„So wichtig wie das tägliche Glas Milch“: Unzulässige Werbeaussage für Früchtequark
Achtung: Aktuellere Informationen finden Sie hier: "BGH legt Frage zur gesundheitsbezogenen Lebensmittelwerbung dem EuGH vor"
Tipp: Weiterführende Informationen finden Sie hier: "Health-Claims-Verordnung"
Lebensmittel zu bewerben ist ein heikles Unterfangen: Einerseits will der Werbende den Verbraucher davon überzeugen, sein Produkt zu konsumieren, andererseits sollte er dabei nicht die Vorstellung wecken, das Lebensmittel sei gesünder als es tatsächlich ist. Ein großer Hersteller von Molkereiprodukten wurde genau deswegen vom Oberlandesgericht Stuttgart auf Unterlassung verurteilt – er hatte behauptet, sein speziell für Kinder angepriesener Früchtequark sei „so wichtig wie das tägliche Glas Milch“ (vgl. OLG Stuttgart, Urt. v. 03.02.2011, Az. 2 U 61/10).
Immerhin ist der Slogan nicht direkt gesundheitsbezogen, da das Wort „wichtig“ eben gerade nicht „gesund“ bedeutet und eine starke subjektive Komponente enthält – „wichtig“ kann je nach individueller Ernährungsgewohnheit und Sichtweise schließlich auch die tägliche Tüte Gummibärchen sein. Diese Ansicht vertraten auch die Stuttgarter Richter, sodass der Hersteller zumindest nicht wegen unerlaubter gesundheitsbezogener Werbung belangt wurde (vgl. OLG Stuttgart, Urt. v. 03.02.2011, Az. 2 U 61/10; mit weiteren Nachweisen):
„Zwar handelt es sich bei dem Wort ‚wichtig‘ an sich um einen offenen Begriff, der Raum für subjektive Wertungen lässt. Das Wort ‚wichtig‘ ist bedeutungsoffener als es Formulierungen wie ‚so wertvoll‘, ‚so gut‘ oder ‚so gesund‘ sind. Warum einem etwas ‚wichtig‘ ist, hängt auch von subjektiven Einstellungen ab.“
Der Kern des Problems liegt hier jedoch in dem Vergleichsprodukt, auf das konkret verwiesen wird. Zwar wird der Verbraucher nicht annehmen, das Quarkprodukt wäre in seiner Zusammensetzung weitestgehend vergleichbar mit Milch, jedoch wird mit dem Verweis ausgerechnet auf Milch durchaus die Erwartung geweckt, das Produkt sei bei regelmäßigem Konsum ähnlich gesundheitsfördernd wie Milch:
„Bei einer Gesamtbetrachtung der Werbung ergibt sich aber, dass sich diese aus Sicht des angesprochenen Verkehrs aufgrund der Passage ‚wie das tägliche Glas Milch‘ nicht in einer subjektiven Wertung […] und dem Hervorrufen einer positiven, aber nicht konkreten Assoziation (etwa in dem Sinne ‚das Produkt tut gut wie Milch auch gut tut‘) erschöpft.
Vielmehr nimmt der angesprochene Verkehr jedenfalls aufgrund der vergleichenden Bezugnahme (‚wie‘) auf das ‚tägliche Glas Milch‘ und nicht nur Milch allgemein an, das Produkt weise bei (nahezu) täglichem Konsum ähnliche Vorteile für die Ernährung auf wie Milch, insbesondere bei Kindern, ohne dass sein (nahezu) täglicher Konsum aufgrund einer von Milch deutlich abweichenden Zusammensetzung mit Nachteilen, insbesondere für Kinder, verbunden sein kann.
Dieser Vorstellung entspricht das Produkt aufgrund seiner tatsächlichen Zusammensetzung nicht, auch wenn schon aufgrund seiner […] Bezeichnung als ‚Früchte-Quark‘ der angesprochene Verkehr nicht annehmen wird, das Produkt sei von den Inhaltsstoffen her mit Milch in seiner Zusammensetzung völlig identisch […].“
Allerdings ist die Werbung im Umkehrschluss irreführend, wenn das beworbene Produkt Nachteile aufweist, die bei gewöhnlicher Milch gerade nicht vorhanden sind. Gerade bei der Erziehung und Ernährung von Kindern kann ein solcher Nachteil ein deutlich höherer Zuckeranteil und Kaloriengehalt des Produkts sein. Dementsprechenden erkannten die Richter hier den Grund für die Unlauterkeit der Werbung in der spezifischen Zusammensetzung des Früchtequarks:
„Die Irreführung ergibt sich aber daraus, dass das Produkt auf dieselbe Menge bezogen ein Mehrfaches an Zucker enthält als (Voll-)Milch, nämlich […] 13 g gegenüber 4,7-4,8 g, also das ca. 2,7-2,8-fache. Dadurch enthält das Produkt pro 100 g auch deutlich mehr Kalorien als (Voll-)Milch (105 kcal gegenüber 64-70 kcal).
Damit rechnet der Verbraucher bei einem mit dem Slogan ‚So wichtig wie das tägliche Glas Milch‘ beworbenen Früchtequark nicht, denn in dem um 2,7-2,8-fachen Zuckeranteil liegt eine […] von Milch deutlich abweichende Zusammensetzung des Produkts, die mit Nachteilen, insbesondere für Kinder, verbunden sein kann. Dabei ist zu berücksichtigen, dass […] gerade nicht davon ausgegangen werden kann, dass sich der tägliche Konsum auf einen Becher des Produkts beschränken wird.
Diese Fehlvorstellung bezüglich des Zuckergehalts begründet eine für den Verkehr relevante Irreführung, denn der Zuckergehalt eines Lebensmittels ist für den angesprochenen Verkehr relevant, insbesondere bei einem auf Kinder zugeschnitten Produkt, zumal wenn man berücksichtigt, dass Kinder häufig ohnehin zu viel Zucker zu sich nehmen (zumindest die Eltern dies annehmen, was für die Relevanz keinen Unterschied machte).“
Ein interessanter und auch grundsätzlich sinnvoller, leider jedoch nicht zielführender Verteidigungsversuch des Herstellers war der Verweis auf die am Produkt angebrachte Nährwerttabelle – daran könne der Verbraucher schließlich erkennen, wie viel Zucker das Produkt enthalte:
„Die Irreführung ist auch nicht dadurch ausgeschlossen, dass sich auf der Seite an der Verpackungseinheit eine Nährwerttabelle befindet, aus der sich u. a. der Zuckergehalt von 13 g pro 100 g ergibt […], denn die Irreführung ergibt sich ja gerade daraus, dass der Verkehr aufgrund des Slogans annimmt, das Produkt enthalte im o. g. Sinne nicht um ein Vielfaches mehr ‚ungesunden‘ Zucker als Milch: dieser Irrtum kann aber durch die Nährwertangabe nicht beseitigt werden, da nicht angenommen werden kann, dem Verkehr sei geläufig, welchen Zuckergehalt (Voll-)Milch aufweist.“
Wer hätte gedacht, dass bei der Werbung für ein Molkereiprodukt nicht auf Milch verwiesen werden darf? Im Werberecht gelten für das Lebensmittelsegment besondere Spielregeln, die derartige Vergleiche leider enorm erschweren. Es sollte daher im Zweifel bei Werbemaßnahmen darauf verzichtet werden, einzelne Produkte mit Lebensmitteln zu vergleichen, die vom Verbraucher in der Regel als „gut“ oder gar „gesund“ betrachtet werden.
Gegen dieses Urteil wurde Revision eingelegt (vgl. BGH, Az. I ZR 36/11), eine Entscheidung steht hier jedoch noch aus. Es ist allerdings fraglich ob die Revision zum gewünschten Erfolg führen wird, da die Argumentation des OLG Stuttgart durchaus stringent und überzeugend ist.
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