Gewährleistungsrecht: Die Verpflichtung des Verkäufers zum Schadensersatz

Gewährleistungsrecht: Die Verpflichtung des Verkäufers zum Schadensersatz
01.08.2022 | Lesezeit: 9 min

Teil 8 unserer neuen Serie zum Gewährleistungsrecht versucht übersichtlich und verständlich, Antworten auf die dringendsten Fragen rund um das Thema Schadensersatz im Gewährleistungsrecht zu geben.

1. Muss ein Verkäufer immer für alle Schäden aufkommen, die eine von ihm verkaufte mangelhafte Kaufsache verursacht?

Nein. Schadensersatzansprüche des Käufers im Falle eines Mangels der Kaufsache bestehen nur, wenn der Verkäufer den Sachmangel zu vertreten hat, insbesondere wenn er vorsätzlich oder fahrlässig i.S.d. § 276 BGB gehandelt oder eine (verschuldensunabhängige) Garantie übernommen hat. Allerdings vermutet das Gesetz nach § 280 Abs. 1 S. 2 BGB, dass der Verkäufer den Schaden zu vertreten hast, sodass der Verkäufer nachweisen muss, dass ihm im Einzelfall gerade kein Verschulden zur Last fällt und auch keine Garantie zu Gunsten des Käufers greift.

Somit ist der Schadenersatzanspruch das einzige Mängelrecht, das Verschulden des Verkäufers voraussetzt – Nacherfüllung, Rücktritt und Minderung sind im Gegensatz hierzu auch dann möglich, wenn der Verkäufer den Mangel überhaupt nicht zu vertreten hat.

2. Hat der Verkäufer dem Käufer Kosten zu ersetzen, die durch eine mangelhafte Lieferung entstehen (z. B. Betriebsausfallschaden)?

Ja, jedoch nur, wenn dem Verkäufer hierfür ein Verschulden zur Last liegt.

Entstehen dem Käufer nachweislich Kosten bzw. Schäden dadurch, dass eine gelieferte Ware mangelhaft ist, ist der Verkäufer schadensersatzpflichtig – und zwar unabhängig davon, ob der Käufer (zusätzlich) nach Ablauf einer angemessenen Frist zur Nacherfüllung Schadensersatz für die mangelhafte Sache selbst verlangen kann.

Im B2B-Bereich ist dieser Schadensersatzanspruch besonders wichtig, wenn beispielsweise eine mangelhafte Maschine für einen Betriebsausfallschaden sorgt. Aber auch bei Verbrauchern kann dies eine Rolle spielen.

Beispiel: Ein Verbraucher kauft in einem Elektronikfachmarkt eine Kaffeemaschine. Die Kaffeemaschine verursacht daraufhin wegen eines Kurzschlusses einen Zimmerbrand in der Wohnung des Verbrauchers, der zu einem größeren Sachschaden führt. Da der Defekt beim Hersteller bereits bekannt geworden war, hatte dieser zuvor den Verkäufer ausdrücklich darauf hingewiesen, die Kaffeemaschinen aus dem Sortiment zu nehmen und auf keinen Fall weiterhin zu verkaufen. Da den Verkäufer somit ein Verschulden trifft, muss er für den durch den Zimmerbrand entstandenen Sachschaden nach §§ 437 Nr. 3, 280 Absatz 1 BGB aufkommen. Eine Frist muss hier nicht ablaufen, da sie in dieser Konstellation sinnlos ist.

Diesen Anspruch auf Schadensersatz kann der Käufer auch ohne Fristablauf geltend machen, da sich der Anspruch nicht auf die Mangelhaftigkeit der Sache, sondern nur auf die Konsequenzen des Mangels bezieht.

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3. Ein Sachmangel wirkt sich schädigend auf eine andere Sache oder ein Rechtsgut (Gesundheit; körperliche Unversehrtheit) aus. Wer haftet für einen solchen Mangelfolgeschaden?

Mangelfolgeschäden sind Schadenseinschläge, die durch die Mangelhaftigkeit der Kaufsache an einer anderen Sache oder einem sonstigen Rechtsgut des Käufers entstehen. Mangelfolgeschäden muss der Verkäufer dann ersetzen, wenn er nicht beweisen kann, dass er den Mangel nicht zu vertreten hat (vgl. § 280 Absatz 1 BGB) , insbesondere, dass ihn diesbezüglich keinerlei Verschulden trifft.

Beruht der Schaden allerdings nachweislich auf einer unsachgemäßen Handhabung durch den Käufer und somit nicht auf dem Mangel der Kaufsache, ist ein Anspruch auf Schadensersatz schon allein deshalb ausgeschlossen, weil der Mangel nicht ursächlich für den Schaden gewesen ist.

4. Unter welchen Voraussetzungen kann ein Käufer den Kaufpreis in Form von Schadensersatz herausverlangen?

Bei einem mangelbedingten, auf die Kaufpreisrückzahlung gerichteten Schadensersatz handelt es sich um einen „Schadensersatz statt der ganzen Leistung“. Der Käufer möchte anstelle der Leistung seine gesamte Gegenleistung zurück.

Ein derartiger Ersatzanspruch des Käufers setzt voraus, dass dieser dem Verkäufer erfolglos eine angemessene Frist zur Nacherfüllung gesetzt hat oder die Nacherfüllung bereits endgültig gescheitert ist.

Achtung: Besonderheiten bei Verbrauchsgüterkäufen ab dem 01.01.2022

Liegt ein Verbrauchsgüterkauf (Kaufvertrag über Waren zwischen Unternehmer und Verbraucher vor), gelten für den Verbraucher ab dem 01.01.2022 besondere Privilegien:

Ab dem 01.01.2022 ist es nicht mehr erforderlich, dass der Verbraucher eine ausdrückliche Frist zur Nacherfüllung setzt.

Vielmehr muss der Verkäufer die Nacherfüllung von sich aus innerhalb einer angemessenen Frist erbringen, § 475 Abs. 5 BGB.

Verstreicht eine solche Frist fruchtlos, kann der Verbraucher sofort Schadensersatz geltend machen, §§ 475d Abs. 2 BGB i.V.m. §§ 280 Abs.1, Abs. 3, 281 BGB.

Ein Fristablauf ist ferner entbehrlich, wenn

  • sich trotz der vom Unternehmer versuchten Nacherfüllung ein Mangel zeigt
  • der Mangel derart schwerwiegend ist, dass er den sofortigen Schadensersatz rechtfertigt
  • der Händler die ordnungsgemäße Nacherfüllung (berechtigt oder unberechtigt) verweigert hat oder
  • es nach den Umständen offensichtlich ist, dass der Händler nicht ordnungsgemäß nacherfüllen wird.

Wann ein Mangel derart schwerwiegend ist, dass er zur sofortigen Schadensersatzforderung berechtigen soll, führt das Gesetz nicht aus und wird durch die Rechtsprechung zu konkretisieren sein.

Andere gesetzliche Tatbestände, nach denen eine Fristsetzung entbehrlich sein kann (§ 281 Abs. 2, 440 BGB) finden ab dem 01.01.2022 bei Verbrauchsgüterkäufen in Bezug auf den Schadensersatz keine Anwendung mehr.

Zudem muss der Verkäufer die Mangelhaftigkeit der Sache zu vertreten haben, diese also in aller Regel zumindest fahrlässig verschuldet haben.

Hierfür ist der Verkäufer beweispflichtig. Dies bedeutet, er muss nachweisen, dass ihn gerade kein Verschulden trifft. Gelingt ihm dies nicht, so vermutet das Gesetz, dass ein Verschulden des Verkäufers vorliegt.

5. Wie verhält es sich, wenn Angestellte des Verkäufers den Sachmangel herbeiführen. Hat der Verkäufer dies zu vertreten?

Zu Lasten des Verkäufers wird gemäß § 278 BGB das Verhalten von Angestellten (sog. Erfüllungsgehilfen) dem Verkäufer zugerechnet. Machen also Angestellte des Verkäufers einen Fehler, verursachen sie etwa einen Mangel an der Kaufsache, und trifft sie dabei ein Verschulden, dann verhält es sich nach dem Gesetz so, als habe der Verkäufer selbst gehandelt. Letztlich haftet so der Verkäufer für die Fehler und das Verschulden seiner Angestellten.

6. Hat der Verkäufer einen Sachmangel auch dann zu vertreten, wenn er letztlich dem Versandunternehmen zuzuschreiben ist?

Ja, zumindest beim Verbrauchsgüterkauf. Dort muss der Verkäufer gemäß § 475 Absatz 2 BGB in Verbindung mit § 447 BGB für das Verschulden des Versandunternehmens einstehen. Ist somit zwischen dem Verkäufer und dem Verbraucher ein Versand der Kaufsache an den Verbraucher vereinbart, schuldet der Verkäufer dem Verbraucher die Übergabe der mangelfreien Kaufsache und hat auch ein Verschulden eines unabhängigen Transportunternehmens (z. B. DHL, Hermes, UPS etc.) zu vertreten.

7. Muss der Käufer die mangelhafte Sache nach Geltendmachung des Schadensersatzanspruchs herausgeben?

Das lässt sich pauschal nicht beantworten. Es kommt zum einen darauf an, um welche Art von Schadensersatz es geht. Geht es nur um einen Schaden, den die mangelhafte Kaufsache an anderen Dingen des Käufers verursacht hat, so muss der Käufer das mangelhafte Produkt nicht zurückgeben.

Beispiel: In einer fabrikneuen Waschmaschine sind Chemikalienrückstände enthalten, die nach ordnungsgemäßer Inbetriebnahme durch den Käufer im ersten Waschgang Schäden an dessen Kleidung verursacht. Hier kann der Käufer die Waschmaschine behalten, wenn er lediglich den Schaden an der Kleidung ersetzt bekommen möchte – etwa wenn die Waschmaschine nun nach einer fachgerechten Reinigung im Rahmen einer Reparatur oder durch Auswaschung von ganze alleine mangelfrei geworden ist.

Zum anderen hängt die Pflicht des Käufers zur Rückgabe der mangelhaften Kaufsache davon ab, ob der Käufer sie behalten und daher im Rahmen des Schadensersatzes lediglich den Wertunterschied zwischen dem mangelhaften und einem mangelfreien Produkt ausgeglichen bekommen möchte.

Begehrt der Käufer jedoch – etwa nach einem teureren Deckungskauf – sog. Schadensersatz statt der ganzen Leistung nach § 281 BGB bzw. nach § 283 BGB, so muss er die mangelhafte Kaufsache dem Verkäufer nach § 281 Absatz 5 BGB bzw. nach §§ 283, 281 Absatz 5 BGB zurückgeben.

Es spricht viel dafür, dass diese Rückgabepflicht des Käufers mit einer Rücknahmepflicht des Verkäufers auch beim Schadensersatz statt der Leistung korrespondiert, der Verkäufer die Rückgabe der mangelhaften Sache also nicht verweigern kann. Es liegt insofern eine Analogie zu dem ab dem 01.01.2022 geltenden § 439 Abs. 6 Satz BGB nahe.

Beispiel: Der Käufer kauft ein Radio des Typs XY vom Hersteller Z beim Verkäufer für 30 Euro. Zu Hause gibt das Gerät jedoch keinen Ton von sich. Eine angemessene Frist zur vom Käufer begehrten Nacherfüllung läuft erfolglos ab. Daraufhin erwirbt der Käufer das Radio desselben Typs und Herstellers in einem anderen Geschäft für 40 Euro. Verschulden des Verkäufers vorausgesetzt, muss dieser dem Käufer nun die 40 Euro (statt der ursprünglichen 30€ in Höhe des Kaufpreises) bezahlen. Der Käufer muss dem Verkäufer das Radio zurückgeben und der Verkäufer muss es auch tatsächlich zurücknehmen.

8. Die Nacherfüllung verzögert sich, es wurde aber kein fester Termin vereinbart. Hat der Käufer einen Anspruch auf Schadensersatz?

Ja, wenn ihm durch die Verzögerung nachweislich ein Schaden entstanden ist (Verzögerungsschaden). Allerdings muss der Käufer gegenüber dem Verkäufer zunächst eine Mahnung aussprechen. Hierfür genügt eine Aufforderung zur sofortigen Lieferung.

Einen Verzögerungsschaden nach §§ 280 Absatz 1, Absatz 2, 286 BGB kann der Käufer neben einem etwaigen Schadensersatz für die mangelhafte Sache selbst geltend machen. Ein Anspruch auf Schadensersatz besteht jedoch gemäß § 286 Absatz 4 BGB nicht, wenn der Verkäufer beweisen kann, dass er die Verzögerung der Nacherfüllung nicht zu vertreten hat, ihn also für die Verzögerung insbesondere kein Verschulden trifft. Hat der Verkäufer dem Käufer die pünktliche Nacherfüllung – etwa im Rahmen einer Garantieerklärung – garantiert, so muss er den Verzögerungsschaden des Käufers auch dann begleichen, wenn ihn ansonsten kein Verschulden trifft.

9. Die Nacherfüllung verzögert sich trotz eines vereinbarten Termins. Hat der Käufer einen Anspruch auf Schadensersatz?

Ja, sofern ihm durch die Verzögerung der Nacherfüllung ein Schaden entstanden ist (Verzögerungsschaden).

Ist ein fester Termin für die Nacherfüllung zwischen Käufer und Verkäufer vereinbart worden, so kann der Käufer den Anspruch auf Ersatz des Verzögerungsschadens sofort geltend machen. Gemäß § 286 Absatz 2 Nr. 1 BGB braucht er den Verkäufer dann nicht erst zu mahnen.

Ein Schadensersatzanspruch des Käufers scheidet jedoch gemäß § 286 Absatz 4 BGB auch dann aus, wenn der Verkäufer beweisen kann, dass er die Verzögerung nicht zu vertreten hat.

Beispiel: Der Käufer kauft am Montag ein Fahrrad. Zu Hause stellt er fest, dass die Bremsen nicht einwandfrei funktionieren, da die Bremsklötze nicht montiert worden sind. Er bringt das Fahrrad daher am nächsten Tag beim Verkäufer vorbei und fordert ihn dazu auf, dass Fahrrad bis zum Freitag zu reparieren. Als der Käufer das Fahrrad am Freitag wie vereinbart abholen will, muss er feststellen, dass das Fahrrad noch vollkommen unangetastet geblieben ist.

Nun muss der Verkäufer dem Käufer Schadensersatz für die Verzögerung der Nacherfüllung zahlen, etwa für die Kosten der Tram-Fahrkarten, die der Käufer nun aufwenden muss, um statt mit dem Fahrrad mit der Tram zur Arbeit zu kommen – allerdings nur, wenn der Verkäufer die fehlende Reparatur zum vereinbarten Zeitpunkt zu vertreten hat, so z. B. wenn er einfach keine Lust hatte, das Fahrrad zu reparieren.

Anders sieht es aus, wenn dem Verkäufer kein Verschulden zur Last liegt, beispielsweise wenn die Bremsklötze gegenwärtig nicht geliefert werden können. Dann muss er keinen Schadensersatz leisten.

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Bildquelle:
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