LAG München: Urteil gegen Neugier am IT-Arbeitsplatz
Curiosity killed his contract: weil ein Systemadministrator einen etwas zu tiefen Blick in die Mailbox der Geschäftsführung warf, wurde ihm sein Arbeitsvertrag fristlos gekündigt. Er ging gerichtlich dagegen vor – und unterlag in zwei Instanzen.
Inhaltsverzeichnis
Was war geschehen?
Ein Systemadministrator kassierte zunächst eine Abmahnung, weil er unerlaubt Einsicht in Dateien im Laufwerk „p:\Personal“ vorgenommen hatte. Später präsentierte er einem der Geschäftsführer seines Unternehmens eine E-Mail, die der andere Geschäftsführer an ein anderes Unternehmen geschickt hatte – vorgeblich, weil er diese Mail mit mutmaßlich kompromittierendem Inhalt zufällig entdeckt habe und nun illoyale Machenschaften dieses Geschäftsführers aufdecken wolle.
Allerdings kassierte er dafür gleich die nächste Abmahnung, und noch eine fristlose Kündigung obendrauf. Gegen beides zog er vor das Arbeitsgericht München, konnte jedoch auch dort in mehreren Anläufen nicht schlüssig erklären, weshalb er auf den Postausgangs-Ordner des Geschäftsführers zugegriffen habe.
Urteil des Arbeitsgerichts München
Der Richter des Arbeitsgerichts München zog daraus die entsprechenden Konsequenzen und gab dem Arbeitgeber recht. Zur Begründung führte er aus,/„der Kläger habe in schwerwiegender Weise gegen seine vertraglichen Pflichten verstoßen, da er unter Missbrauch der ihm übertragenen Befugnisse und technischen Möglichkeiten auf interne Korrespondenz seines Geschäftsführers […] zugegriffen habe. Nach herrschender Auffassung rechtfertige der Missbrauch von Zugriffsrechten durch Systemadministratoren regelmäßig eine fristlose Kündigung ohne vorherige Abmahnung. […] Auf die Motivation des Klägers könne es nicht ankommen. Die Beklagte habe sich darauf verlassen können müssen, dass ihr Systemadministrator auch in Ausnahmesituationen seine Zugriffsrechte nicht missbrauche und nach Material suche, das andere Arbeitnehmer oder gar die Geschäftsführer belaste.“/
Zusätzlich, so das Gericht, habe der klagende Systemadministrator nicht den Eindruck hinterlassen, als halte er es mit dem Datenschutz so ganz genau: „Auch im Rahmen der vorzunehmenden Interessenabwägung habe eine Entscheidung zu Gunsten des Klägers nicht fallen können. Vielmehr habe der Kläger im Lauf des Verfahrens durch sein beständiges Leugnen des Vorfalls und seine Vertuschungsversuche eindrucksvoll bewiesen, dass ihm seine besondere Vertrauensstellung nicht bewusst gewesen sei.“
Berufungsurteil des Landesarbeitsgerichts München
Auch die Berufung vor dem Landesarbeitsgericht München blieb erfolglos. Hier stellten die Richter lediglich fest (Urteil vom 08.07.2009, Az. 11 Sa 54/09): „Das Arbeitsgericht hat zu Recht und mit zutreffender Begründung die Klage abgewiesen. […] Das Berufungsgericht schließt sich der Begründung des Erstgerichts in vollem Umfang an und sieht von einer eigenen Darstellung der Entscheidungsgründe ab […].“
Fazit
Der vorliegende Fall ist sicherlich ein Extremfall, was das Verhalten des Systemadministrators angeht – aber nicht, was die arbeitsrechtlichen Konsequenzen betrifft. Schließlich arbeitet der Systemadministrator regelmäßig in einem sowohl technisch als auch datenschutzrechtlich hochsensiblen Umfeld. Andererseits ist es natürlich auch nicht alltäglich, dass jemand, der vertrauliche Dateien ausgespäht hat, dies so offensichtlich vor sich herträgt.
Der gefeuerte Systemadministrator hätte dementsprechend öfters einmal mit dem Datenschutz-Beauftragten zusammensetzen sollen – stattdessen nahm er eben auf dem Schleudersitz Platz. Schließlich sollte eines klar sein: auch wenn ein Systemadministrator rein technisch unbegrenzten Zugriff auf den Dateibestand eines Unternehmens hat, sollte er trotzdem größtmöglichen Abstand von datenschutzempfindlichen Inhalten wahren.
Im Umgang mit vertraulichen oder sonst empfindlichen Informationen sollte in Betrieben mit hohem Datenaufkommen generell ein hoher Qualitätsstandard gewahrt werden. In Zweifelsfällen kann auch eine umfassende Rechtsberatung sinnvoll sein. Die IT-Recht Kanzlei steht hierzu gerne zur Verfügung.
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2 Kommentare
Selbstverständlich ist jedem Mitarbeiter im Rahmen seiner Tätigkeit auch zuzumuten, dass er die Tragweite seines Handelns auch in diesen Fragen abschätzt. Richtig ist, dass in den IT Abteilungen nur zu oft Personen Arbeiten, die einerseits keine Ahnung vom Bundesdatenschutzgesetzt haben, andererseits vom Arbeitgeber auch nicht darauf ausdrücklich verpflichtet wurden. So gesehen mag hier das "Management" ebenfalls versagt haben (Was getrennt zu betrachten ist!). Fakt ist, die besondere Vertrauensstellung von Systemadministratoren muss den Mitarbeitern selbst "Verpflichtung" sein, aber auch den Führungskräften abverlangen, dass sie für dieses Personal eine besondere "Führungsaufgabe" haben.
Aus meiner beruflichen Erfahrung kann ich allerdings bestätigen, dass im Bereich der Administration gelegentlich Defizite bei Rechtsverständnis bestehen und, was möglicherweise noch schlimmer ist, den Handelnden oft auch nicht klar ist, warum Restriktionen hier sinnvoll und notwendig sind.
Fazit: In Mails anderer Leute liest man nicht! Aus Prinzip! Auch nicht in "vorauseilendem Gehorsam". Unter welchen Gesichtspunkten Mails von Mitarbeitern überhaupt gelesen werden dürfen klären Sie mit ihrer Rechtsabteilung/Rechtsanwalt, aber nicht mit ihrer IT Abteilung.
Die Fileshares der Personalabteilung und Geschäftsführung (etc.) gehören verschlüsselt, ohne Hintertür für die IT Kollegen. Technische Lösungen hierfür gib es längst von der Stange zu kaufen.
Die Verpflichtung auf das BDSG und eine intensive Schulung dazu sollte für alle Systemadmins und Suppporter selbstverständlich sein.
So gesehen vielen Dank an die IT Recht Kanzlei das Urteil aufgegriffen zu haben, es sollten alle IT Manager gelesen haben!