Zeit ist Geld? BGH-Urteil über (zeitlich) grenzenlose Räumungsverkäufe
Wer einen Räumungsverkauf vornimmt und dafür öffentlich Werbung macht, muss sich nicht im Vorfeld auf einen bestimmten Geltungszeitraum festlegen. In einem entsprechenden Urteil stellte der BGH fest, ein Werbeprospekt eines Möbelhauses verstoße nicht gegen das Wettbewerbsrecht, weil in dem Angebot keine Geltungsdauer angegeben war.
Inhaltsverzeichnis
Das Vorspiel
Ein Möbelhaus bewarb mittels Werbeanzeige in der regionalen Tagespresse „wegen Umbau und Erweiterung“ einen „Total-Räumungsverkauf“ mit Preisnachlässen von bis zu 70%. Neben weiteren Details und Ankündigungen fehlte jedoch ein Hinweis darauf, wie lange dieser Räumungsverkauf laufen soll.
Ein einschlägig bekannter Wettbewerbsverein mahnte das Möbelhaus daher zunächst wegen eines angeblichen Wettbewerbsverstoßes ab und erhob später Klage zum LG Osnabrück, welche jedoch abgewiesen wurde.
Das juristische Nachspiel
Die Berufung vor dem OLG Oldenburg führte den Abmahner zwischenzeitlich zum Erfolg seiner Klage. Hier gingen die Richter davon aus, dass die Werbeanzeige ohne Angabe eines Zeitrahmens gegen § 4 Nr. 4 UWG verstoße. In ihrem Urteil (15.03.2007, Az. 1 U 109/06) argumentierten die Richter:
„Unter den Bedingungen der Inanspruchnahme der Verkaufsförderungsmaßnahme, die im Rahmen des Informations- und Transparenzgebots des § 4 Nr. 4 UWG anzugeben sind, sind die Voraussetzungen zu verstehen, die erfüllt sein müssen, damit der Kunde die Vergünstigung erlangen kann. Dazu gehören auch die Modalitäten der Inanspruchnahme und insbesondere auch die Zeit bzw. der Zeitraum der möglichen Inanspruchnahme. Der Adressat muss eindeutig erkennen können, in welchem Zeitraum er die Vergünstigung erlangen kann und ob es sich folglich für ihn lohnt, sich zum Geschäftslokal des Anbieters zu begeben. […]
Wenn danach aber die Dauer der als Räumungsverkauf angekündigten Sonderveranstaltung nicht objektiv unbestimmt ist, sondern von vornherein in entscheidendem Maße von eigenen unternehmerischen Planungen des Wettbewerbers abhängt, insbesondere – wie im vorliegenden Fall – in die eigenen Planungen eines Umbaus und die daran anschließende Fortführung des Geschäfts eingebunden ist, erscheint es im Verbraucherinteresse geboten und für den Wettbewerber zumutbar, sich in seinen geschäftlichen Planungen auch nach außen festzulegen und die Dauer des Räumungsverkaufs gegenüber den Verbrauchern erkennbar zu machen. Eine solche Festlegung liegt in der Konsequenz der gesetzlichen Regelung und erscheint geboten, um eine Aushöhlung der Informationspflicht aus § 4 Nr. 4 UWG zu verhindern und Missbräuchen bei der Ankündigung von Räumungsverkäufen und sonstigen Sonderveranstaltung entgegenzuwirken. Naheliegende Missbrauchs- und Manipulationsmöglichkeiten würden eröffnet, wenn ein Wettbewerber sich bei der Dauer von Verkaufsförderungsmaßnahmen alles offen halten könnte und er der Informationspflicht aus § 4 Nr. 4 UWG bereits durch den einfachen Hinweis entgehen könnte, sich selbst noch nicht festgelegt zu haben und deshalb auch noch nichts zur Dauer der Verkaufsförderungsmaßnahme sagen zu können.“
Machtwort des BGH
In der von dem Möbelhaus angestrebten Revision vor dem Bundesgerichtshof entschieden sich die Richter des 1. Zivilsenats jedoch gegen diese Auslegung. Vielmehr solle es dem Händler bei der Durchführung eines Räumungsverkaufes freistehen, ob er sich auf einen bestimmten Zeitraum festlegen will, oder eben nicht.
In Ihrem Urteil (30.04.2009, Az. I ZR 66/07) argumentierten die Richter:
„Das Berufungsgericht hat jedoch zu Unrecht angenommen, die Beklagte habe dadurch gegen § 4 Nr. 4 UWG verstoßen, dass sie das Ende des wegen des Umbaus ihrer Geschäftsräume durchgeführten Räumungsverkaufs nicht angegeben habe, obwohl dafür im Hinblick auf die vorhandene Umbauplanung relativ eindeutige zeitliche Vorstellungen und Vorgaben bestanden hätten. […] Der Senat hat jedoch […] entschieden, dass das in § 4 Nr. 4 UWG geregelte Transparenzgebot lediglich die Verpflichtung begründet, auf in dieser Hinsicht gegebene Bedingungen, d.h. auf tatsächlich bestehende zeitliche Beschränkungen für die Inanspruchnahme der Preisvergünstigungen hinzuweisen. Eine Verpflichtung, eine einschränkende Bedingung in Bezug auf die Dauer der Maßnahme zu schaffen, lässt sich aus der Regelung des § 4 Nr. 4 UWG dagegen nicht herleiten.“
Dies, so die Richter weiter, sei auch gar nicht vom UWG vorgesehen:
„Eine solche Verpflichtung widerspräche auch der Absicht des Gesetzgebers, der mit dem […] neuen Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb die einschränkenden Bedingungen für die Durchführung von Sonderveranstaltungen beseitigen wollte. Der Kaufmann, der sein Lager – aus welchen Gründen auch immer – leeren will, muss sich daher weder im Blick auf das Transparenzgebot des § 4 Nr. 4 UWG noch im Blick auf das Irreführungsverbot gemäß § 5 UWG von vornherein auf einen zeitlichen Rahmen festlegen […]. Es kommt hinzu, dass in Fällen, in denen sich – wie nach Auffassung des Berufungsgerichts vorliegend – der mutmaßliche Endtermin der Verkaufsförderungsmaßnahme immerhin schon – aber auch nur – einigermaßen genau abschätzen lässt, in dieser Hinsicht noch gar keine klare und eindeutige Angabe gemacht werden kann, wie sie § 4 Nr. 4 UWG voraussetzt.“
Fazit
Sicherlich bedeutet dieses Urteil jetzt nicht, dass in Zukunft „unbegrenzte“ Räumungsverkäufe möglich sind – irgendwann würde die Schwelle zur Irreführung dann doch überschritten werden (spätestens dann, wenn das zu räumende Lager wieder mit neuer Ware aufgefüllt wird).
Andererseits hat sich hier die höchstrichterliche Rechtsprechung zugunsten des Handels entschieden und eine vermeintlich entdeckte „Abmahn-Falle“ direkt wieder abgeschafft. Allerdings ist dennoch zu erwarten, dass der eine oder andere einschlägig bekannte Abmahner weiterhin – unter Verweis auf das o.g. Berufungsurteil – versuchen wird, im Handel kostenpflichtige Abmahnungen wegen „unbegrenzter“ Räumungsverkäufe zu verteilen.
Abgesehen von dieser (jetzt entschärften) Stolperfalle gibt es jedoch noch weitere Fußangeln und Fettnäpfchen, auf die bei der Bewerbung von Sonderaktionen geachtet werden sollte. Wer mit dieser Materie nicht ausreichend vertraut ist, sollte sich möglichst vor Werbeaktionen für Räumungsverkäufe und ähnliche Veranstaltungen juristisch beraten lassen – denn dieser Fall hat eben auch gezeigt, dass auch juristisch korrekt gestaltete Werbung jederzeit mit einer Abmahnung bedacht werden kann.
(Auszüge des Textes wurden auch veröffentlicht im IT-Rechts-Lexikon 2010)
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