Was tun: Wenn Reparaturwerkstätten von Händlern als Müllhalden missbraucht werden?
Immer wieder kommt es vor, dass Kunden ihre defekten Geräte, wie Notebooks oder Drucker, nach Vorlage des Kostenvoranschlages bei der Werkstatt nicht abholen, wenn sich herausstellt, dass die Reparatur zu teuer werden wird. Sie wollen sich offenbar die Kosten für den Kostenvoranschlag sparen - und stellen sich blind und taub, wenn die Werkstatt versucht, sie telefonisch oder per Mail zu erreichen.
Inhaltsverzeichnis
Die IT-Recht-Kanzlei wird daher oft mit folgenden Fragen konfrontiert, die wir hier für alle geplagten Reparaturunternehmen beantworten wollen:
- Wie lange bin ich verpflichtet, solche Geräte aufzubewahren?
- Ab wann darf ich Komponenten aus den Geräten verkaufen, um meine Kosten zu decken?
- Reicht es, die Kunden per Mail darauf hinzuweisen, dass die Geräte ganz oder teilweise verkauft werden, wenn die Kunden ihr Gerät nicht abholen - oder ist hierfür ein Brief (oder gar ein Einschreiben) nötig, was ja noch weitere Kosten verursacht?
1. Zum Hintergrund
Ein Kostenvoranschlag für eine Reparatur oder gemäß § 632 BGB neuerdings „Kostenanschlag“ genannt, ist eine unverbindliche fachmännische Berechnung der voraussichtlichen Kosten im Rahmen einer Vertragsanbahnung. Das Gesetz geht davon aus, dass ein solcher Kostenanschlag, wenn die Parteien nichts anderes vereinbaren, nicht zu vergüten ist (§ 632 Abs. 2 BGB) .
Wird dem Unternehmer das zu reparierende Gerät für den Kostenanschlag überlassen, dann schließen die Parteien einen unentgeltlichen Verwahrungsvertrag. Der Unternehmer kann von seinem Kunden die Rücknahme der Sache verlangen, wenn der Vertrag über die Reparatur nicht zu Stande kommt, weil z.B. dem Kunden die Kosten für die Reparatur zu hoch sind (§ 696 BGB) . Dabei ist der Kunde verpflichtet, die Sache abzuholen. Weigert sich der Kunde, lässt das Gesetz den Unternehmer nicht im Stich. Der Kunden kommt nach einer Mahnung des Unternehmers in den so genannten Annahmeverzug (§§ 293 ff. BGB) . Der führt schon mal dazu, dass der Kunde nach § 304 BGB Aufwendungsersatz und Schadensersatz zu zahlen hat. Handelt es sich bei der verwahrten Sache nicht um Kostbarkeiten wie Geld, Wertpapiere und sonstige Urkunden, die hinterlegt werden müssen, kann der Unternehmer die Sache gemäß § 383 BGB versteigern (Selbsthilfeverkauf). Er kann den Erlös hinterlegen aber alle ihm auf Grund des Annahmeverzugs entstandenen Kosten sowie die vereinbarten Kosten für den Kostenanschlag von der zu hinterlegenden Summe abziehen (Aufrechnung). Der Unternehmer kann aber auch die Sache gemäß § 385 BGB durch einen öffentlich ermächtigten Handelsmakler verkaufen lassen.
Man könnte aber auch annehmen, dass der Eigentümer der zu reparierenden Sache (der sich weigert, diese abzuholen), dadurch den Willen bekundet, sein Eigentum erlöschen zu lassen. Die Sache würde dadurch herrenlos, so dass sie sich jeder aneignen könnte. Dies gilt natürlich auch für den Unternehmer. Es hängt von den Umständen des Einzelfalls ab, ob aus einer Rücknahmeverweigerung auf eine Eigentumsaufgabe (Dereliktion) geschlossen werden kann. Hier muss zur Zurückhaltung bei der Annahme einer Eigentumsaufgabe gemahnt werden. Denn, wenn der Eigentümer nicht ausdrücklich und nachweisbar erklärt hat, er hole sein Notebook auf keinen Fall ab und wolle es auch nicht mehr haben, kann er jederzeit behaupten, er habe die Mahnungen nicht erhalten und er habe das Notebook natürlich zurücknehmen wollen.
2. Zu den Fragen
Frage: Wie lange bin ich verpflichtet, solche Geräte aufzubewahren?
Antwort: Die Geräte können sofort verwertet werden, nach dem der Händler der Kunden nachweislich in Annahmeverzug gesetzt hat.
Frage: Ab wann darf ich Komponenten aus den Geräten verkaufen, um meine Kosten zu decken?
Antwort: Nach Eintritt des Annahmeverzuges darf das Gerät oder Teile des Gerätes durch einen Handelsmakler verkauft werden.
Frage: Reicht es, die Kunden per Mail darauf hinzuweisen, dass wir dies jetzt tun werden, wenn Sie ihr Gerät nicht abholen - oder ist da ein Brief (oder gar ein Einschreiben) nötig, was ja noch weitere Kosten verursacht?
Antwort: Eine Email reicht unter Beachtung der folgenden Grundsätze:
Auch elektronische Erklärungen per E-Mail sind Willenserklärungen. Das heißt, es gelten die selben Zugangsregeln wie für Briefe. Wer also im Geschäftsverkehr unter Verwendung von Internet-Adressen auftritt und eine E-Mail erhält, muss beweisen, warum er am Leeren seiner Mailbox mittels eines E-Mail-Client gehindert war (so das LG Fürth vom 07.05.2002 - 2 HK O 9431/01). Das OLG Düsseldorf gibt aber in einem Beschluss vom 04.10.2002 (23 U 92/02) auch dem Versender der Email Pflichten auf, der sich auf den Zugang einer Email berufen will. Er muss glaubhaft machen, dass ihm kein Eingabefehler bei der Adressierung der E-Mail unterlaufen ist, was durch Vorlage eines Ausdrucks des Sendeprotokolls geschehen kann. Zum anderen muss er glaubhaft machen, dass er eine hinreichende Kontrolle hinsichtlich des Zugangs der E-Mail vorgenommen hat, was entweder über eine automatische Sendebestätigung erfolgen kann oder aber durch Abwarten des Rücklaufs einer Unzustellbarkeits-E-Mail.
Es bleibt dem Empfänger dann nur noch die Behauptung, dass z. B. sein Provider einen Server-Ausfall hatte und dadurch die bestehenden POP3-Konten gelöscht worden sind. Diese Behauptung muss er aber auch glaubhaft machen.
Fazit
Ein Kunde, der sein kaputtes Gerät nicht abholt, weil ihm der Kostenanschlag zu hoch ist, stellt das Reparaturunternehmen vor große Schwierigkeiten und verursacht Kosten. Wer kann schon defekte Geräte lange Zeit aufbewahren? Wer will schon einen Handelsmakler beauftragen? Das Gesetz bietet zwar Lösungen an, diese sind aber sehr unhandlich.
Der Rat der IT-Recht Kanzlei ist, dass die Aufforderung zum Abholen nachweislich erfolgen muss. Auch kann das Gerät unfrei an den Kunden zurückgeschickt werden. Der Kunde hat keine Ansprüche, wenn das Gerät nicht ankommt, der Unternehmer aber nachweisen kann, dass er es verschickt hat. Die Kosten für den Kostenanschlag und Schadensersatzzahlungen können durch ein Inkassobüro eingetrieben werden. Am sinnvollsten erscheinen aber vertragliche Regelungen (AGB), die festlegen, dass der Unternehmer bei Annahmeverzug unter bestimmten Voraussetzungen selbst zur Verwertung der Sache berechtigt ist.
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Thommy Weiss / PIXELIO
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11 Kommentare
Kann ich in den AGB eben auch die Entsorgung festlegen?
Vielen Dank und viele Grüße
Sie schreiben:
Frage: Wie lange bin ich verpflichtet, solche Geräte aufzubewahren?
Antwort: Die Geräte können sofort verwertet werden, nach dem der Händler der Kunden nachweislich in Annahmeverzug gesetzt hat.
Frage: Ab wann darf ich Komponenten aus den Geräten verkaufen, um meine Kosten zu decken?
Antwort: Nach Eintritt des Annahmeverzuges darf das Gerät oder Teile des Gerätes durch einen Handelsmakler verkauft werden.
Mir ist die Frist nicht ganz klar. Ich schreibe ihm heute sie sind jetzt im Annahmeverzug und kann am gleichen Tag das Gerät verwerten?! Muss ich ihm nicht eine Frist einräumen in welcher er das Gerät abholen kann?
mfg
Steffen Hager
Wer schützt uns vor diesem Betrug und was können wir Kunden dagegen machen ?
Was aus der Müllhalde wird, kann ich beantworten : Unser Eigentum geht alles nach Russland.
folgendes Problem in unserer Firma:
Ein Kunde hat uns ein Gerät zur Reparatur (A0 Plotter) gebracht, den wir Instandsetzen sollten. Parallel hat er einen von uns neuen Plotter bekommen, sodass er am Ende den neuen Hauptsächlich bei sich nutzen wird und den alten, von uns zu reparierenden Plotter wieder abholt und als Backup bei sich nutzt.
Jetzt ist der Fall aktuell so:
Der Kunde reagiert auf keinerlei Korrespondenz in irgendeiner Art und Weise (weder mehrfach Email noch Anrufe). Gezahlt hat er ein halbes Jahr weder für Reparatur, noch für den neuen Plotter (700 + 1800 = 2.500 € Gesamtkosten). Wir sind nun soweit, dass wir via Creditreform das Geld an uns peu a peu abstottert zu ca. 500 € je Quartal.
-> Soweit so gut, aber: Der alte Plotter steht immer noch, seit nun einem Jahr, in unseren Räumlichkeiten. Wir haben den Kunden mehrfach freundlich darauf aufmerksam gemacht, dass er das Gerät bitte abhole oder halt uns mit der Rücklieferung beauftrage.
Meine Frage nun, wie man hier vorgehen sollte:
-> Den alten Plotter weiterhin bei uns einbehalten, bis die Creditreform uns den ausstehenden Gesamtbetrag überwiesen hat und dann mit der Abholanmahnung den alten, reparierten Plotter loswerden?
= Wie wäre der korrekte Ablauf bei dieser Mahnung zur Abholung. Welchen Zeitraum gilt es zu beachten und ist der im oberen Satz beschriebene Weg, der Königsweg?
(Wir fänden das ganze nicht halbsoverzwickt, wenn wir nicht schon das Gerät repariert hätten und er jetzt durch die Crefo Beträge an uns eingezogen bekommt. Ich habe da so meine Sorge, dass sobald wir sein Altgerät zur Abholung anmahmen, den Betrag für die Crefo an uns stoppt...)
Vielen Dank im Voraus für etwaige Hilfestellung :)
MfG,
eine ratloser Fachhändlerin für Drucker, MFP, Plotter.
Neu! Wäre bereit Max. 140€ zu bezahlen! Was kann ich dagegen tun???Geschehen in Wien
Das übliche menschliche Verhaltensmuster zeigt uns, dass wir lieber in den teuren, aber sauren Apfel beissen, als ihn zu bezahlen, und dann nicht essen zu dürfen.
Ich habe Kostenanschläge für ganz simple Reparaturen gesehen, z.B. den Austausch einer Druckereinheit eines Kopierer. Der Austausch selbst dauert 10 Minuten, die gesamten Kosten dafür 180 EUR. Für den Kostenanschlag (aus der Ferne automatisiert gestellt) wurden jedoch 80 EUR plus Steuer verlangt. Freilich wurde ausdrücklich betont, diese Kosten fielen bei einer Auftragserteilung ja eben nicht an.
Ob dies so durchsetzungsfähig wäre oder nicht ist dabei irrelevant, denn welcher Gewerbetreibende lässt sich wegen 80 EUR auf einen Rechtstreit ein.
Eine praktische Lösung des Problems, wäre es, wenn der Gesetzgeber die Kosten für Kostenanschläge in vernünftiger Relation zum Auftragswert oder Gegenstandswert, oder auch pauschal deckeln würde.
Weiterhin muss für den Reparateur die Pflicht bestehen, einen postenziellen Auftraggeber, gleich ob dieser privat oder gewerblich ist, unmissverständlich vor Erteilung einer Kostenanfrage auf die konkreten(!) dafür entstehenden Kosten hinweisen zu müssen. Und zwar eindeutiger, als das heute üblich ist.