Räucherlachs - „Aufgetaut“ oder nie „kalt gemacht“?
Das Verwaltungsgericht Stuttgart hatte am 16.07.2009 diesen Jahres (Az.: 4 K 4277/08) in einem Urteil darüber zu entscheiden, ob das Fehlen der Kennzeichnung „aufgetaut“ auf einer Fertigpackung mit Räucherlachs irreführend ist.
Inhaltsverzeichnis
(Gastbeitrag v. RA Decker, Rechtsanwälte Andrae & Simmer , Am Stiefel 2, 66111 Saarbrücken)
§ 3 I Nr.1a i.V.m. 4 V LMKV (Lebensmittelkennzeichnungsverordnung) legen fest, dass eine Fertigpackung unter gewissen Voraussetzungen das so genannte Verkehrskennzeichen „aufgetaut“ tragen muss. Das ist dann der Fall, wenn das Lebensmittel gefroren oder tiefgefroren war und die Unterlassung einer solchen Angabe irreführend wäre.
Dem konkreten Fall lag der Verkauf von ehemals gefrorenem Lachs ohne diese Kennzeichnung zugrunde. Es war zu entscheiden, ob hierin ein Verstoß gegen Kennzeichnungspflichten lag oder nicht.
Der Vortrag des Klägers
Der Kläger vertrat die Meinung, dass sein Räucherlachs ohne den Hinweis „aufgetaut“ auskomme, auch wenn er bereits vorher eingefroren gewesen sei. Insofern sei eine Irreführung ausgeschlossen.
Bei der Frage der Irreführung komme es auf die Erwartungen der Verbraucher von Fischwaren an, die diese mit dem gekauften Räucherlachs in der Fertigpackung verbänden.
Der Verbraucher kenne indes entsprechend verarbeitete Fischereierzeugnisse, wie Räucherlachs mit der gleichen Beschaffenheit wie im vorliegenden Fall. Seit jeher würden diese Erzeugnisse, auch wenn im Rahmen der Herstellung oder Lagerung Tiefgefrier- bzw. Gefrierprozesse erfolgten, im gekühlten Zustand ohne einen entsprechenden Auftauhinweis in den Verkehr gebracht. Die Erwartung der Verbraucher richte sich dementsprechend dahin, dass diese Erzeugnisse, die ohne Auftauhinweis in den Verkehr gebracht worden seien, der Beschaffenheit entsprächen, die sie seit Jahren gewohnt seien. Es sei über Jahre eine entsprechende Verkehrsauffassung gewachsen, wonach kein Auftauhinweis angebracht werden müsse.
Diese Verkehrserwartung des Verbrauchers gründe sich auch auf die seit jeher übliche und als solche bekannte Herstellungsweise des Räucherlachses, bei der er zunächst gefroren werden müsse, damit man ihn schneiden („slicen“) könne.
Schon deshalb werde der Verbraucher durch das Fehlen des Verkehrskennzeichens „aufgetaut“ nicht irregeführt.
Ein derartiger Hinweis sei im Hinblick auf die einwandfreie Qualität sei aber auch irrelevant und würde in sachlich nicht gerechtfertigter Weise das Produkt diskriminieren und den Verbraucher verunsichern. Das Produkt unterscheide sich in qualitativer Hinsicht nicht von nicht zuvor tiefgefrorenen Fischereierzeugnissen und könne auch erneut eingefroren werden.
Die Entscheidung des Gerichts
Das Gericht wies die Klage sodann jedoch ab und begründete dies hauptsächlich mit dem klaren Wortlaut des § 4 V LMKV, wo es heißt:
„Die Verkehrsbezeichnung wird durch die Angabe "aufgetaut" ergänzt, wenn das Lebensmittel gefroren oder tiefgefroren war und die Unterlassung einer solchen Angabe geeignet wäre, beim Verbraucher einen Irrtum herbeizuführen.“
Das Produkt der Klägerin sei zumindest einmal im Laufe des Herstellungsprozesses gefroren gewesen, sodass der Zusatz „aufgetaut“ nach dem Wortlaut der Vorschrift anzubringen war.
Voraussetzung für die Beurteilung, ob die genannte Unterlassung geeignet sei, beim Verbraucher einen Irrtum herbeizuführen, sei die Feststellung, ob nach der zu ermittelnden Verkehrsauffassung der Verbraucher ein nicht zuvor gefrorenes Lebensmittel erwarte oder nicht. Die Unterlassung der Angabe „aufgetaut“ müsse sich zu einer Täuschung eignen, wobei jedoch eine Irreführung auch dann vorliege, wenn nur ein kleiner Teil des angesprochenen Personenkreises getäuscht werde.
Bei der Bestimmung der Verkehrsauffassung komme es, insoweit ging das Gericht mit dem Kläger konform, auf die berechtigte Verbrauchererwartung an.
Es sei aber nicht richtig, dass der Verbraucher davon ausgehe, dass der Lachs zum „slicen" gefroren sein müsse. Vielmehr gebe es seit den 1990er Jahren sowohl die Möglichkeit gefroren als auch mittels eines anderen Schneide-Verfahrens doch „weich“ zu slicen. Damit sei es keineswegs allein deshalb von jedem Lachs zu erwarten, dass dieser bereits einmal gefroren war. Der Verbraucher kenne diese Möglichkeiten und könne mithin nicht wissen, wie geschnitten wurde und ob demzufolge der Lachs nun einmal gefroren war oder nicht. Der Verbraucher werde insofern ohne den Hinweis „aufgetaut“ in der Tat irregeführt.
Unabhängig davon, ob nun das Einfrieren und Auftauen zum Qualitätsverlust führen könne, sei jedenfalls eine nicht korrekte Information irreführend.
Fazit
Die bereits stark gekürzt dargestellte Essenz des Urteils der Stuttgarter Richter kann noch weiter zusammengefasst werden auf die Aussage, dass Räucherlachs auch dann den Hinweis „aufgetaut“ tragen muss, wenn er nur zu Produktionszwecken („slicen“) eingefroren wurde. Trägt er diesen nicht, besteht ein Irreführungspotenzial und somit ein Verstoß gegen § 4 V LMKV.
Sollten Sie daher z.B. tiefgefrorenen Lachs oder auch andere Lebensmittel verkaufen, die zu irgendeinem Zeitpunkt auf dem Weg zur Ladentheke einmal gefroren und wieder aufgetaut wurden, darf der Hinweis „aufgetaut“ nicht fehlen. Alles andere würde eine Abmahngefahr bieten.
Für den Verbraucher gilt umgekehrt: „Augen auf, beim Lachskauf!“.
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