Aktuelle Rechtsprechung: Zum Auskunftsanspruch (UrhG)
Durch den seit 01.09.2008 gültigen § 101 UrhG besteht ein Auskunftsanspruch der Urheber gegenüber dem jeweiligen Provider im Falle einer Rechtsverletzung im gewerblichen Ausmaß. Die Frage wann ein solches gewerbliches Ausmaß anzunehmen ist, hat seit Inkrafttreten der Regelung schon mehrere Gerichte beschäftigt. Eine einheitliche Linie ist bei den bisher dazu ergangenen Gerichtsentscheidungen aber noch nicht erkennbar.
I. Hintergrund
Bei Urheberrechtsverletzungen, die über das Internet begangen werden, etwa im Rahmen des Filesharings, kann der betroffene Rechteinhaber häufig nur die IP-Adresse des Verletzers sichern. Da die IP-Adressen vom jeweiligen Provider jedoch immer wieder neu vergeben werden, kann dieser nur bei Vorlage der IP-Adresse und des Tatzeitpunktes Auskunft darüber erteilen, wer zu diesem Zeitpunkt hinter der gesicherten IP-Adresse steckte. Erst dadurch werden die Urheber in die Lage versetzt, ihre Unterlassungs- und Schadenersatzansprüche gegen die Rechtsverletzer geltend zu machen.
II. Änderung der Rechtslage zum 01.09.2008
Bis zum September 2008 gab es jedoch keinen zivilrechtlichen Anspruch auf Herausgabe der Daten des Rechtsverletzers. Deshalb musste in jedem einzelnen Fall die Staatsanwaltschaft eingeschaltet werden, die ihrerseits die Provider zur Auskunft auffordern konnte.
Durch den seit 01.09.2008 geltenden § 101 UrhG besteht nun ein direkter Auskunftsanspruch der Urheber gegenüber dem jeweiligen Provider im Falle einer Rechtsverletzung. Voraussetzung ist jedoch eine richterliche Anordnung, für die die Regelungen zur Freiwilligen Gerichtsbarkeit Anwendung finden. Die Zuständigkeit für die richterliche Anordnung liegt dabei ausschließlich bei dem Landgericht, bei dem der zur Auskunft Verpflichtete seinen Wohnsitz, seinen Sitz oder eine Niederlassung hat.
III. Voraussetzungen des § 101 UrhG
Der Auskunftsanspruch nach § 101 UrhG besteht allerdings nur, wenn der Rechtsverletzer in einem „gewerblichen Ausmaß“ tätig war. Dieses gewerbliche Ausmaß kann sich laut Gesetzeswortlaut sowohl aufgrund der Anzahl der Rechtsverletzungen als auch aus der Schwere der Rechtsverletzung ergeben. Eine genauere Umschreibung oder gar eine Definition, wann das gewerbliche Ausmaß erreicht ist, gibt § 101 UrhG nicht. Es obliegt daher den Gerichten, zu entscheiden, wann ein „gewerbliches Ausmaß“ erreicht ist. Und diese Frage wird derzeit immer noch sehr unterschiedlich beurteilt:
Das LG Frankenthal (Beschluss vom 15.09.2008, Az. 6 O 325/08) berücksichtigt zur Bestimmung des gewerblichen Ausmaßes die Art und die Aktualität und damit den Marktwert der zum Download angebotenen Dateien. Das „gewerbliche Ausmaß“ liege jedenfalls bei rund 3.000 kostenlos bereitgestellten Musiktiteln oder 200 Filmen fest. Das Gericht verweist in seinem Beschluss auf das Gesetzgebungsverfahren und die damit verbundene Zielrichtung des § 101 UrhG und führt aus, dass es den Willen des Gesetzgebers, bereits bei einer angebotenen urheberrechtlich geschützten Datei in einer Internet-Tauschbörse ein gewerbliches Ausmaß anzunehmen, nicht erkennen konnte. Vor allem stützen sich die Richter auf die These, dass es den rechtsverletzenden Personen innerhalb einer Tauschbörse an der Eigenschaft mangelt, aktiv am Erwerbsleben teilzunehmen. Dies sei aber für ein gewerbliches Ausmaß nötig.
Das LG Kiel (Beschl. v. 06.05.2009 - Az.: 2 O 112/09) wiederum ist der Ansicht, dass ein Fall des "gewerblichen Ausmaßes" dann nicht gegeben ist, wenn ein aktuelles, jedoch relativ unbekanntes Musikstück zum illegalen Download angeboten wird.
Das LG Nürnberg (Beschluss vom 22.09.2008, Az. 3 O 8013/08) sieht ein gewerbliches Ausmaß erreicht, wenn 13 Musiktitel zum Download bereitgestellt werden. Das LG Oldenburg (Beschluss vom 15.09.2008, Az.:5 O 2421/08) betrachtet eine Grenze von einem vollständigen angebotenen Album als ausreichend. Das LG Bielefeld (Beschluss vom 11.09.2008, Az. 4 O 328/08) und das LG Frankfurt a.M. (Beschluss vom 18.09.2008, Az. 2-06 O 534/08) gehen konform mit den vorher genannten Entscheidungen und erkennen ein gewerbliches Ausmaß des Rechtsverletzers bei der Bereitstellung einer umfangreichen Datei unmittelbar nach deren Veröffentlichung an.
Laut LG Oldenburg überschreitet bereits eine einfache Nutzung von Internet-Tauschbörsen den privaten Rahmen. Dieser private Rahmen ist nur gegeben, wenn ein überschaubarer und begrenzter Personenkreis angesprochen werde.
Die zuletzt genannten Entscheidungen schließen sich damit dem LG Köln (Beschluss vom 02.09.2008, Az. 28 AR 4/08) und LG Düsseldorf (Beschluss vom 12.09.2008, Az. 12 O 425/08) an. Ein Auskunftsanspruch gegen den jeweiligen Accessprovider aufgrund einer rechtsverletzenden Handlung ist laut LG Köln gegeben, da der Filesharer stets gewerblich tätig sei.
Das OLG Köln folgt bei der Frage des gewerblichen Ausmaßes der Empfehlung des Rechtsausschusses des Bundestages (Beschluss vom 21.10.2008, Az. 6 Wx 2/08). Demnach handelt derjenige in gewerblichem Ausmaß, der ein komplettes Musikalbum in der aktuellen Verkaufsphase der Öffentlichkeit im Rahmen einer Internettauschbörse anbietet. Zuletzt hatte das Landgericht Koeln (Beschluss vom 30.04.2009 - Az.: 9 OH 388/09) ganz generell festgehalten, dass das gewerbliche Ausmaß beim urheberrechtlichen Internet-Auskunftsanspruch gemäß § 101 Abs.1 UrhG nach den Gesamtumständen des Einzelfalls zu beurteilen ist und dabei die Anzahl der Rechtsverletzungen, der Umfang einer zum Download bereitgestellten Datei und die Aktualität des Werkes berücksichtigt werden müssen. Nach einem Zeitraum von etwa 6 Monaten sei nach Ansicht des Gerichts die marktrelevante Veröffentlichungsphase beendet.
Das OLG Zweibrücken (Beschluss vom 27.10.2008, Az. 3 W 184/08) dagegen ist der Auffassung, dass der Begriff des „gewerblichen Ausmaßes“ einschränkend auszulegen sei. Nötig sei eine Rechtsverletzung von erheblicher Qualität. Auch im Rahmen der Nutzung einer Internettauschbörse müsse ein Umfang erreicht werden, der über das hinausgeht, was einer Nutzung im privaten oder sonstigem eigenen Gebrauch entsprechen würde. In einer weiteren Entscheidung stellt das OLG Zweibrücken (Beschluss vom 21.09.2009 - Az.:4 W 45/09) in Bezug auf das"gewerbliche Ausmaß" bei Filmwerken darauf ab, ob das ganze Filmwerk kurze Zeit nach der Veröffentlichung zum Download angeboten wurde.
Bezüglich der Gerichtskosten legt das LG Köln für jede IP-Abfrage Kosten in Höhe von 200 Euro fest. Das LG Düsseldorf verlangt hingegen lediglich einmal 200 Euro für alle in einem Verfahren abgefragten Adressen. Ganz anders urteilte das Oberlandesgericht Frankfurt am Main (Beschluss vom 15.04.2009 - Az.: 11 W 27/09)
Danach soll nicht auf die Anzahl der mitgeteilten IP-Adressen abgestellt werden, sondern auf die Rechtsverletzungen, d.h. die Anzahl der illegalen Downloads. Maßgebend für die Gebührenbemessung soll der gerichtliche Aufwand sein, der durch die Bearbeitung der urheberrechtlichen Auskunftsanträge angefallen ist.
IV. Fazit
Weitere Entscheidungen bleiben abzuwarten, um eine einheitliche Rechtsprechung, insbesondere zur wichtigen Frage des „gewerblichen Ausmaßes“, erkennen zu können, allerdings werden Filesharing freundliche Entscheidungen nicht anzunehmen sein. Vor allem die so genannten „First Seeder“, die Musik- und Filmtitel direkt bei oder noch vor der offiziellen Veröffentlichung anbieten, werden wohl weiterhin der gewerblichen Nutzung zugeordnet bleiben.
(Auszüge des Textes wurden auch veröffentlicht im IT-Rechts-Lexikon 2010)
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5 Kommentare
Das OLG Karlsruhe (http://www.webshoprecht.de/Rspr905.php)hat hierzu entschieden:
Eine einstweilige Anordnung, mit der ausgesprochen wird, dass bis zum Abschluss des Verfahrens nach § 101 Abs. 9 UrhG zum Zwecke der Auskunftserteilung die Daten zu sichern sind, findet ihre gesetzliche Grundlage in § 101 Abs. 2 und Abs. 9 UrhG i.V. mit § 96 Abs. 2 Satz 1 TKG; diese dort getroffene Regelung stößt weder auf europarechtliche noch auf verfassungsrechtliche Bedenken.
das Bundesverfassungsgericht hat doch erst in seinem Urteil festgelegt, das die Vorratsdatenspeicherung nicht Verfassungsgemäss ist und alle gesammelten Daten
sofort gelöscht werden müssen.
Wie ist überhaupt eine Überprüfung der IP Adresse möglich wenn der Provider seine Daten löschen muss !.
Er macht sich doch strafbar wenn er Daten bereitstellt die längst gelöscht werden sollten.
Ich glaube da gibt es in der Vergangenheit schon ein Urteil das der Provider die dynamiche IP sofort löschen muss wenn der Benutzer sich von Internet (Server) abmeldet .
Mfg,
Heinz