich sind.
Auffällig an dieser Begriffsdefinition ist, dass von dem Begriff nur solche Vorgänge umfasst sind, die in der Vergangenheit oder Gegenwart liegen, nicht solche, die zukünftig sind. Wichtig ist, dass der Vorgang, um den es geht, nachweisbar bzw. überprüfbar ist („und dem Beweis zugänglich“). Damit lassen sich viele Tatsachenäußerungen von Meinungsäußerungen abgrenzen, denn nur (zumindest theoretisch) Nachprüfbares kann eine Tatsache sein.
Was sind Meinungen?
Meinungen sind Äußerungen im Rahmen einer geistigen Auseinandersetzung, die Elemente der Stellungnahme und des Dafürhaltens enthalten. Darunter fallen vor allem Werturteile, d.h. Äußerungen, die dem Beweis nicht zugänglich sind.
Als Meinungen werden auch aufgefasst Vermengungen von Meinungen und Tatsachen, wenn insbesondere die Tatsachen die Grundlage für die Meinungsäußerung bilden.
Immer dann, wenn jemand ein Werturteil abgibt, indem er etwas bewertet – etwa das Produkt eines Konkurrenten, so handelt es sich dabei um dessen Meinung.
Beispiele für Tatsachenbehauptungen und Meinungsäußerungen
„Heute haben wir Vollmond.“
Das ist eine Tatsachenbehauptung. Denn man kann nachweisen (etwa durch nachschauen), dass tatsächlich Vollmond ist.
„Heute ist ein schöner Tag.“
Das ist eine Meinungsäußerung. Denn es kann nicht überprüft werden, ob diese Äußerung zutrifft. Jeder Mensch versteht unter einem schönen Tag etwas anderes; es handelt sich dabei somit um eine Wertung.
„Das Netbook xyz der Marke ABC hat eine Akku-Laufzeit von maximal 6 Stunden.“
Hierbei handelt es sich um eine Tatsachenbehauptung. Es kann nachgewiesen werden, dass bzw. ob diese Äußerung wahr oder unwahr ist, indem man die Akku-Laufzeit misst.
„Das Netbook xyz der Marke ABC taugt nix, denn der Akku ist viel zu schnell leer.“
Das ist eine Meinungsäußerung. Denn ein Nachweis kann hier nicht geführt werden. Vielmehr wird ein Werturteil abgegeben, d.h. es sind die Elemente der Stellungnahme und des Dafürhaltens enthalten.
Wann sind Tatsachenbehauptungen zulässig?
Wenn einmal feststeht, dass es sich bei einer Äußerung um eine Tatsachenbehauptung handelt, so ist die rechtliche Bewertung einfach. Ist die Tatsachenbehauptung wahr, so ist sie in der Regel zulässig, ist sie unwahr, so ist sie unzulässig.
Allerdings kann die Äußerung einer wahren Tatsache unter Umständen auch unzulässig sein, vor allem dann, wenn sie in das Persönlichkeitsrecht einer anderen Person eingreift. Dies kann etwa dann der Fall sein, wenn mit der wahren Tatsachenbehauptung in die Intimsphäre einer Person eingegriffen wird, wenn also Intimstes preisgegeben wird.
Wann sind Meinungsäußerungen zulässig?
Wichtig ist hier Artikel 5 Absatz 1 des Grundgesetzes (GG):
„Jeder hat das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten und sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten. Die Pressefreiheit und die Freiheit der Berichterstattung durch Rundfunk und Film werden gewährleistet. Eine Zensur findet nicht statt.“
Aus Artikel 5 Absatz 2 GG ergibt sich jedoch, dass die Freiheit der Meinungsäußerung nicht unbeschränkt gilt:
„Diese Rechte finden ihre Schranken in den Vorschriften der allgemeinen Gesetze, den gesetzlichen Bestimmungen zum Schutze der Jugend und in dem Recht der persönlichen Ehre.“
Dies bedeutet, dass im Grundsatz jeder Mensch frei ist, seine Meinung frei zu äußern oder für sich zu behalten: Jeder darf, aber keiner muss. Die Grenzen der Meinungsfreiheit sind dort zu ziehen, wo sog. „allgemeine Gesetze“, der Jugendschutz oder das Recht der persönlichen Ehre entgegentreten. Von größter Bedeutung sind hier die allgemeinen Gesetze und diesem Zusammenhang vor allem andere Verfassungsgüter, d.h. Verfassungsrechte sowie die §§ 1004 Absatz 1, 823 Absatz 1 BGB.
Das Recht der persönlichen Ehre wird insbesondere von den Straftatbeständen der §§ 185 ff. StGB, also der Beleidigung, umfasst.
Nicht jedes Gesetz kann die Meinungsfreiheit einschränken, sondern nur sog. „allgemeine“ Gesetze. Allgemein in diesem Sinne ist ein Gesetz nur dann, wenn es sich nicht unmittelbar gegen die spezielle Meinung als solche oder die Meinungsäußerung insgesamt richtet, sondern „auch“ und mehr oder weniger „nebenbei“ eine Grenze für die Meinungsäußerung darstellt. Die §§ 1004 Absatz 1, 823 Absatz 1 BGB sind anerkanntermaßen solche allgemeinen Gesetze.
Anspruch auf Unterlassung
Nach § 1004 Absatz 1 in Verbindung mit § 823 Absatz 1 BGB kann jemand, der von einer Meinungsäußerung oder Tatsachenbehauptung eines anderen in rechtswidriger Weise betroffen ist, Unterlassung der Äußerung beanspruchen.
Dazu müsste die Tatsachenbehauptung oder Meinungsäußerung in ein sog. absolutes Recht im Sinne der §§ 1004 Absatz 1, 823 Absatz 1 BGB eingreifen. In § 823 Absatz 1 BGB werden als absolute Rechte das Eigentum, die Freiheit und sonstige Rechte geschützt. Sonstige Rechte sind im Zusammenhang mit Äußerungen vor allem das allgemeine Persönlichkeitsrecht, das Unternehmenspersönlichkeitsrecht und das sog. Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb. Dieses letztgenannte Recht schützt Unternehmen gegen Handlungen und Schäden, die dadurch entstehen, dass von außen unternehmensbezogen auf den Betrieb bzw. das Unternehmen eingewirkt wird.
Ob nun ein solcher Anspruch besteht, muss stets im Rahmen einer Abwägung ermittelt werden, bei der die widerstreitenden Interessen zu berücksichtigen sind. Dabei sind die Meinungsäußerungsfreiheit aus Artikel 5 Absatz 1 GG auf der Seite des sich Äußernden und das Persönlichkeitsrecht bzw. das Unternehmenspersönlichkeitsrecht und das Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb auf der Seite des betroffenen Unternehmens/Verkäufers zu beachten.
Grundsätzlich hat dabei die Meinungsäußerungsfreiheit einen Vorrang, denn unser Staat gründet insbesondere darauf, dass ein jeder seine Meinung frei äußern darf. Das gilt auch im Rahmen von kommerziellen Äußerungen, d.h. in der Werbung. Allerdings endet die Meinungsäußerungsfreiheit dort, wo Schmähkritik geübt oder eine Prangerwirkung erzielt wird. Schmähkritik ist dadurch gekennzeichnet, dass mit ihr keine sachliche Auseinandersetzung mehr angestrebt wird, sondern die Diffamierung des Betroffenen im Vordergrund steht, der jenseits polemischer oder überspitzter Kritik herabgesetzt und an den Pranger gestellt werden soll.
Beispiele
Hier ein paar Beispiele zum Äußerungsrecht:
Die erbitterten Konkurrenten Max und Moritz verkaufen beide Fernseher über ihre jeweiligen Online-Shops im Internet. Max schreibt auf seiner Internetseite über Moritz: „Moritz hatte letztes Jahr nur etwa 200 Kunden. Ich habe über 1000 Kunden gehabt.“ Tatsächlich hat Moritz auch über 1000 Kunden gehabt.
Hier könnte Moritz gegen Max nach §§ 1004 Absatz1, 823 Absatz 1 BGB vorgehen und verlangen, dass dieser die Bemerkung auf seiner Internetseite beseitigt und es zukünftig unterlässt, diese Bemerkung zu tätigen. Bei der Formulierung „Moritz hatte letztes Jahr nur 200 Kunden“ handelt es sich um eine Tatsachenbehauptung, die unwahr ist, weil Moritz tatsächlich mehr als 1000 Kunden hatte. Durch die unwahre Tatsachenbehauptung wird Moritz in seinem Unternehmenspersönlichkeitsrecht verletzt, so dass er einen Anspruch auf Unterlassung der Bemerkung hat.
Wieder geht es um Max und Moritz. Diesmal schreibt Moritz über Max auf seiner Internetseite: „Max berät seine Kunden schlecht und zockt sie alle ab, kaufen Sie daher lieber bei mir.“
Diesmal handelt es sich nicht um einen Tatsachenbehauptung, sondern um eine Meinungsäußerung, denn ob Max seine Kunden schlecht berät und diese „abzockt“ lässt sich nicht nachweisen. Das ist vielmehr ein Werturteil, als eine Beurteilung seitens des Moritz über den Max, das die Elemente des Dafürhaltens und der Stellungnahme enthält. Diese Meinungsäußerung wird von Artikel 5 Absatz 1 GG geschützt. Allerdings findet die Meinungsäußerungsfreiheit ihre Grenze in den allgemeinen Gesetzen (vgl. Artikel 5 Absatz 2 GG), darunter u.a. §§ 1004 Absatz 1 BGB in Verbindung mit § 823 Absatz 1 BGB. In der dabei gebotenen Abwägung ergibt sich wohl, dass das Unternehmenspersönlichkeitsrecht noch nicht verletzt ist, da es sich (wohl) noch nicht um Schmähkritik handelt. Immerhin geht es (zumindest auch noch) um einen Auseinandersetzung in der Sache: nämlich um den Verkauf von Fernsehern, bei dem Max nach Meinung des Moritz keine gute Arbeit leistet.
Möglicherweise ist die Äußerung jedoch nach den Regelungen des UWG (auch das UWG ist ein allgemeines Gesetz in Sinne des Artikel 5 Absatz 2 GG) zu beanstanden. Diese Beurteilung soll hier jedoch vollkommen außer Betracht bleiben.
Fazit
Das Äußerungsrecht ist eine komplizierte Materie, die von einigen wichtigen Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts geprägt ist. Sie lässt sich nur recht schwierig in knappen Worten darstellen. Daher dient das oben Gesagte mehr als Einführung denn als umfassende Darstellung des Rechtsgebiets.
Als Faustformel lässt sich sagen, dass wahre Tatsachenbehauptungen grundsätzlich zulässig sind, während unwahre grundsätzlich unzulässig sind. Bei Meinungsäußerungen geht es stets um die Frage, ob im Rahmen einer Abwägung das Recht auf Meinungsäußerung aus Artikel 5 GG (das auch für Werbung gilt) oder ein entgegen stehendes Recht wie etwa das allgemeine Persönlichkeitsrecht, das Unternehmenspersönlichkeitsrecht oder das Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb entgegensteht. Im Grundsatz geht dabei jedoch die Meinungsäußerungsfreiheit vor.
Den 16. Teil der Serie der IT-Recht Kanzlei zu den rechtlichen Aspekten der Werbung im Internet können Sie an dieser Stelle am 4.6.2010 lesen!
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