Providerhaftung nach dem Telemediengesetz

Providerhaftung nach dem Telemediengesetz
Stand: 11.02.2008 7 min 2

Rechtsverletzungen über das Internet finden häufig unter dem Deckmantel der Anonymität statt. Rechtsverletzende Inhalte werden dabei von den jeweiligen Autoren bewusst unter einem Pseudonym in das Internet eingestellt, damit der Betroffene sich mit seinen möglicherweise bestehenden Abwehransprüchen nicht direkt an den Verletzer halten kann.

Zudem wird der Verletzer in Deutschland noch durch datenschutzrechtliche Regelungen vor der Preisgabe seiner Identität geschützt. Der Betroffene hat daher in vielen Fällen keine andere Möglichkeit, als sich zur Beseitigung einer Rechtsverletzung an den jeweiligen Provider zu halten. Den Providern kommt als Diensteanbietern im alltäglichen Internetverkehr eine besondere Schlüsselrolle zu. Denn ohne sie wäre die Veröffentlichung von Inhalten im Worldwide Web überhaupt nicht möglich. Sie stellen gewissermaßen das Zugangstor zum Internet dar und geraten bei Rechtsverletzungen häufig ins Visier der Betroffenen. Stellt sich die Frage, inwieweit Internet-Provider überhaupt für Rechtsverletzungen durch Dritte einzustehen haben. Dieser Frage möchte die IT-Recht-Kanzlei mit dem folgenden Beitrag auf den Grund gehen.

I. Begriff „Internetprovider“

Internet-Provider sind die Mittler zwischen dem einzelnen Nutzer und den anderen Nutzern und Anbietern des Internet. Man kann zwischen den Internet Service Providern (ISP) und den Internet Presence Providern (IPP) unterscheiden. Ein Internet Service Provider bietet primär eine Einwahlmöglichkeit ins Internet, ein Internet Presence Provider dagegen Speicherplatz und Serverfunktionen, um Informationen im Netz anzubieten. Internet-Provider schaffen damit überhaupt erst die Möglichkeit, Inhalte im Netz zu veröffentlichen. Dementsprechend können grundsätzlich nicht nur die Autoren rechtswidriger Inhalte, sondern auch die Provider für rechtswidrige Inhalte zur Verantwortung gezogen werden (Haftungsverdoppelung).

II. Haftung von Providern

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1. Überblick

Bis vor wenigen Jahren war die Haftung der Provider für rechtswidrige Inhalte auf Internetseiten, die von ihnen betrieben oder technisch betreut werden, juristisch umstritten. Die Frage der Verantwortlichkeit ist mittlerweile in Deutschland durch das Telemediengesetz – TMG (§§ 7 ff. TMG) geklärt, welches das Teledienstegesetz – TDG (§ 8 TDG) und den Mediendienstestaatsvertrag – MDStV (§ 6 MDStV) im Jahr 2007 abgelöst hat. Die näheren Voraussetzungen der Providerhaftung regeln die §§ 7-10 TMG. Die Regelung gilt für Zivilrecht, Strafrecht und Öffentliches Recht gleichermaßen.

Haftungsadressat des TMG ist der so genannte Diensteanbieter (Provider). Darunter fallen gemäß § 2 Nr. 1 TMG alle natürlichen oder juristischen Personen, die eigene oder fremde Telemedien zur Nutzung bereithalten oder den Zugang zur Nutzung vermitteln. Die Vorschriften des TMG sehen dabei in ihrem Anwendungsbereich eine abgestufte Haftung vor, die den unterschiedlichen Grad der Beteiligung bei Rechtsverletzungen im Internet berücksichtigt. Insoweit wird nach der Tätigkeit der Provider differenziert. Der Umfang der Haftung richtet sich dementsprechend danach, ob der Anbieter als Content-Provider, Host-Provider, Access-Provider oder Link-Anbieter gehandelt hat.

Zu beachten ist jedoch, dass es sich bei den Regelungen im TMG nicht um selbständige Anspruchsgrundlagen für die Haftung des Providers handelt. Die Anspruchsgrundlagen ergeben sich vielmehr aus den allgemeinen Regelungen des Urheber-, Zivil- oder Strafrechts. Das TMG bestimmt lediglich, unter welchen Voraussetzungen und für welche Anbieter eine Haftung nach den allgemeinen Vorschriften in Betracht kommt. Greift eine Regelung des TMG, scheidet eine Haftung der privilegierten Personen nach den einschlägigen Vorschriften des Urheber-, Zivil- oder Strafrechts aus (so genannte Filterfunktion).

2. Haftung des Content-Providers

Content-Provider ist derjenige, der eigene Inhalte auf einer Internetseite anbietet.

Gemäß § 7 I TMG sind Diensteanbieter für eigene Informationen, die sie zur Nutzung bereithalten, nach den allgemeinen Gesetzen verantwortlich. Einen Content-Provider trifft also stets die volle Haftung nach den allgemeinen Vorschriften, wenn das veröffentlichte Webangebot fremde Rechte verletzt. Es ergeben sich insoweit keinerlei Unterschiede zu Offline-Publikationen. Auch bei Druckschriften ist jeder für die dort eingestellten Inhalte voll verantwortlich, sofern sie seine eigenen oder von ihm zu verantworten sind.

3. Haftung des Host -Providers

Host-Provider ist derjenige, der fremde Informationen und Inhalte auf seinem eigenen Webserver und den eigenen Seiten einstellt. Entscheidend ist insofern, dass nach den Gesamtumständen nicht der Eindruck entsteht, es handele sich um ein eigenes Angebot des Anbieters.

Ein Host-Provider ist gemäß § 10 TMG grundsätzlich nicht für fremde Inhalte bzw. Rechtsverletzungen verantwortlich. Der Anbieter ist allerdings dann haftbar, wenn er positive Kenntnis hat, d.h. wenn nachweisbar ist, dass er von der Rechtswidrigkeit der Inhalte wusste. Auch wenn nachgewiesen werden kann, dass der Host-Provider starke Verdachtsmomente hegte, jedoch keine Klärungsbemühungen unternommen hat, kann er haftbar gemacht werden. Besteht also der Verdacht, dass die gehostete fremde Seite einen rechtswidrigen Inhalt hat, muss entweder sofort der Zugang zu der Seite gesperrt werden oder die jeweiligen Informationen müssen unverzüglich entfernt werden.

Obwohl Host-Provider bei Kenntnis rechtswidriger Inhalte zur Sperrung bzw. Entfernung verpflichtet sind, trifft sie gemäß § 7 II TMG keine Überwachungspflicht bezüglich fremder Inhalte. Die Entfernungs- und Sperrungspflicht setzt erst dann ein, wenn der Anbieter Kenntnis von den rechtswidrigen Inhalten erhält. Wie dieses Wissen erlangt wird, ob durch einen Hinweis, eine Abmahnung oder beim „Surfen“, ist unerheblich.

4. Haftung des Access-Providers

Access-Provider ist derjenige, der fremde Informationen im Internet oder anderen Netzen lediglich vermittelt bzw. durchleitet oder den Zugang zum Internet ermöglicht. Diese Vermittlung des Internetzugangs ist rein technischer Art.

Access-Provider haften gemäß § 8 TMG grundsätzlich nicht für die Durchleitung von fremden Informationen, sofern sie die Übermittlung nicht veranlasst haben, den Adressaten der übermittelten Informationen nicht ausgewählt haben und die übermittelten Informationen nicht ausgewählt oder verändert haben. Den Anbieter trifft folglich keine Verantwortung für rechtswidrige Inhalte, die von Nutzern über die von ihm bereit gestellten Server übertragen oder zugänglich gemacht werden oder die von anderen Servern über ihn abgerufen werden. Inwieweit der Access-Provider im konkreten Einzelfall Kenntnis von den rechtswidrigen Inhalten besitzt, ist – im Gegensatz zum Host-Provider – unerheblich. Auch eine Pflicht zur Nachforschung und Überwachung der vermittelten Informationen ist nach § 7 II TMG ausdrücklich ausgeschlossen.

5. Spezialfall: Haftung so genannter Usenet-Provider

a) Hintergrund

Als Usenet-Provider bezeichnet man den Betreiber eines Netzwerkes von Diskussionsforen im Internet. Derartige Diskussionsforen erfreuen sich wachsender Beliebtheit und werden aufgrund der Veröffentlichung im Internet von großen Teilen der Bevölkerung wahrgenommen. Entsprechend hoch ist auch das Missbrauchspotential solcher Usenets. Oftmals werden die Diskussionsforen dazu benutzt, Widersacher vor einer großen Leserschaft bloßzustellen oder Produkte von Warenanbietern öffentlichkeitswirksam durch den Kakao zu ziehen. Da die Betroffenen meist gar nicht oder nur unter erschwerten Bedingungen an die Autoren solcher Beiträge herankommen, stellt sich auch in diesem Zusammenhang die Frage nach der Verantwortlichkeit der Forenbetreiber.

b) Rechtsprechung des OLG Düsseldorf

Das Oberlandesgericht Düsseldorf hat kürzlich in einem einstweiligen Verfügungsverfahren (Urt. v. 15.1.2008, Az. I-20 U 95/07) entschieden, dass der Betreiber eines Netzwerkes von Diskussionsforen rechtlich als Cache-Provider im Sinne von § 9 Telemediengesetz (TMG) einzuordnen sei und nicht für fremde Rechtsverletzungen hafte, da eine Störerhaftung auf eine unzumutbare allgemeine Überwachungspflicht hinaus liefe.

Im Einklang mit der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs in seiner Entscheidung „Internetversteigerung I“ (BGHZ 158, 236 = GRUR 2004, 860 = CR 2004, 763 m. Anm. Volkmann = MMR 2004, 668 m. Anm. Hoeren) lehnte das OLG eine Haftungsprivilegierung für den geltend gemachten Unterlassungsanspruch nach dem TMG ab und zog für die Bewertung einer möglichen Störerhaftung §§ 823, 1004 BGB analog heran. Da die insoweit zu verlangende Verletzung von Prüfungspflichten nicht ausufern dürfe, müsse dem Provider eine Prüfung überhaupt möglich und zumutbar sein. Zu beachten seien dabei auch faktisch-technische Gegebenheiten.

Nach Auffassung des OLG Düsseldorf sei es Usenet-Providern kaum möglich,
"rechtsverletzende fremde Inhalte aus dem Usenet zu löschen".

Begründung des OLG Düsseldorf:

„Anders als bei Internetforen kann der Betreiber eines Newsservers, welcher die Daten des Usenet aufgrund des „Mirrorings“ redundant speichert, nicht endgültig aus dem Usenet entfernen. Er kann nur diejenigen Daten löschen, die auf seinem eigenen Server zwischengespeichert sind. Bei einer neuen Anforderung eines Nutzers hingegen werden die Daten wieder auf den Server übertragen. Dies ist so lange möglich, wie die betreffende Nachricht noch im Usenet abrufbar ist. Eben deshalb bestehen bei Anbietern nach dem § 9 TMG wesentlich geringere Möglichkeiten, eine Störung abzustellen als bei bspw. Host-Providern nach § 10 TMG.

III. Fazit

Inhalt und Umfang der Providerhaftung sind durch die gesetzliche Regelung in den §§ 7 ff. TMG klarer konturiert als früher. Dennoch ergeben sich in der Praxis gerade im Hinblick auf die Frage, wer überhaupt als Provider im Sinne der §§ 7 ff. TMG zu qualifizieren ist, häufig noch Anwendungsprobleme. Diese Frage wird sich auch in Zukunft oftmals nur im Einzelfall durch die Gerichte klären lassen. Allgemein lässt sich jedoch feststellen, dass Provider hinsichtlich fremder Inhalte grundsätzlich keine Überwachungs- und Nachforschungspflicht trifft und dass sie einer Haftung für fremde Rechtsverletzungen in der Regel entgehen können, wenn sie ab Kenntnis von einem Rechtsverstoß unverzüglich alles ihnen Mögliche und Zumutbare unternehmen, um den Verstoß zu beseitigen.

(Auszüge des Textes wurden auch veröffentlicht im IT-Rechts-Lexikon 2010)

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Bildquelle: RainerSturm / PIXELIO

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2 Kommentare

A
AnKa 07.04.2020, 13:34 Uhr
Aktualisierung der Rechtssprechung
Da dieser Artikel schon ein Jahr alt ist, wäre die Frage ob sich hier irgendetwas getan hat...


Gibt es evtl. auch noch ähnliche Artikel hierzu?
Danke für die Rückmeldung AnKa
H
Herr Michael F. Kraus 05.04.2019, 10:18 Uhr
Inhaber
Ich frage mich, ob der Internet-Provider auch für die vielen Spam-Mails verantwortlich gemacht werden kann. Täglich erhalte ich bestimmt über 20 Stück. Das muss doch das Unternehmen das meine Webseite und Mailserver betreut in den Griff bekommen, oder?

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