Urteil des EuGH: Verwendung von Sonderrufnummern für Kundenservicehotlines unzulässig – das Aus für 0180x-Hotlines?
Auf die Vorlage des LG Stuttgart hin hatte sich der Europäische Gerichtshof (EuGH) nun mit der Frage zu beschäftigen, ob Anrufe zu Vertragsfragen bei Kundenhotlines mehr kosten dürfen als Anrufe auf einer gewöhnlichen Festnetz- oder Mobilfunknummer.
Inhaltsverzeichnis
Worum geht es?
Viele Onlinehändler setzen für ihre Kundenhotlines auf die Verwendung einer Sonderrufnummer.
Während solche Hotlines mit der Vorwahl 0900 wohl ganz augenscheinlich dazu dienen sollen, Verbraucher von (lästigen) Anrufen beim Unternehmer abzuhalten, da ein Anruf wesentlich teurer wird als bei gewöhnlichen Rufnummern ist dies bei Hotlines mit der beliebten Vorwahl 0180x (sog. „Service-Dienste”) nicht ganz so eindeutig.
Hier bewegen sich die Kosten – je nach Gasse – zwischen 3,9 und 14 Cent pro Minute bzw. zwischen 6 und 60 Cent und damit deutlich unterhalb sog. Premium-Rufnummern (etwa Vorwahl 0900) aber in aller Regel deutlich über den Kosten für gewöhnliche Anschlüsse im Fest- oder Mobilfunknetz (für welche die meisten Verbraucher ohnehin im Rahmen einer Flatrate eine monatliche Pauschale bezahlen).
Der Verwendung solcher Kundenhotlines mit der Vorwahl 0180x hat der EuGH nun einen Riegel vorgeschoben, allerdings nur, soweit es dabei um eine Hotline geht, unter der ein Verbraucher sich wegen Fragen oder Erklärungen zu einem bereits geschlossenen Vertrag telefonisch an den Unternehmer wenden kann.
Hintergrund
Seit dem 13.06.2014 – dem Zeitpunkt des Inkrafttretens des deutschen Umsetzungsgesetzes zur Verbraucherrechtrichtlinie – unterliegen bestimmte Telefonhotlines einer preislichen Regulierung. So sieht die Vorschrift des § 312a Abs. 5 S.1 BGB vor:
"Eine Vereinbarung, durch die ein Verbraucher verpflichtet wird, ein Entgelt dafür zu zahlen, dass der Verbraucher den Unternehmer wegen Fragen oder Erklärungen zu einem zwischen ihnen geschlossenen Vertrag über eine Rufnummer anruft, die der Unternehmer für solche Zwecke bereithält, ist unwirksam, wenn das vereinbarte Entgelt das Entgelt für die bloße Nutzung des Telekommunikationsdienstes übersteigt."
Damit bleibt festzuhalten, dass von der Regulierung zum einen nur telefonische Hotlines betroffen sind (nicht etwa Faxanschlüsse) und davon nur solche Hotlines, die gegenüber Verbrauchern (auch) zu dem Zweck angeboten werden, dass die Verbraucher darüber Fragen zu einem bereits geschlossenen Vertrag stellen bzw. diesbezüglich Erklärungen (etwa den Widerruf) abgeben kann (im Folgenden „Supporthotline“ genannt).
Die gesetzliche Regulierung erfolgte vor dem Hintergrund, dass in der Vergangenheit viele Unternehmer durch teure Hotlinegebühren versucht haben, Verbraucher von entsprechenden Supportanfragen abzuhalten.
Das Urteil
Der EuGH hatte mit seinem Urteil vom 02.03.2017, Az.: C-568/15 (hier online abrufbar) auf Vorlage des LG Stuttgarts über die Kernfrage der Klage einer Verbraucherzentrale gegen einen Onlinehändler zu entscheiden.
Der beklagte Onlinehändler bot seinen Kunden eine Supporthotline unter der Vorwahl 01805 an, wodurch dem Anrufer Kosten von 14 Cent/ Minute aus dem Festnetz und bis zu 42 Cent/ Minute aus dem Mobilfunknetz entstanden.
Die Wettbewerbszentrale sah in der Verwendung dieser „teuren“ Supporthotline einen Wettbewerbsverstoß, da Anrufe bei dieser dem Verbraucher höhere Kosten verursachten als nach dem sog. „Grundtarif“. Die entscheidende Frage – der bereits der deutsche Gesetzgeber aus dem Weg gegangen war – ist hierbei, was denn der sog. „Grundtarif“ ist.
Seinem Urteil legte der EuGH in Bezug auf den „Grundtarif“ folgende Überlegungen zugrunde:
"In Ermangelung gegenteiliger Anhaltspunkte ergibt sich aus dieser Vorschrift, dass der darin genannte Grundtarif den Standardkosten einer gewöhnlichen Verbindung entspricht, die der Verbraucher erwarten kann und die nicht erfordern, dass der Unternehmer ihn über diese Kosten informiert."
und:
"Aus dem Zusammenhang, in dem Art. 21 der Richtlinie 2011/83 steht, ergibt sich somit, dass der Begriff „Grundtarif“ den üblichen Tarif für ein Telefongespräch ohne zusätzliche Kosten für den Verbraucher meint."
sowie:
"Eine Auslegung des Begriffs „Grundtarif“ dahin, dass es dem Unternehmer gestattet ist, höhere Tarife zu berechnen als den Tarif für einen gewöhnlichen Anruf unter einer geografischen Festnetznummer oder einer Mobilfunknummer könnte die Verbraucher nämlich davon abhalten, eine Service-Rufnummer zu nutzen, um Informationen zu einem geschlossenen Vertrag zu erhalten oder ihre Rechte, namentlich in den Bereichen Gewährleistung oder Widerruf, geltend zu machen."
Während der deutsche Gesetzgeber im Rahmen seiner Gesetzesbegründung die Verwendung von 0180x-Rufnummern für Supporthotlines als im Einklang mit der Vorschrift des § 312a Abs. 5 S.1 BGB sah, solange der Unternehmer durch die eingenommenen Telefonkosten keine Gewinne erzielt, hat der EuGH nun das Aus für die Verwendung der Rufnummerngasse 0180x für Supporthotlines eingeläutet. Der EuGH legt den Begriff des „Grundtarifs“ folglich sehr streng und wesentlich einger als der deutsche Gesetzgeber aus:
"Nach alledem ist auf die Vorlagefragen zu antworten, dass der Begriff „Grundtarif“ in Art. 21 der Richtlinie 2011/83 dahin auszulegen ist, dass die Kosten eines auf einen geschlossenen Vertrag bezogenen Anrufs unter einer von einem Unternehmer eingerichteten Service-Rufnummer die Kosten eines Anrufs unter einer gewöhnlichen geografischen Festnetznummer oder einer Mobilfunknummer nicht übersteigen dürfen. Soweit diese Grenze beachtet wird, ist es unerheblich, ob der betreffende Unternehmer mit dieser Service-Rufnummer Gewinne erzielt."
Mit der – überzeugenden – Begründung des EuGH steht damit das Aus für kostenpflichtige Sonderrufnummern in Bezug auf Supporthotlines fest.
Auswirkungen in der Praxis
Unternehmer sind gut beraten, keine Sonderrufnummern mehr für Supporthotlines mehr zu verwenden. Insbesondere bei der Verwendung von 0180x-Rufnummern wird künftig vermehrt mit Abmahnungen zu rechnen sein, da deren Aus für Supporthotlines nun höchstrichterlich entschieden wurde.
In der Praxis bedeutet dies einen hohen Umstellungsaufwand für betroffene Unternehmer und steigende Kosten für den telefonischen Kundensupport mangels „Umsatzbeteiligung“ bei den Telefonentgelten.
Auch die im Impressum und der Widerrufsbelehrung genannte Telefonnummer darf damit keine kostenpflichtige Sonderrufnummer mehr sein, da diese Telefonnummern natürlich in aller Regel auch dem Support im Zusammenhang mit bereits geschlossenen Verträgen dienen bzw. zur Entgegenahme von Erklärungen im Zusammenhang mit solchen Verträgen.
Fazit:
Die IT-Recht Kanzlei empfiehlt Unternehmern, für Supporthotlines ausschließlich eine gewöhnliche Rufnummer im Fest- oder Mobilfunknetz oder eine für den Anrufer kostenfreie Rufnummer (Vorwahl: (0)0800) zu verwenden.
Sie dürfen für solche Zwecke keine Sonderrufnummern (wie etwa solche unter den Vorwahlen 0180x, 0137x, 0700 oder gar 0900) angeben.
Darüber hinaus empfiehlt die IT-Recht Kanzlei, auch bei der im Impressum und Widerrufsbelehrung genannten Telefonnummer ausschließlich eine Standardrufnummer aus dem Fest- oder Mobilfunknetz oder eben eine kostenfreie Rufnummer zu verwenden.
Andernfalls besteht die Gefahr einer Abmahnung.
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