Reparatur oder gleich neue Ware? Rechte und Pflichten von Verbraucher und Händler bei Mängeln
Nicht selten kommt es vor, dass sich nach dem Kauf eines neuen Produkts herausstellt, dass es nicht einwandfrei funktioniert. Die Rechte und Pflichten von Verbraucher und Händler sind bei Mängeln nicht nur sehr praxisrelevant, sondern auch vielseitig und komplex. Verbraucher wünschen sich häufig, dass ihr defektes Produkt gegen ein völlig neues ausgetauscht wird. Doch sind Händler tatsächlich dazu verpflichtet dem Verbraucher im Mangelfall ein neues Produkt auszuhändigen? Welche Kosten können daneben noch für den Händler anfallen? Haben Unternehmer ein solches Wahlrecht? Und können sie, wenn die Ware schon beim Einkauf vom Lieferanten mangelhaft war, Ersatz verlangen?
Inhaltsverzeichnis
- Rechte des Käufers bei Mängeln
- Grenzen: Wann ist das Verlangen des Verbrauchers unberechtigt mit der Folge, dass der Händler die gewählte Art der Nachlieferung verweigern darf?
- Umfang der Nachlieferung bei eingebauten Sachen: Umfasst die Nachlieferung auch den Ausbau der bereits eingebauten Sache sowie den Einbau der neu gelieferten Sache?
- Wie lange hat ein Verbraucher das (Wahl)Recht zur Nacherfüllung?
- Kann der Verbraucher Kosten, die im Zusammenhang mit der Nacherfüllung entstanden sind, ersetzt verlangen?
- Muss ein Verbraucher die mangelhafte Sache an den Händler herausgeben, wenn eine neue Sache geliefert wurde?
- Gilt das Wahlrecht auch zwischen Unternehmern?
- Was genau kann der Unternehmer verlangen?
Rechte des Käufers bei Mängeln
Liefert der Händler eine mangelhafte Sache, wird der ursprüngliche Leistungsanspruch in einen Nacherfüllungsanspruch modifiziert. Dieser soll dem Verkäufer die Möglichkeit geben, seine Pflicht aus dem Kaufvertrag trotz des Mangels noch zu erfüllen. Denn liefert der Verkäufer eine mangelhafte Sache, hat er seine Pflicht aus dem Kaufvertrag zur Verschaffung einer mangelfreien Kaufsache noch nicht erfüllt und somit seine geschuldete Leistung noch nicht erbracht.
Steht dem Verbraucher ein Nacherfüllungsanspruch zu, kann er wahlweise nach eigenem Interesse verlangen, dass die mangelhaft gelieferte Sache entweder repariert bzw. die defekten Einzelteile ausgetauscht werden (Nachbesserung) oder direkt eine neue Sache geliefert wird (Nachlieferung), § 439 Abs. 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB). Er kann insoweit den Händler hierzu auffordern, ohne dass diesen ein Verschulden treffen muss. Gleichzeitig muss dem Verkäufer die Möglichkeit eingeräumt werden, die Sache auf den Mangel zu überprüfen.
Voraussetzung des Nacherfüllungsanspruchs ist, dass ein behebbarer Mangel bei Gefahrübergang vorliegt, was zugunsten eines Verbrauchers vermutet wird, § 476 BGB. Entsteht ein Mangel entgegen der Vermutung erst nach Gefahrübergang, so liegt dies nicht mehr im Verantwortungsbereich des Verkäufers. Der Gefahrübergang erfolgt mit der Übergabe der Kaufsache an den Verbraucher, § 446 BGB.
Beispiel 1: Bei einem Versandhandel wird die Sache nicht persönlich an den Verbraucher übergeben. Sie wird durch ein Transportunternehmen verschickt. Der Gefahrübergang ist beim Versendungskauf (nur wenn der Käufer Verbraucher ist!) ebenfalls erst, wenn der Verbraucher die Ware erhalten hat.
Beispiel 2: Ein spezielles Auto wird als „unfallfrei“ verkauft. Stellt sich später heraus, dass das nicht stimmt, so ist der Mangel nicht behebbar. Hat das Auto hingegen nur einen Defekt am Autoradio, liegt ein behebbarer Mangel vor.
Das Wahlrecht kann gegenüber Verbrauchern nicht durch AGB eingeschränkt werden. Die Nacherfüllung ist vorrangig gegenüber einem Anspruch auf Schadensersatz, Minderung oder Rücktritt.
Grenzen: Wann ist das Verlangen des Verbrauchers unberechtigt mit der Folge, dass der Händler die gewählte Art der Nachlieferung verweigern darf?
Die Lieferung einer neuen Sache entspricht oft nicht dem Interesse des Verkäufers, da dies mit einer hohen finanziellen Belastung verbunden sein kann. Kommen beide Arten der Nacherfüllung – sprich Nachbesserung und Nachlieferung – in Betracht, kann der Händler die Lieferung einer neuen Sache verweigern, wenn dies gegenüber der Beseitigung des Mangels unverhältnismäßig hohe Kosten verursacht, § 439 Abs. 3 S. 2, letzter Halbs. BGB. Dies gilt umgekehrt auch für eine Beseitigung des Mangels, wenn dies gegenüber einer Neulieferung unverhältnismäßige Kosten verursacht. Bei einer Unverhältnismäßigkeit beschränkt sich der Anspruch also nur noch auf die andere Art der Nacherfüllung.
Beispiel 1: Bei einem Neuwagen gibt es einen Fehler des Keilriemens. Der Austausch des Keilriemens ist ein geringer Aufwand. Dagegen ist die Ersatzlieferung eines ganzen Autos unverhältnismäßig.
Beispiel 2: Bei einem Kopfhörer im Wert von 5 € mit Kabelbruch ist die Reparatur für den Verkäufer im Verhältnis zur Lieferung eines neuen Kopfhörers unverhältnismäßig.
Bestimmt wird eine Unverhältnismäßigkeit insbesondere durch eine Abwägung des objektiven Werts der Sache in mangelfreiem Zustand mit den geschätzten Kosten der gewählten Nacherfüllung und der Bedeutung des Mangels.
Umfang der Nachlieferung bei eingebauten Sachen: Umfasst die Nachlieferung auch den Ausbau der bereits eingebauten Sache sowie den Einbau der neu gelieferten Sache?
In manchen Fällen ist der Austausch der defekten Teile mit einem erheblichen Kostenaufwand verbunden. Dabei stellt sich die Frage, ob der zur Nacherfüllung verpflichtete Händler auch die Kosten für den Ausbau der mangelhaften bzw. den Einbau der neu gelieferten Sache übernehmen muss. Ist die mangelhafte Ware nämlich eingebaut oder verlegt worden, so können sehr hohe Kosten mit einem Austausch verbunden sein.
Beispiel: Ein Verbraucher kauft Bodenfliesen, die ihm nach Hause geliefert werden. Der Verbraucher lässt die Fliesen von einem Fliesenleger verlegen, den er direkt aus eigener Tasche bezahlt. Später fällt im Gegenlicht auf, dass die Oberfläche der Fliesen Schattierungen aufweist. Es stellt sich heraus, dass diese beim Einbau nicht erkennbar waren und bereits bei der Herstellung durch Polierfehler entstanden sind. Eine Nachbesserung ist nicht möglich, nur die Anlieferung neuer Fliesen. Der Händler fragt sich nun, ob er neben der Anlieferung der neuen Fliesen auch den Ausbau der alten und den Einbau der neuen Fliesen schuldet bzw. die Kosten dafür übernehmen muss. (Angelehnt an EuGH Urt. v. 16.6.2011, Rs. C65/09, C87/09 = NJW 2011, 2269).
Dieser Fall wurde durch den Europäischen Gerichtshof entschieden. Für Verbraucher legt er ausgehend von europarechtlichen Verbraucherschutzvorschriften fest, dass die Nacherfüllung für den Verbraucher stets unentgeltlich zu erfolgen hat. Hat der Verbraucher also ein Recht auf Nacherfüllung, so dürfen ihm hierbei keine Kosten auferlegt werden. Er ist so zu stellen, wie er stünde, wenn direkt mangelfreie Fliesen geliefert worden wären. Neben der Anlieferung neuer Fliesen hat der Händler somit die Pflicht, die mangelhaften Fliesen auszubauen und die neu gelieferten Fliesen einzubauen bzw. die Kosten dafür zu übernehmen. Der Verbraucher kann sich also freuen, denn er muss grundsätzlich für keinerlei Kosten aufkommen. Zwar kann der Verkäufer bei unverhältnismäßigen Kosten eine Zahlung verweigern. Er schuldet dann aber wenigstens eine angemessene Beteiligung.
Wie lange hat ein Verbraucher das (Wahl)Recht zur Nacherfüllung?
Gewährleistungsechte, zu denen auch der Anspruch auf Nacherfüllung gehört, verjähren in der Regel nach zwei Jahren, § 438 Abs. 1 Nr. 2 BGB. Die Frist beginnt mit der Übergabe der Sache. Eine Besonderheit ergibt sich aus der Vermutung des § 476 BGB: Bei einem Mangel, der sich innerhalb von 6 Monaten nach Gefahrübergang zeigt, wird vermutet, dass er bereits bei Gefahrübergang vorlag. Nach Ablauf der 6 Monate muss der Verbraucher daher beweisen können, dass der Mangel nicht erst nach der Übergabe entstanden ist.
Kann der Verbraucher Kosten, die im Zusammenhang mit der Nacherfüllung entstanden sind, ersetzt verlangen?
Für den Verbraucher kann es zeitraubend und aufwändig sein, sich darum zu kümmern, dass ein Defekt repariert oder einfach eine neue Sache geliefert wird. Der Aufwand wird in Kauf genommen, damit das Produkt schnell wieder benutzt werden kann. Aber was, wenn dadurch sogar zusätzliche Kosten entstehen?
Beispiel: Der Autoverkäufer betreibt neben einem Autohandel auch eine Werkstatt. Der Verbraucher stellt bei einem Neuwagen, den er erst kürzlich bei dem Autoverkäufer gekauft hat, ein komisches Geräusch bei den Bremsen fest. Nach einem Anruf wird er gebeten, in die Werkstatt zu kommen, damit der Händler gleich einen Blick auf das Auto werfen und es bestenfalls reparieren kann. Der Verbraucher ärgert sich neben der Zeit um die Fahrtkosten zur Reparatur. Er sieht nicht ein, die Kosten für etwas zu tragen, das er nicht zu verantworten hat. Was kann er verlangen?
Der Verbraucher kann die Fahrtkosten und sonstige Kosten, die ihm durch die Nacherfüllung entstanden sind, erstattet verlangen. Den Verkäufer hat diese Kosten also zu tragen, zudem hat er eine Vorschusspflicht in Höhe eines angemessenen Betrages.
Muss ein Verbraucher die mangelhafte Sache an den Händler herausgeben, wenn eine neue Sache geliefert wurde?
Der Verbraucher hat die Pflicht, die mangelhafte Sache herausgeben, wenn ihm eine neue Sache im Zuge der Nacherfüllung herausgegeben wurde. Nutzungen, das sind die Früchte und Gebrauchsvorteile eine Sache oder eines Rechts (§ 100 BGB) , sind nicht herauszugeben.
Beispiel: Gekauft wurde ein Fahrrad, das 3 Monate nach dem Kauf aufgrund eines Mangels ausgetauscht wird. Das alte Fahrrad muss der Verbraucher im Gegenzug zum neuen Fahrrad herausgeben. Der Verbraucher muss aber nichts dafür zahlen, dass er das alte Fahrrad 3 Monate gebraucht hat.
Gilt das Wahlrecht auch zwischen Unternehmern?
Die bisherigen Ausführungen beziehen sich auf den Verbrauchsgüterkauf, der Kauf einer beweglichen Sache durch einen Verbraucher von einem Unternehmer. Kauft ein Unternehmer eine Sache von einem Unternehmer, hat er daher grundsätzlich kein Wahlrecht, da er kein Verbraucher ist.
Ein Händler, der aber neue Waren zum Weiterverkauf von einem Lieferanten oder direkt vom Hersteller bezieht, muss bei einer mangelhaft gelieferten Sache allerdings nicht auf dem Schaden sitzen bleiben, den er bei einer Sachmängelhaftung gegenüber dem Verbraucher erleidet. Ist er für den Mangel nicht verantwortlich, hat er vielmehr auch Ansprüche gegen seine Lieferanten, sog. Unternehmerregress nach §§ 478, 479 BGB. Zweck der Vorschriften ist, dass der Letztverkäufer in einer Lieferkette nicht einseitig durch die Vorschriften des Verbrauchsgüterkaufs belastet wird. Sie sollen einen Gleichlauf der Regressansprüche sicherstellen. Bei einer Lieferkette kann der Regress beliebig bis zum Hersteller innerhalb der Leistungsbeziehungen zurückgeführt werden.
Was genau kann der Unternehmer verlangen?
Nach § 478 Abs. 1 BGB hat der Unternehmer gegen seinen Lieferanten die Rechte aus § 437 BGB. Diese bestehen nicht erst nach Schadenseintritt, sondern schon mit der Geltendmachung der Rechte durch den Verbraucher. Zugunsten des Letzthändlers bestimmt § 478 Abs. 1 BGB, dass eine Fristsetzung gegenüber dem Lieferanten, anders als bei einem Verbrauchsgüterkauf, nicht erforderlich ist. Der Unternehmer kann daher neben einer Nacherfüllung auch vom Vertrag zurücktreten, den Kaufpreis mindern oder Schadensersatz verlangen.
Das Recht auf Nacherfüllung kann zwischen Unternehmern zudem auf eine der beiden Nacherfüllungsarten durch Individualvereinbarung oder AGB beschränkt werden. Der Verkäufer kann sich auch ein Wahlrecht vorbehalten.
Sind dem Unternehmer bei der Nacherfüllung Kosten entstanden, steht ihm zudem ein Aufwendungsersatzanspruch gegen den Lieferanten in Höhe dieser Kosten zu, § 478 Abs. 2 BGB.
Eine besondere Schärfung zwischen Unternehmern ergibt sich aus § 377 Handelsgesetzbuch (HGB). Der Unternehmer hat bei Erhalt der Ware eine unverzügliche Rügeobliegenheit. Er muss die Ware zumindest stichprobenartig untersuchen und, sollten sich Mängel herausstellen, diese beim Lieferanten rügen. Unterlässt er das, verliert er sein Recht auf Gewährleistung, sofern der Mangel erkennbar war.
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4 Kommentare
Nach Fristsetzung teilt der Händler nunmehr mit, dass ein Austausch der Möbel nicht möglich ist, weil die Modelle nicht mehr hergestellt werden. Alternative Modelle mit gleichen Maßen sind ebenfalls nicht mehr im Angebot. Eine Reparatur sei , wenn überhaupt, nur eingeschränkt möglich, weil das Furnier beschädigt ist. Eine eventuelle, optische Beeinträchtigung müsse insofern hingenommen werden.
Muss ich eine improvisierte Reparatur hinnehmen? Welche Rechte verbleiben mir als Verbraucher, wenn ein Austausch der beschädigten Schränke nicht möglich ist? Geld zurück ist keine gute Möglichkeit, weil ich dann den Stress mit Neubeschaffung und Einbau habe.
Danke.
Der Händler der SO handelt, handelt bereits GROB FAHRLÄSSIG! Das passiert nur den Händlern, die Gesetze ausreizen und meinen schlauer zu sein, als andere Verkäufer. Wenn dieser Händler ein vom Hersteller überholtes Gebrauchtgerät beziehen kann, dann ist er auf der sicheren Seite und erfüllt - egal wie alt dieses identische Gerät ist - diese Nachbesserung.