Copad vs. Dior: EuGH-Urteil macht müde Markenrechte munter
Viele Markeninhaber schreiben für den Handel mit ihren Waren konkrete Vertriebswege vor, um den elitären Charakter ihrer Waren zu erhalten. Inwieweit diese Bindung zulässig ist und ob es Ausnahmen gibt, waren sich die deutschen Gerichte bislang nicht einig. Jetzt hat der EuGH mit Urteil vom 23.04.2009 (Az. C-59/08) ein richtungsweisendes Urteil gefällt.
Inhaltsverzeichnis
Hintergrund
Viele Luxusmarken werden ausschließlich über selektiv gesteuerte Vertriebsnetze vermarktet, um den Nimbus des jeweiligen Labels ein wenig zu pflegen – elitäre Ansprüche und Vermarktung in Discountern passen nun einmal nicht zusammen. Die hochwertige Markenware soll nicht im Billig-Discounter oder im Online-Handel zu erhalten sein. Da dem Markeninhaber grundsätzlich ein ausschließliches Recht an seiner Marke zusteht, kann er dies auch durch Lizenzverträge entsprechend regeln. Gemäß der europäischen Richtlinie 89/104/EWG jedoch waren die Markenrechte erschöpft, wenn Ware unter dieser Marke vom Inhaber oder mit seiner Zustimmung in der Gemeinschaft in den Verkehr gebracht worden sind. Findige Online-Händler nutzten nun eine scheinbare Lücke aus:
Die Ware wurde hierbei bei einem lizensierten Zwischenhändler eingekauft, der die Ware aufgrund des Lizenzvertrages mit Zustimmung des Markeninhabers in den europäischen Wirtschaftsraum eingeführt hat. Bei anschließender weiterer Vermarktung über Online-Shops oder Discounter schied eine Markenrechtsverletzung aus, da die Markenrechte bereits erschöpft waren. Dem Markeninhaber waren so die Hände gebunden und er konnte sich kaum mehr mittels der gesetzlichen Instrumente hiergegen zur Wehr setzen. Die vertraglichen Verpflichtungen, die der Zwischenhändler gegenüber dem Markeninhaber übernommen hatte, waren nicht an den Online-Händler weitergegeben worden. Auf diese Weise konnte der Markeninhaber zwar gegen den Zwischenhändler vorgehen, aber nicht direkt gegen den Online-Händler. Der gehütete selektive Vertriebsweg schien so geöffnet.
Neueste Rechtsprechung des EuGH
In seinem Urteil vom 23.04.2009 (Az. C-59/08) hat der EuGH diese gedachte „Unantastbarkeit“ der Online-Händler möglicherweise zerstört. Am Rande eines Streits zwischen Dior und Copad (einem französischen Discounter, der Dior-Unterwäsche von einem Lizenznehmer erworben hatte) wurde in dem Urteil auch die Frage behandelt, ab wann sich die Rechte des Markeninhabers an den Produkten, die sein Label tragen, erschöpfen; Grundlage der Entscheidung war die richterliche Auslegung der europäischen Richtlinie 89/104/EWG.
Der EuGH führt hierzu aus, dass „der Verkauf, der unter Missachtung einer Bestimmung erfolgt ist, nach der der Weiterverkauf an Discounter außerhalb des selektiven Vertriebsnetzes untersagt ist, im Sinne der Richtlinie als ohne die Zustimmung des Markeninhabers erfolgt angesehen werden kann, wenn nachgewiesen ist, dass eine solche Zuwiderhandlung gegen eine der Bestimmungen verstößt, die in der Richtlinie genannt sind.“
Nach Art. 7 Abs. 2 der Richtlinie ist eine Erschöpfung des Rechts dann ausgeschlossen und der Markenschutz besteht fort, wenn der Zustand der Waren nach ihrem Inverkehrbringen verändert oder verschlechtert ist. Dazu sagt der EuGH in seinem Urteil: „Folglich kann nicht ausgeschlossen werden, dass der Verkauf von Prestigewaren durch den Lizenznehmer an Dritte, die nicht dem selektiven Vertriebsnetz angehören, die Qualität dieser Waren selbst beeinträchtigt, so dass in diesem Fall eine Vertragsklausel, die diesen Verkauf untersagt, als in den Anwendungsbereich der Richtlinie fallend angesehen werden muss.“
Die logische Konsequenz zieht der EuGH, dann auch: „Somit ist die Richtlinie dahin auszulegen, dass das unter Missachtung einer Bestimmung des Lizenzvertrags erfolgte Inverkehrbringen von mit der Marke versehenen Waren durch den Lizenznehmer der Erschöpfung des Rechts, das die Marke ihrem Inhaber verleiht, im Sinne des der Richtlinie entgegensteht […].“.
Mit anderen Worten: Die von so manchem Online-Händler gedachte Lücke existiert nicht.
Mögliche Folgen für den E-Commerce
Diese Auslegung der Richtlinie bedeutet für den Online-Handel konkret: Verstößt der Lizenznehmer durch die Abgabe von Markenware an einen Online-Händler gegen Lizenzklauseln, dann wird die Erschöpfung der Rechte des Markeninhabers durch diesen Verstoß gehemmt. Dem Markeninhaber stehen die gesetzlichen Instrumente direkt gegen den Online-Händler zur Verfügung: Unterlassungsanspruch, Auskunft, Schadensersatz.
Da der Markeninhaber den direkten Durchgriff gegen den Online-Händler unabhängig von dem lizensierten Zwischenhändler hat, obliegen dem Online-Händler also zukünftig mehr Prüfungs- und Sorgfaltspflichten beim Vertrieb von Markenwaren, um rechtssicher Ware anzubieten. Da eine markenrechtliche Abmahnung schnell sehr teuer werden kann, ist es durchaus ratsam, so früh wie möglich (spätestens jedoch bei Erhalt einer Abmahnung) eine fachkundige Rechtsberatung in Anspruch zu nehmen.
Fazit
Der EuGH hat mit seinem Urteil klargestellt, dass der Markeninhaber unter gewissen Voraussetzungen einen selektiven Vertriebsweg vorschreiben kann und bei einem Verstoß gegen den Lizenzvertrag durch den Zwischenhändler die Ware als „ohne Zustimmung“ in den Verkehr gebracht gilt. Ob das Urteil nun mehr Markeninhaber ermutigt, gegen die Online-Händler direkt vorzugehen, bleibt abzuwarten.
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1 Kommentar
Mein Vertragspartner ist schließlich der Distributor.
Oder muß ich jetzt bei jedem Hersteller erst mal prüfen, welche Vertriebsvereinbarungen er mit welchem Wiederverkäufer hat? Das halte ich für unmöglich.
Im Zweifelsfall würde ich die Abmahnung an meinen Lieferanten weiterreichen, wenn er mich nicht über derartige Vertriebsbeschränkungen über von ihm bezogene Waren informiert hat.