Schweizer AGB-Vereinbarung zur Rechtswahl und zur Zuständigkeit des Gerichts

Schweizer AGB-Vereinbarung zur Rechtswahl und zur Zuständigkeit des Gerichts
02.12.2013 | Lesezeit: 9 min

Tipp: Weiterführende Informationen zum Thema finden Sie hier: "Schweiz E-Commerce (AGB)"

Ein deutscher Onlinehändler schließt mit seinen Kunden typischerweise AGB-Verträge, also Verträge, für die seine AGB gelten sollen. Beim Onlinehandel mit der Schweiz hat der deutsche Onlinehändler sich mit der Frage auseinanderzusetzen, welches Recht für ihn maßgebend ist und ob im Streitfall ein Schweizer oder deutsches Gericht entscheidet. Es wäre naiv oder geradezu fahrlässig zu glauben, dass beim Onlinehandel mit der Schweiz unbesehen die vertrauten deutschen Regeln zum Onlinehandel übernommen werden könnten.

Für die Schweiz als Drittstaat können nicht die EU-Kollisionsnormen angewendet werden, die die Frage des anwendbaren Rechts und der Gerichtszuständigkeit in der EU regeln. Hier gilt Schweizer Internationales Privatrecht und das Luganer Übereinkommen mit der EU. Im Ergebnis ist bei B2C-Verträgen mit Schweizer Verbrauchern materielles Schweizer Recht maßgebend. Hinsichtlich der Gerichtszuständigkeit kann der Schweizer Verbraucher zwischen Schweizer Gerichten und deutschen Gerichten entscheiden. Bei B2B-Verträgen kann der deutsche Onlinehändler Rechtswahl und Gerichtszuständigkeit durch entsprechende AGB-Vereinbarung bestimmen.

Warum das so ist, können Sie dem folgenden FAQ entnehmen.

Frage: Gelten in der Schweiz die für die EU gültigen Kollisionsnormen zur Anwendbarkeit materiellen Rechts und zur gerichtlichen Zuständigkeit?

Nein, anders als in der EU gelten in der Schweiz für den grenzüberschreitenden Handel nicht die einschlägigen EU-Kollisionsnormen zur Anwendbarkeit materiellen Rechts und zum Gerichtsstand (s. Rom I und II Verordnung sowie die Brüssel I Verordnung).

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Frage: Welche Kollisionsnormen sind die Frage der Anwendbarkeit des Rechts im Onlinehandel zwischen Deutschland und der Schweiz einschlägig?

Die Bundesversammlung der Schweizerischen Eidgenossenschaft Schweiz hat zur Anwendbarkeit materiellen Rechts ein Bundesgesetz über das Internationale Privatrecht vom 18.12.1987 (IPRG) beschlossen. Zur Frage der Zuständigkeit Schweizer Gerichte bei grenzüberschreitendem Handel mit der s zur EU hat die Schweiz 2007 als EFTA-Staat (European Free Trade Association) mit der EU ein Übereinkommen über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (Lugano-Übereinkommen, LugÜ) geschlossen, das sich an das Europäische Gerichtsstands- und Vollstreckungsübereinkommen aus dem Jahre 2000 (Brüssel I) anlehnt.

Frage: Kann der deutsche Onlinehändler, der Waren oder Dienstleistungen an einen Schweizer Verbraucher vertreibt (B2C-Verträge), in seinen AGB die Anwendbarkeit deutschen Rechts und die Zuständigkeit deutscher Gerichte festschreiben?

Nein, das ist nicht möglich. Bei Verträgen mit Schweizer Verbrauchern hat der Schweizer Verbraucher das Wahlrecht, vor den Schweizer Gerichten oder dem zuständigen deutschen Gericht am Wohnsitz des deutschen Onlinehändlers zu klagen (Art 114 IPRG, Art. 14,15 LugÜ). Dieses Wahlrecht kann nicht durch AGB-Vereinbarung abbedungen werden (Art. 114 IPRG, Art. 15 LugÜ).

Gem. Art. 120 IPRG gilt grundsätzlich das materielle Recht am gewöhnlichen Aufenthalt des Verbrauchers, das heißt also bei einem Schweizer Kunden, der Verbraucher ist, gilt Schweizer Recht. Im Fall eines Fernabsatzvertrages mit einem Schweizer Verbraucher ist Art. 1, Buchstabe b IPRG maßgebend. Anders als bei der gerichtlichen Zuständigkeit hat also der Schweizer Verbraucher kein Wahlrecht, ob materielles Schweizer oder deutsches Recht zur Anwendung kommt. Von dieser Bestimmung kann nicht durch AGB abgewichen werden.

Bei Onlineverträgen mit einem Schweizer Verbraucher gilt daher zwingend Schweizer Recht. Der Schweizer Verbraucher (nicht der deutsche Onlinehändler) hat allerdings ein Wahlrecht, ob er vor einem Schweizer oder einem deutschen Gericht klagen will. Es ist davon auszugehen, dass er im Regelfall vor einem Schweizer Gericht klagen wird.

Art. 114 IPRG

Für die Klagen eines Konsumenten aus einem Vertrag, der den Voraussetzungen von Artikel 120 Absatz 1 entspricht, sind nach Wahl des Konsumenten die schweizerischen Gerichte zuständig:
a. am Wohnsitz oder am gewöhnlichen Aufenthalt des Konsumenten, oder
b. am Wohnsitz des Anbieters oder, wenn ein solcher fehlt, an dessen gewöhnlichem Aufenthalt.
Der Konsument kann nicht zum voraus auf den Gerichtsstand an seinem Wohnsitz oder an seinem gewöhnlichen Aufenthalt verzichten.

Art. 120 IPRG

1 Verträge über Leistungen des üblichen Verbrauchs, die für den persönlichen oder familiären Gebrauch des Konsumenten bestimmt sind und nicht im Zusammenhang mit der beruflichen oder gewerblichen Tätigkeit des Konsumenten stehen, unterstehen dem Recht des Staates, in dem der Konsument seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat:
a. wenn der Anbieter die Bestellung in diesem Staat entgegengenommen hat;
b. wenn in diesem Staat dem Vertragsabschluss ein Angebot oder eine Werbung vorausgegangen ist und der Konsument in diesem Staat die zum Vertragsabschluss erforderlichen Rechtshandlungen vorgenommen hat, oder
c. wenn der Anbieter den Konsumenten veranlasst hat, sich ins Ausland zu begeben und seine Bestellung dort abzugeben.
2 Eine Rechtswahl ist ausgeschlossen.

Art. 14 LugÜ

Die Klage eines Verbrauchers gegen den anderen Vertragspartner kann entweder vor den Gerichten des Vertragsstaats erhoben werden, in dessen Hoheitsgebiet dieser Vertragspartner seinen Wohnsitz hat, oder vor den Gerichten des Vertragsstaats, in dessen Hoheitsgebiet der Verbraucher seinen Wohnsitz hat.
Die Klage des anderen Vertragspartners gegen den Verbraucher kann nur vor den Gerichten des Vertragsstaats erhoben werden, in dessen Hoheitsgebiet der Verbraucher seinen Wohnsitz hat.
Diese Vorschriften lassen das Recht unberührt, eine Widerklage vor dem Gericht zu erheben, bei dem die Klage selbst gemäss den Bestimmungen dieses Abschnitts anhängig ist.

Art. 15 LugÜ

Von den Vorschriften dieses Abschnitts kann im Wege der Vereinbarung nur abgewichen werden,
1. wenn die Vereinbarung nach der Entstehung der Streitigkeit getroffen wird;
2. wenn sie dem Verbraucher die Befugnis einräumt, andere als die in diesem Abschnitt angeführten Gerichte anzurufen, oder
3. wenn sie zwischen einem Verbraucher und seinem Vertragspartner getroffen ist, die zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt in demselben Vertragsstaat haben, und die Zuständigkeit der Gerichte dieses Staates begründet, es sei denn, dass eine solche Vereinbarung nach dem Recht dieses Staates nicht zulässig ist.

Frage: Was ist ein Verbrauchervertrag im Sinne des IPR?

Ein Verbrauchervertrag wird ähnlich wie im Rechtsraum der EU als ein Vertrag definiert, den ein gewerblicher Anbieter mit einem Kunden über eines Leistung des persönlichen oder familiären Gebrauchs abschließt, die nicht im Zusammenhang mit der beruflichen oder gewerblichen Tätigkeit des Kunden steht (Art. 120 Abs. 1 IPRG).

Frage: Ist die freie Rechtswahl und Vereinbarung über die gerichtliche Zuständigkeit bei B2B-Verträgen mit Schweizer Kunden möglich?

Ja, bei B2B-Verträgen mit einem Schweizer Kunden gilt gem. Art 116 IPRG der Grundsatz der Vertragsfreiheit für die Frage des anzuwendenden Rechts. Gem. Art 17 LugÜ ist grundsätzlich eine Gerichtsstandsvereinbarung möglich.

Art. 116 IPRG

1 Der Vertrag untersteht dem von den Parteien gewählten Recht.
2 Die Rechtswahl muss ausdrücklich sein oder sich eindeutig aus dem Vertrag oder aus den Umständen ergeben. Im Übrigen untersteht sie dem gewählten Recht.
3 Die Rechtswahl kann jederzeit getroffen oder geändert werden. Wird sie nach Vertragsabschluss getroffen oder geändert, so wirkt sie auf den Zeitpunkt des Vertragsabschlusses zurück. Die Rechte Dritter sind vorbehalten.

Art. 5 IPRG

1 Für einen bestehenden oder für einen zukünftigen Rechtsstreit über vermögensrechtliche Ansprüche aus einem bestimmten Rechtsverhältnis können die Parteien einen Gerichtsstand vereinbaren. Die Vereinbarung kann schriftlich, durch Telegramm, Telex, Telefax oder in einer anderen Form der Übermittlung, die den Nachweis der Vereinbarung durch Text ermöglicht, erfolgen. Geht aus der Vereinbarung nichts anderes hervor, so ist das vereinbarte Gericht ausschliesslich zuständig.
2 Die Gerichtsstandsvereinbarung ist unwirksam, wenn einer Partei ein Gerichtsstand des schweizerischen Rechts missbräuchlich entzogen wird.
3 Das vereinbarte Gericht darf seine Zuständigkeit nicht ablehnen:
a. wenn eine Partei ihren Wohnsitz, ihren gewöhnlichen Aufenthalt oder eine Niederlassung im Kanton des vereinbarten Gerichts hat, oder
b. wenn nach diesem Gesetz auf den Streitgegenstand schweizerisches Recht anzuwenden ist.

Art. 17 LugÜ

(1) Haben die Parteien, von denen mindestens eine ihren Wohnsitz in dem Hoheitsgebiet eines Vertragsstaats hat, vereinbart, dass ein Gericht oder die Gerichte eines Vertragsstaats über eine bereits entstandene Rechtsstreitigkeit oder über eine künftige aus einem bestimmten Rechtsverhältnis entspringende Rechtsstreitigkeit entscheiden sollen, so sind dieses Gericht oder die Gerichte dieses Staates ausschliesslich zuständig. Eine solche Gerichtstandsvereinbarung muss geschlossen werden
a) schriftlich oder mündlich mit schriftlicher Bestätigung;
b) in einer Form, welche den Gepflogenheiten entspricht, die zwischen den Parteien entstanden sind, oder
c) im internationalen Handel in einer Form, die einem Handelsbrauch entspricht, den die Parteien kannten oder kennen mussten und den Parteien von Verträgen dieser Art in dem betreffenden Geschäftszweig allgemein kennen und regelmässig beachten.
Wenn eine solche Vereinbarung von Parteien geschlossen wurde, die beide ihren Wohnsitz nicht im Hoheitsgebiet eines Vertragsstaats haben, so können die Gerichte der anderen Vertragsstaaten nicht entscheiden, es sei denn, das vereinbarte Gericht oder die vereinbarten Gerichte haben sich rechtskräftig für unzuständig erklärt.

Frage: Welches Recht und welcher Gerichtsstand gilt bei B2B-Verträgen wenn keine Rechtswahl- und Gerichtsstandsklausel vereinbart ist?

Wie ausgeführt, gilt bei B2C-Verträgen zwingendes Schweizer Recht, so dass hier nur die Fallkonstellation: B2B-Vertrag geprüft werden muss. Hier gilt, dass im Regelfall ein deutscher Onlinehändler bei B2B-Verträgen mit einem Schweizer Kunden durch AGB eine Rechtswahlklausel vereinbaren wird.

1. Wenn eine solche Rechtswahllausel im Ausnahmefall nicht vorliegen sollte, so gilt für die Anwendbarkeit des materiellen Rechts folgendes:

Bei Fehlen einer Rechtswahlklausel wird in der Regel das Recht des Staates zur Anwendung kommen, in dem die Partei, welche die Vertragsleistung erbringen soll, ihren gewöhnlichen Aufenthalt hat (Art. 117, Abs.2 IPRG). Damit ist für den beklagten deutschen Onlinehändler deutsches Recht anzuwenden.

Art. 117 IPRG

1 Bei Fehlen einer Rechtswahl untersteht der Vertrag dem Recht des Staates, mit dem er am engsten zusammenhängt.
2 Es wird vermutet, der engste Zusammenhang bestehe mit dem Staat, in dem die Partei, welche die charakteristische Leistung erbringen soll, ihren gewöhnlichen Aufenthalt hat oder, wenn sie den Vertrag aufgrund einer beruflichen oder gewerblichen Tätigkeit geschlossen hat, in dem sich ihre Niederlassung befindet.

2. Wenn eine Gerichtsstandsklausel nicht vorliegen sollte, so gilt für die Frage des zuständigen Gerichts folgendes:

Wenn der Beklagte weder seinen gewöhnlichen Aufenthalt noch eine Niederlassung in der Schweiz hat so ist der Gerichtsstand des Erfüllungsort maßgebend (Art. 133 IPRG). Da es sich um einen internationalen Kaufvertrag handelt und beide Parteien in unterschiedlichen Staaten ihren Wohnsitz haben, ist hier das UN-Kaufrecht (United Nations Conventions on Contracts for the International Sale of Goods) entscheidend. Gem 31 UN-Kaufrecht , Buchstabe c ist der Ort der Niederlassunug des Verkäufers, also Deutschland maßgebend. Wird der deutsche Onlinehändler verklagt, so ist also das Gericht am Wohnsitz des beklagten Onlinehändlers zuständig.

Art. 31 UN-Kaufrecht

Hat der Verkäufer die Ware nicht an einem anderen bestimmten Ort zu liefern, so besteht seine Lieferpflicht in folgendem:
a) Erfordert der Kaufvertrag eine Beförderung der Ware, so hat sie der Verkäufer dem ersten Beförderer zur Übermittlung an den Käufer zu übergeben;
b) bezieht sich der Vertrag in Fällen, die nicht unter Buchstabe a fallen, auf bestimmte Ware oder auf gattungsmässig bezeichnete Ware, die aus einem bestimmten Bestand zu entnehmen ist, oder auf herzustellende oder zu erzeugende Ware und wussten die Parteien bei Vertragsabschluss, dass die Ware sich an einem bestimmten Ort befand oder dort herzustellen oder zu erzeugen war, so hat der Verkäufer die Ware dem Käufer an diesem Ort zur Verfügung zu stellen;
c) in den anderen Fällen hat der Verkäufer die Ware dem Käufer an dem Ort zur Verfügung zu stellen, an dem der Verkäufer bei Vertragsabschluss seine Niederlassung hatte.

Im Ergebnis ist also bei Fehlen einer Rechtswahl- und Gerichtsstandsklausel bei B2B-Verträgen eines deutschen Onlinehändlers mit einem Schweizer Kunden deutsches Recht maßgebend und sind deutsche Gerichte zuständig.

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Bildquelle:
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