Verweise auf nicht spezifische Vorteile und „Risk Reduction Claims“ – Teil 5 der Serie zur HCVO

Verweise auf nicht spezifische Vorteile und „Risk Reduction Claims“ – Teil 5 der Serie zur HCVO

Neue Serie zur Health-Claims-Verordnung (HCVO) Tipp: Weiterführende Informationen zum Thema finden Sie hier: "Neue Serie zur Health-Claims-Verordnung (HCVO)"

Der 5. Teil der Serie zur Health-Claims-Verordnung (HCVO) befasst sich mit den besonderen gesundheitsbezogenen Angaben in Form von allgemeinen Verweisen und Aussagen über die Reduzierung von Krankheitsrisiken. Wann ist von derartigen Angaben auszugehen und welchen besonderen Zulässigkeitsvoraussetzungen unterliegen sie sie? In welchem Verhältnis stehen die Angaben zu den allgemeinen Bestimmungen der HCVO und zu anderen europäischen Rechtsakten? Antworten auf diese und weitere Fragen finden Sie im folgenden Beitrag.

Fragen zu Verweisen auf allgemeine, nichtspezifische Vorteile für die Gesundheit nach Art. 10 Abs. 3

Frage: Was gilt bei der Verwendung allgemeiner, nichtspezifischer Vorteile für die Gesundheit?

Verweise auf allgemeine, nichtspezifische Vorteile des Nährstoffs oder Lebensmittels für die Gesundheit im Allgemeinen oder das gesundheitsbezogene Wohlbefinden sind nach Art. 10 Abs. 3 der HCVO nur zulässig, wenn ihnen eine in einer der Listen nach Artikel 13 oder 14 enthaltene speziell zugelassene gesundheitsbezogene Angabe beigefügt ist (sogenanntes „Koppelungsgebot“).

Zu beachten ist aber, dass es sich bei derartigen allgemeinen Verweisen begrifflich dennoch um gesundheitsbezogene Angaben handelt (BGH, Urteil v. 17.01.2013 - I ZR 5/12 – Vitalpilze) , die den allgemeinen Anforderungen der Art. 3-7 unterfallen.

Frage: Wieso unterliegen auch derartige allgemeine Verweise besonderen Zulässigkeitsvoraussetzungen?

Würden allgemeine Gesundheitsverweise bedingungslos zugelassen, so könnten Lebensmittelunternehmer unter Abstandnahme von spezifischen Wirkungshinweisen die strengen Zulässigkeitsvoraussetzungen der HCVO durch allgemein gehaltene Formulierungen umgehen und sodann diese werbewirksam für ihre Produkte einsetzen.

Gerade nicht spezifische Angaben bergen aber ein hohes Irreführungspotenzial, weil sie von den betroffenen Verbrauchern besonders weit interpretiert werden und mithin eine bedeutsame Täuschungseignung aufweisen können. Auch bei ihnen handelt es sich um gesundheitsbezogene Angaben (BGH, Urteil v. 17.01.2013 - I ZR 5/12 – Vitalpilze).

Aufgrund der fehlenden Spezifizierung konnten sie allerdings nicht in die nach Art. 13 HCVO vorgesehene Gemeinschaftsliste einbezogen werden, da kein hinreichend normierbarer Fallbezug gegeben war.

Dieser Mangel wird durch den Art. 10 Abs. 3 dadurch ausgeglichen, dass die Zulässigkeit von allgemeinen Verweisen von der begleitenden Anführung einer spezifischen gesundheitsbezogenen Angabe abhängig gemacht wird, die das Allgemeine konkretisiert.

Dabei sollten die speziellen Angaben aus den Listen der zulässigen gesundheitsbezogenen Angaben einen gewissen Bezug zu dem Verweis auf die allgemeinen Vorteile haben. Je breiter dieser Verweis ausgelegt wird, z. B. „für eine gute Gesundheit“, desto mehr gesundheitsbezogene Angaben aus den Listen der zulässigen gesundheitsbezogenen Angaben könnten als begleitende Angaben zum Verweis in Frage kommen.

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Frage: Was ist unter Verweisen auf allgemeine, nichtspezifische Vorteile zu verstehen?

Art. 10 Abs. 3 HCVO erfasst Aussagen, die zwar auf eine der in Art. 13 Abs. 1 und Art. 14 Abs. 1 der Verordnung genannten Funktionen Bezug nehmen, dennoch einen hinreichend relevanten Gesundheitsbezug aufweisen , aber aufgrund ihrer allgemeinen und unspezifischen Formulierung nicht Gegenstand eines Zulassungsverfahrens sein könnten (BGH, Urt. v. 12.2.2015 – Az. I ZR 36/11 – Monsterbacke II).

Darunter fallen Angaben wie:

  • "zur Unterstützung einer optimalen Leistungsfähigkeit"
  • "erhöht die Ausdauer und Leistungsfähigkeit" (vgl. BGH, Urt. v. 17.1.2013 – Az. I ZR 5/12 – Vitalpilze)
  • "So wichtig wie das tägliche Glas Milch" (BGH, Urt. v. 12.2.2015 – Az. I ZR 36/11 – Monsterbacke II)

Nach Ansicht des KG Berlin (Urteil v. 27.05.14 – Az. 5 U 76/12) fallen unter Art. 10 Abs.3 dahingegen keine gänzlich unspezifischen Gesundheitsangaben, die nur die Gesundheit im Allgemeinen in Bezug nehmen und darüber hinaus keinen weitergehenden Bedeutungsgehalt aufweisen (für das Beispiele „große Vorteile für die Gesundheit“).

Diese Ansicht erscheint zweifelhaft, da die Mehrheit der deutschen Gerichte sich einer Betrachtungsweise angeschlossen haben, nach der Art. 10 Abs. 3 HCVO auch auf die Gesundheit im Allgemeinen oder das gesundheitsbezogene Wohlbefinden bezogene Aussagen erfasst (so ausdrücklich das OLG Hamm, Urteil v. 7.10.2014 – Az. 4 U 138/13)

Im Zweifel sollte das Vorliegen eines unspezifischen Verweises nach Art. 10 Abs. 3vor dessen Verwendung stets einzelfallbezogen von Rechtsexperten überprüft werden.

Frage: Gelten die Informationspflichten des Art. 10 Abs. 2 auch für unspezifische Verweise nach Art. 10 Abs. 3?

Lange Zeit war umstritten, ob die spezifischen Hinweispflichten für gesundheitsbezogene Angaben nach Art. 10 Abs. 2 HCVO auch für die Verweise auf allgemeine Vorteile nach Abs. 3 anzuwenden waren und somit auch dort als Zulässigkeitsbedingung anzusehen waren.

In einem Grundsatzurteil bestätigte jüngst der BGH (Urt. v. 12.2.2015 – Az. I ZR 36/11 – Monsterbacke II) die unbedingte Geltung der Hinweispflichten auch für nichtspezifische Verweise und geht von einer Unzulässigkeit dann aus, wenn diese nicht mit den Pflichtinformationen verbunden sind.

Dazu führte er aus:

"Die Regelung des Art. 10 Abs. 2 der HCVO steht selbständig neben der des Art. 10 Abs. 1 dieser Verordnung (vgl. EuGH, GRUR 2014, 587 Rn. 28 bis 30 - Ehrmann). Sie gilt daher auch für gesundheitsbezogene Angaben in Form von Verweisen auf nichtspezifische Vorteile im Sinne von Art. 10 Abs. 3 der HCVO. Insbesondere ist nicht ersichtlich, dass die in Art. 10 Abs. 2 dieser Verordnung unter den Buchst. a bis d angesprochenen Informationen bei nichtspezifischen Verweisen im Sinne von Art. 10 Abs. 3 der Verordnung nicht ebenso sinnvoll sind und gegeben werden können wie bei den anderen gesundheitsbezogenen Angaben, die dem Art. 10 Abs. 1 der Verordnung unterfallen und deshalb nicht ohne Zulassung und Aufnahme in die Liste der zugelassenen Angaben gemäß den Art. 13 und 14 der Verordnung verwendet werden dürfen."

B. Angaben über die Verringerung eines Krankheitsrisikos

Frage: Ist krankheitsbezogene Werbung in Zukunft in Deutschland verboten?

Bis zu seiner Aufhebung ging das Verbot krankheitsbezogener Werbung aus § 12 Abs. 1 I Nr. 1 des deutschen Lebensmittel-, Bedarfsgegenstände- und Futtermittelgesetzbuch (LFGB) hervor. Nunmehr ist die Unzulässigkeit derartiger Werbeaussagen in der europäischen Lebensmittelinformationsverordnung (LMIV) normiert. In deren Art. 7 Abs. 3 heißt es:

"Vorbehaltlich der in den Unionsvorschriften über natürliche Mineralwässer und über Lebensmittel, die für eine besondere Ernährung bestimmt sind, vorgesehenen Ausnahmen dürfen Informationen über ein Lebensmittel diesem keine Eigenschaften der Vorbeugung, Behandlung oder Heilung einer menschlichen Krankheit zuschreiben oder den Eindruck dieser Eigenschaften entstehen lassen."

Nach Art. 7 Abs. 4 LMIV gilt dies vollumfänglich auch für die Werbung.

Allerdings ist unbedingt zwischen krankheitsbezogener Werbung und Angaben über die Reduzierung eines Krankheitsrisikos zu unterscheiden. Letztere sind nach Art. 14 HCVO zwar grundsätzlich ebenfalls nicht erlaubt, können aber ausnahmsweise nach einer behördlichen Genehmigung und unter Berücksichtigung der Erfordernisse des Art. 14 Abs. 2 HCVO zulässig sein.

Problematisch mag auf den ersten Blick erscheinen, dass das generelle Verbot der LMIV einem Verbot mit Erlaubnisvorbehalt aus der HCVO gegenübersteht.

Richtigerweise ist Art. 7 Abs. 3 LMIV dann, wenn eine krankheitsreduzierende Angabe nach der HCVO vorliegt, zugelassen wurde und mit den Pflichthinweisen nach Art. 14 Abs. 2 verwendet wird, nicht anwendbar.

Anderenfalls unterliefe das absolute Verbot der LMIV die Sonderregelung des Art. 14 HCVO. Ebendies ergibt sich deklaratorisch auch aus dem abgeänderten §11 Abs. 3 LFGB.

Frage: Was sind Angaben über die Verringerung eines Krankheitsrisikos und welchen Anforderungen unterliegen sie?

Angaben über die Verringerung eines Krankheitsrisikos (engl.: risk reduction claims) sind Angaben, mit denen erklärt, suggeriert oder auch nur mittelbar zum Ausdruck gebracht wird, dass der Verzehr einer Lebensmittelkategorie, eines Lebensmittels oder eines Lebensmittelbestandteils einen Risikofaktor für die Entwicklung einer Krankheit beim Menschen deutlich senkt (vgl. Artikel 2 Abs. 2 Nr. der Health-Claims Verordnung).

Derartige Angaben sind nur erlaubt, wenn sie in einer eigens vorgesehen Gemeinschaftsliste nach behördlichem Genehmigungsverfahren zugelassen worden sind. Eine Auflistung der bisher zulässigen Angaben ergeht aus der EU-Verordnung Nr. 1226/2014 und der EU-Verordnung Nr. 1228/2014.

Neben der Zulassungspflicht der Angaben muss bei der Verwendung von risk reduction claims zusätzlichen Hinweispflichten genügt werden. So ist derartigen Angaben nach Art. 14 Abs. 2 HCVO

- eine Erklärung, dass die Krankheit, auf die sich die Angabe bezieht, durch mehrere Risikofaktoren bedingt ist, und
- der Hinweis, dass die Veränderung eines dieser Risikofaktoren eine positive Wirkung haben kann oder auch nicht,
beizufügen.

Frage: Was gilt bei Werbeaussagen über Krankheitsrisiken und Aussagen in Bezug auf Kinder?

Wenn die Reduzierung eines Krankheitsrisikos versprochen wird, wie zum Beispiel durch die Aussage "Reduziert die Osteoporose-Gefahr", oder wenn speziell auf Kinder gezielt wird, z.B. mit der Äußerung „enthält viel Calcium für ein gesundes Knochenwachstum bei Kindern“, ist eine ausdrückliche Genehmigung im Rahmen des Einzelzulassungsverfahrens (s.o.) notwendig.

Zu beachten ist, dass aus der Formulierung des Art. 14 Abs. 1 HCVO "Angaben über die Ent¬wicklung und die Gesundheit von Kindern" im Hinblick auf den Schutzzweck der Norm nicht hergeleitet werden kann, dass sich die Angaben sowohl auf die Entwicklung als auch auf die Gesundheit beziehen müssen. Einzubeziehen sind auf jeden Fall sämtliche Angaben, die sich unabhängig von der Entwicklung auf die Gesundheit von Kindern beziehen (OLG Koblenz, Urt. v. 13.12.2013 – Az. 9 U 405/13 – Rotbäckchen)

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