Sonderpreis bei „sofortiger“ Zahlung: Die unmögliche AGB-Klausel
Beim Stöbern durch die aktuelle Rechtsprechung sind wir über eine AGB-Klausel gestolpert, die echten Seltenheitswert hat: Sie verspricht dem Kunden einen Sonderpreis bei „sofortiger“ Begleichung der Rechnung. Allerdings wurde bei der Formulierung in einem einzigen Satz so ziemlich jeder Fehler eingebaut, den man einer AGB-Klausel antun kann.
Inhaltsverzeichnis
Die Klausel
Die streitige AGB-Klausel sollte den Kunden dazu animieren, bei Lieferung und Einbau einer Einbauküche die erbrachten Leistungen sofort zu bezahlen; in diesem Falle sollte dann ein besonders günstiger Preis gelten. Die Formulierung lautete:
„Der Sonderpreis ist nur gültig bei vollständiger Zahlung am Tage der Lieferung und Rechnungsstellung, bei späterer oder unvollständiger Zahlung ist der Sonderpreis ungültig.“
Dumm nur, dass im konkreten Fall der Händler unvollständig leistete – folgerichtig weigerte der Kunde sich, sofort zu zahlen, bestand aber weiterhin auf der Gültigkeit des Sonderpreises. Wie so oft landete auch dieser Fall vor Gericht.
Das Urteil
Das Landgericht Darmstadt (06.04.2011, Az. 25 S 162/10) sah die Sache recht ähnlich wie der Kunde: Die Richter strichen die Klausel kurzerhand aus dem Vertrag heraus, da sie eine Vielzahl an Fehlern und Rechtsbrüchen enthält.
1. Widersprüchlicher Wortlaut
Schon der Wortlaut sei unverständlich und widersprüchlich – und er ermögliche es dem Händler im Zweifel, einfach Teile der Küche beim Kunden abzuladen und sofort Zahlung zu verlangen:
„Nach der Klausel kann sich der Kunde den Sonderpreis aber nur sichern, wenn er noch am Tag der ‚Lieferung‘ den Sonderpreis zahlt. Würde man es bei dem Wortlaut der Klausel belassen, hieße dies, dass der Kläger die Einzelteile lediglich anliefern und ohne Montage sofort den vollen Preis verlangen könnte. Nicht klar ist auch, ob nach der Klausel eine vollständige und mängelfreie Lieferung erfolgen muss, um die sofortige Zahlungsverpflichtung der Beklagten auszulösen. […] Ersichtlich nicht [vom Kunden] gewollt sein kann auch eine Zahlungsverpflichtung im Falle einer etwa durch Unfall zerstörten, aber grundsätzlich ‚vollständig‘ gelieferten Küche mit Küchengeräten. Insofern müsste im Wege der Auslegung in die Klausel das Erfordernis der Montage, der vollständigen Lieferung und grundsätzlich auch der Mängelfreiheit hineingelesen werden.“
2. Unverständliche Begriffe
Aber nicht nur die Klausel an sich ist völlig unverständlich, auch einzelne Begriffe halten keiner Überprüfung stand. So ist bei genauerem Hinsehen nicht nachvollziehbar, wann denn genau der Tag der „Lieferung und Rechnungsstellung“ sein soll:
„Nach dem […] gewählten Wortlaut müssten die [Kunden] die Rechnung in dem Moment begleichen, in dem sie als Dokument existent geworden ist, etwa durch das Ausdrucken am Computer. Dies ist nicht möglich. Insofern müsste in die Klausel das Erfordernis des Rechnungszugangs hineingelesen werden, da eine noch bei dem Kläger befindliche Rechnung, von deren Existenz die Beklagten nichts wissen, auch nicht beglichen werden kann. Im Interesse des Kunden müsste daher zumindest auf den Zugang der Rechnung abgestellt werden.“
3. Unmöglich einzuhalten
Doch auch dann wäre es für den Kunden in der Praxis kaum möglich, die geforderten Modalitäten zum Erhalt des Sonderpreises einzuhalten:
„Denn Voraussetzung ist nach der Klausel die Zahlung ‚am Tage‘ der Rechnungsstellung oder aber – im Wege der Auslegung – ‚am Tage‘ des Zugangs. Dies ist im üblichen unbaren Zahlungsverkehr jedoch nicht möglich, da Banken eine Ausführungsfrist für Überweisungen von mindestens einem Tag haben. Die Frist könnte daher allenfalls durch eine Barzahlung gewahrt werden. Selbst wenn man vom Zugang der Rechnung und nicht von ihrer Erstellung ausginge, müssten die Kunden also nach Lieferung und Montage der Küche jederzeit den Gesamtbetrag für Küche und Küchengeräte in bar zur Zahlung vorhalten und sich bereit machen, unverzüglich und taggleich den Kläger zur Geldübergabe aufzusuchen. Denn bei Zugang der Rechnung mit der Post wäre der Betrag am gleichen Tag zu übergeben, bei persönlicher Übergabe der Rechnung […] müsste ebenfalls noch am gleichen Tag laut Klausel der Betrag an den [Händler] gezahlt werden.“
4. Rechtswidrige Benachteiligung des Verbrauchers
Aber der eigentlich schlimmste Fehler kommt erst noch. Denn selbst wenn man im Wege der Auslegung einmal ermittelt hat, was die Klausel eigentlich sagen will, erfüllt sie noch lange nicht die gesetzlichen Anforderungen – sie benachteiligt die Kunden zu Unrecht:
„Denn die [Kunden] stünden bei Anwendung der Klausel im Falle von unvollständiger Lieferung oder fehlerhafter Montage der Küche oder Küchengeräte vor folgender Wahl: Entweder sie verzichteten auf das ihnen zustehende Zurückbehaltungsrecht im Hinblick auf einen Teil der Vergütung, um durch Barzahlung der vollen Sonderpreissumme sich den Sonderpreis zu erhalten, oder aber sie machten ihr Zurückbehaltungsrecht geltend mit der Konsequenz, dass sie die Sonderpreiskonditionen verlören und insgesamt eine um EUR 3.372,- höhere Vergütung zu zahlen hätten. […] Das einen Rechtsgrundsatz von erheblichem Gerechtigkeitswert enthaltende Zurückbehaltungsrecht […] entzieht sich von vornherein weitgehend einer Änderung durch allgemeine Geschäftsbedingungen […]. Die durch die Sonderpreisklausel des Klägers bewirkte faktische Einschränkung des Zurückbehaltungsrechts, die dieses Recht letztlich wirtschaftlich ausschließt, geht über diesen anzusetzenden Maßstab weit hinaus. Kein wirtschaftlich denkender Kunde wird seine Leistung ganz oder auch nur teilweise (vorübergehend!) zurückhalten, wenn dies zur Folge hat, dass er – nach Erbringung der vollständigen Gegenleistung – nicht nur die zurückbehaltene Leistung noch erbringen, sondern zusätzlich noch die Differenz zwischen dem sog. ‚Sonderpreis‘ und dem Normalpreis zahlen muss.“
Folgen
Unwirksame AGB-Klauseln werden vom Gericht im Rahmen der sogenannten „blue pencil-Korrektur“ einfach aus dem Vertrag herausgestrichen – der übrige Vertrag bleibt unverändert stehen. Da die Zahlung des Sonderpreises vertraglich vereinbart war und die Klausel, die diesen Preisvorteil ggf. entfallen lassen sollte, nicht mehr existiert, gilt nur noch der Sonderpreis:
„Angesichts der Unwirksamkeit der genannten Klausel stellt der vereinbarte ‚Sonderpreis‘ die wirksam zwischen den Parteien vereinbarte Vergütung dar. Nachdem diese vollständig bezahlt worden ist, steht dem [Händler] kein weiterer Vergütungsanspruch mehr zu.“
Kommentar
Mit dieser Klausel wollte der Händler es sich wohl arg einfach machen; im Endeffekt war es auch nur eine Lappalie, die das Vertragskonstrukt zum Einsturz brachte (es fehlte lediglich eine Bohrung an einer Glasplatte). Der Fall zeigt, wie wichtig es ist, AGBs ordentlich zu formulieren und vor allem so zu strukturieren, dass bei Streichung einzelner Passagen der Rest trotzdem noch das bewirkt, was der Händler sich eigentlich von dem Vertrag verspricht – im dargestellten Fall hat das überhaupt nicht funktioniert.
Entsprechend ist eher davon abzuraten, solche Sonderpreis-Konstruktionen in AGBs einzubeziehen. Da hierdurch das Zurückbehaltungsrecht des Kunden umgangen würde, wird hier grundsätzlich von einer rechtswidrigen Benachteiligung des Verbrauchers ausgegangen, dementsprechend sind solche Klauseln in der Praxis unwirksam – vor Gericht wird hierdurch häufig die Ausgangsposition des Händlers geschwächt.
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