Leitfaden: Reifen richtig im Internet kennzeichnen
Reifen müssen im Online-Handel hinsichtlich ihres Energieverbrauchs besonders gekennzeichnet werden. Eine EU-Kennzeichnungsverordnung stellt dazu verschiedene Anforderungen an Werbung, technischem Werbematerial und Angebote. Wir zeigen, wie diese Vorschriften korrekt umgesetzt werden.
Inhaltsverzeichnis
- Kennzeichnungspflichten: Allgemeine Fragen
- Welche Reifen sind überhaupt kennzeichnungspflichtig?
- Welche Reifen sind nicht kennzeichnungspflichtig?
- Fallen Reifen für Krafträder in den Anwendungsbereich der Verordnung?
- Werbung oder Angebot: Davon hängt Umfang der Kennzeichnung ab
- Einfache Werbung = reduzierte Kennzeichnung
- Technisches Werbematerial = erweiterte Kennzeichnung
- Konkretes Angebot = umfassende Kennzeichnung
- Was ist Werbung? Was ein Angebot?
- Beispiel für bloße Werbung
- Beispiele für Angebote
Kennzeichnungspflichten: Allgemeine Fragen
Welche Reifen sind überhaupt kennzeichnungspflichtig?
Die EU-Verordnung Nr. 2020/740 gilt nicht für alle Kraftfahrzeugreifen.
Vielmehr findet die Verordnung nach ihrem Artikel 2 Abs. 1 nur Anwendung auf
- Reifen für Kraftfahrzeuge zur Personenbeförderung wie etwa Pkw, Wohnmobile, Busse (C1),
- Reifen für Nutzfahrzeuge (etwa Transporter, Lkw oder Anhänger) mit dem Geschwindigkeitskategoriesymbol ≥ N (C2) und
- Reifen für Nutzfahrzeuge mit dem Geschwindigkeitskategoriesymbol ≤ M (C3).
Was bedeutet in dem Zusammenhang "Inverkehrbringen"?
"Artikel 3 Absatz 18 EU-Verordnung 2020/740 verweist auf die Definition des Begriffs in Artikel 3 Absatz 2 der Verordnung (EU) 2019/1020 über die Marktüberwachung und Konformität von Produkten: "Inverkehrbringen" bedeutet die erstmalige Bereitstellung eines Produkts auf dem Unionsmarkt.
Gemäß Artikel 3 Absatz 17 der Reifenkennzeichnungsverordnung in Verbindung mit Artikel 3 Absatz 1 der Marktüberwachungsverordnung bedeutet "Bereitstellung auf dem Markt" jede entgeltliche oder unentgeltliche Abgabe eines Produkts zum Vertrieb, Verbrauch oder zur Verwendung auf dem Unionsmarkt im Rahmen einer gewerblichen Tätigkeit.
Der Begriff des Inverkehrbringens bezieht sich auf jeden einzelnen Reifen (Einheit) und nicht auf einen Reifentyp.
Welche Reifen sind nicht kennzeichnungspflichtig?
Reifen, die nicht den Klassen C1, C2 oder C3 zuzuordnen sind, fallen grundsätzlich nicht in den Anwendungsbereich der EG-Verordnung EU-Verordnung Nr. 2020/740.
Aber auch nicht alle Reifen der Klassen C1, C2 und C3 unterliegen der Verordnung. Für bestimmte Reifentypen dieser Klassen gilt die Verordnung ausweislich des Artikels 2 Abs. 2 nicht.
Ausgenommen vom Anwendungsbereich sind danach neben Reifen, die nicht unter die Klassen C1, C2 oder C3 fallen:
- Reifen für den harten Geländeeinsatz (Spezialreifen, der vor allem unter schweren Geländebedingungen zum Einsatz kommt)
- Reifen, die ausschließlich für die Montage an Fahrzeugen ausgelegt sind, deren Erstzulassung vor dem 1. Oktober 1990 erfolgte;
- T-Notradreifen (Notreifen, der für den Betrieb mit einem höheren Druck als dem für Standardreifen und verstärkte Reifen festgelegten Druckbereich ausgelegt ist)
- Reifen mit einer zulässigen Geschwindigkeit von weniger als 80km/h
- Reifen für Felgen mit einem Nenndurchmesser ≤ 254 mm oder ≥ 635 mm
- Reifen mit Zusatzvorrichtungen zur Verbesserung der Traktion, z. B. Spikereifen
- Reifen, die ausschließlich für die Montage an Fahrzeugen ausgelegt sind, die ausschließlich für Rennen bestimmt sind
- gebrauchte Reifen, sofern solche Reifen nicht aus einem Drittland importiert werden.
Fallen Reifen für Krafträder in den Anwendungsbereich der Verordnung?
Nein, Reifen für Mofas, Mopeds, Motorroller und Motorräder sind nicht von der EU-Verordnung Nr. 2020/740 erfasst. Die Bereifung von Zweirädern lässt sich keiner der Reifenklassen C1, C2 oder C3 zuordnen und bleibt damit außen vor.
Werbung oder Angebot: Davon hängt Umfang der Kennzeichnung ab
Es ist ganz entscheidend, ob ein Online-Händler einen bestimmten Reifentypen im Internet
- bloß bewirbt,
- in technischem Werbematerial bewirbt oder
- konkret anbietet.
Genau hiervon hängt der Umfang der gesetzlichen Kennzeichnungspflicht ab!
Einfache Werbung = reduzierte Kennzeichnung
Bewirbt ein Online-Händler bloß einen bestimmten Reifentyp im Internet außerhalb von technischem Werbematerial, so zeigt sich der Gesetzgeber genügsam:
Es ist in der Werbung lediglich das elektronische Etikett darzustellen. Wenn auf dem Werbematerial der Preis dieses Reifens angegeben ist, ist die Reifenkennzeichnung in der Nähe der Preisangabe anzuzeigen.
Gerade bei visuellem Werbematerial im Internet für einen bestimmten Reifentyp ist es in rechtlicher Hinsicht auch ausreichend, das Etikett bloß bei der Werbung zu verlinken (sog. "geschachtelte Anzeige", vgl. Artikel 6 Abs. 2 EU-Verordnung Nr. 2020/740).
Empfehlung der IT-Recht Kanzlei zur "geschachtelten Anzeige"
Die EU-Verordnung Nr. 2020/740 äußert sich selber nicht zu den Anforderungen, die bei einer "geschachtelten Anzeige" einzuhalten sind.
Wir empfehlen bei der Verlinkung des Etiketts die Einhaltung folgender Regeln (analog der Vorgaben diverser anderer EU-Kennzeichnungsverordnungen):
So sollte ein (links oder rechtsbündiger) Pfeil in der Farbe der Energieeffizienzklasse des Produkts auf dem Etikett verwendet werden. Dieser Pfeil sollte die Energieeffizienzklasse des Produktes als Buchstabe in Weiß und in einer Schriftgröße enthalten, die der des Preises entspricht. Außerdem sollte der Pfeil auf der stumpfen, also nicht zugespitzten Seite das Spektrum der Effizienzklassen ausweisen.
Zudem sollte:
- der Pfeil auf dem Bildschirm des Verbrauchers in der Nähe des Produktpreises dargestellt werden
- die Bilddatei des Pfeils mit einem Link zum Etikett versehen sein
- das Etikett nach einem Mausklick auf das Bild des Pfeils, nach einem Maus-Rollover über das Bild oder nach dem Berühren oder Aufziehen des Bildes auf einem Touchscreen angezeigt werden
- das Etikett in einem Pop-up-Fenster, auf einer neuen Registerkarte, auf einer neuen Seite oder als Einblendung angezeigt werden
- die Anzeige des Etiketts mit Hilfe einer Option zum Schließen oder mit einem anderen Standard-Schließmechanismus beendet werden können.
Technisches Werbematerial = erweiterte Kennzeichnung
Stellt ein Online-Händler technisches Werbematerial im Internet bereit, gelten erweiterte Kennzeichnungspflichten.
Definition des technischen Werbematerials
Artikel 3 Nr. 7 U-Verordnung Nr. 2020/740 definiert „technisches Werbematerial“ wie folgt:
Es handelt sich dabei um Unterlagen in gedruckter oder elektronischer Form, die von einem Lieferanten erstellt wurden, um das Werbematerial um die folgenden (in Anhang IV genannten) Informationen zu ergänzen.
- Kraftstoffeffizienzklasse (Buchstaben „A“ bis „E“);
- Nasshaftungsklasse (Buchstaben „A“ bis „E“);
- Klasse des externen Rollgeräuschs und Messwert (dB);
- Angabe, ob es sich um einen für die Nutzung bei extremen Schneeverhältnissen geeigneten Reifen handelt;
- Angabe, ob es sich um einen Eisreifen handelt.
Nach Ansicht der IT-Recht Kanzlei gelten als technisches Werbematerial
- technische Handbücher
- Broschüren
- Faltblätter und
- Kataloge
(in gedruckter oder elektronischer Form oder als Online-Version) sowie Websites, die der Vermarktung an Endnutzer oder Händler dienen und in denen die spezifischen technischen Parameter des Produktes beschrieben werden.
Jegliches technische Werbematerial für einen bestimmten Reifentyp muss das elektronische Etikett beinhalten und die in Anhang IV EU-Verordnung 2020/740 aufgeführten Informationen.
Gemäß Anhang IV Abs. 1 EU-Verordnung 2020/740 sind die Informationen des technischen Werbematerials zu Reifen in der folgenden Reihenfolge bereitzustellen:
a) Kraftstoffeffizienzklasse (Buchstaben „A“ bis „E“);
b) Nasshaftungsklasse (Buchstaben „A“ bis „E“);
c) Klasse des externen Rollgeräuschs und Messwert (dB);
d) Angabe, ob es sich um einen für die Nutzung bei extremen Schneeverhältnissen geeigneten Reifen handelt;
e) Angabe, ob es sich um einen Eisreifen handelt.
Die Angaben müssen dabei folgenden Anforderungen entsprechen:
- Sie müssen gut lesbar sein.
- Sie müssen leicht verständlich sein.
- Sind Reifentypen innerhalb einer Reifenfamilie in Abhängigkeit von der Größe oder anderen Eigenschaften unterschiedlich klassifiziert, so ist die Bandbreite zwischen dem Reifentyp mit der schlechtesten und dem Reifentyp mit der besten Einstufung anzugeben.
Darüber hinaus müssen Händler gemäß Anhang IV Abs. IV EU-Verordnung 2020/740 auf ihren Internetseiten gegebenenfalls eine Erklärung bereitstellen mit dem Hinweis, dass Eisreifen für Straßenoberflächen mit Eisschicht oder fester Schneedecke ausgelegt sind und nur bei sehr schwierigen Witterungsverhältnissen (z. B. niedrigen Temperaturen) zum Einsatz kommen sollten sowie dass der Einsatz von Eisreifen bei weniger schwierigen Witterungsverhältnissen (z. B. Nässe oder wärmeren Temperaturen) insbesondere im Hinblick auf Nasshaftung, Handhabung und Verschleiß zu einer suboptimalen Leistung führen kann.
Konkretes Angebot = umfassende Kennzeichnung
Wird schließlich ein Reifen im Internet konkret angeboten, so sind folgende Kennzeichnungspflichten umzusetzen:
Es ist in der Nähe des Produktpreises
- das elektronische Etikett sowie
- das Produktdatenblatt
im Angebot zu integrieren (s. Artikel 6 Abs. VII EU-Verordnung 2020/740).
Da die rechtlich vorgegebene Größe des elektronischen Etiketts (Mindestgröße: 75mm breit und 110 mm hoch) viel Platz kostet, ist es in rechtlicher Hinsicht auch ausreichend, das Etikett im Angebot bloß zu verlinken.
Empfehlung der IT-Recht Kanzlei zur "geschachtelten Anzeige"
Die EU-Verordnung Nr. 2020/740 äußert sich selber nicht zu den Anforderungen, die bei einer "geschachtelten Anzeige" einzuhalten sind.
Wir empfehlen bei der Verlinkung des Etiketts die Einhaltung folgender Regeln (analog der Vorgaben diverser anderer EU-Kennzeichnungsverordnungen):
So sollte ein (links oder rechtsbündiger) Pfeil in der Farbe der Energieeffizienzklasse des Produkts auf dem Etikett verwendet werden. Dieser Pfeil sollte die Energieeffizienzklasse des Produktes als Buchstabe in Weiß und in einer Schriftgröße enthalten, die der des Preises entspricht. Außerdem sollte der Pfeil auf der stumpfen, also nicht zugespitzten Seite das Spektrum der Effizienzklassen ausweisen.
Zudem sollte:
- der Pfeil auf dem Bildschirm des Verbrauchers in der Nähe des Produktpreises dargestellt werden
- die Bilddatei des Pfeils mit einem Link zum Etikett versehen sein
- das Etikett nach einem Mausklick auf das Bild des Pfeils, nach einem Maus-Rollover über das Bild oder nach dem Berühren oder Aufziehen des Bildes auf einem Touchscreen angezeigt werden
- das Etikett in einem Pop-up-Fenster, auf einer neuen Registerkarte, auf einer neuen Seite oder als Einblendung angezeigt werden
- die Anzeige des Etiketts mit Hilfe einer Option zum Schließen oder mit einem anderen Standard-Schließmechanismus beendet werden können.
Was ist Werbung? Was ein Angebot?
Die Abgrenzung zwischen bloßer Werbung und einem Angebot kann im Einzelfall äußerst kompliziert und mit großen Rechtsunsicherheiten behaftet sein.
Online-Händlern, denen es um größtmögliche Rechtssicherheit geht, sei zu folgender Unterscheidung geraten:
a. Von einer bloßer Bewerbung eines Reifens sollte ausschließlich dann ausgegangen werden, wenn
- der Preis für den Reifen und/oder
- der Verkäufer des konkret beworbenen Reifens
nicht genannt wird.
b. Dagegen sollte von einem Angebot immer dann ausgegangen werden, wenn der Produktpreis und der Verkäufer bekannt ist.
Praxishinweis:
Aus dem Grunde empfehlen wir Händlern, die einen eigenen Online-Shop betreiben, sämtliche Darstellungen bepreister Reifen in kennzeichnungsrechtlicher Hinsicht als Angebote einzuordnen - unabhängig davon, ob Warenkorb-Button dargestellt werden oder nicht.
Dies betrifft bspw.
- Kategorie-Übersichten,
- Artikeldetailseiten,
- Shop-Suchergebnisse,
- Cross-selling-Angebote,
- Newsletter,
- Besondere Darstellungen „zuletzt angesehen“ , „zu diesem Artikel passt auch …“ oder „andere Käufer kauften auch …“
Beispiel für bloße Werbung
Bei diesem Beispiel handelt es sich um einen Reifen, der bei billiger.de beworben wird. Es ist bloße Werbung (und kein Angebot), da der Verkäufer noch unbekannt bzw. gesondert auszuwählen ist.
Beispiele für Angebote
Erstes Beispiel:
Diese Darstellung eines Reifens (in einem Online-Shop) ist ohne Zweifel ein konkretes Angebot. Der Verkäufer und der Preis sind bekannt, zudem ist es möglich die Ware direkt in den Warenkorb zu legen.
Zweites Beispiel:
Diese Reifen wurden (zum Zeitpunkt der Erstellung dieses Beitrags) bei quelle.de beworben. Der Anbieter ist bekannt (Quelle-GmbH), die Preise sind es auch.
Unabhängig davon, dass
- es keinen Warenkorb-Button gibt
- es so gut wie keine Produktinformationen gibt,
empfehlen wir (sicherheitshalber) diese Darstellung in kennzeichnungsrechtlicher Hinsicht als konkrete Angebote zu behandeln.
Tipp: Sie haben Fragen zu dem Beitrag? Diskutieren Sie hierzu gerne mit uns in der Unternehmergruppe der IT-Recht Kanzlei auf Facebook .
Breyenn
Link kopieren
Als PDF exportieren
Per E-Mail verschicken
Zum Facebook-Account der Kanzlei
Zum Instagram-Account der Kanzlei
0 Kommentare