EU-Produktsicherheitsverordnung - Auch gebrauchte und beschädigte Produkte betroffen?
Tipp: Weiterführende Informationen finden Sie hier: "EU-Produktsicherheitsverordnung: Wir bieten Beratung an!"
Die EU-Produktsicherheitsverordnung (GPSR) samt ihren Kennzeichnungspflichten gilt ausdrücklich auch für gebrauchte Produkte – allerdings nicht für alle. Bei beschädigten Produkten kommt es auf weitere Voraussetzungen an. Wir bringen in diesem Beitrag Licht ins Dunkel.
1) Gilt die GPSR auch für gebrauchte Produkte?
Ja, die EU-Produktsicherheitsverordnung (GPSR) gilt nach Art. 2 Abs. 3 GPSR ausdrücklich auch für gebrauchte Produkte, die in Verkehr gebracht oder auf dem Markt bereitgestellt werden.
Etwas konkreter ist in Erwägungsgrund 16 der Verordnung ausdrücklich angegeben, dass die Vorgaben der EU-Produktsicherheitsverordnung auch für gebrauchte Produkte gelten sollen, die im Rahmen einer gewerblichen Tätigkeit wieder die Lieferkette gelangen.
Wie die weiteren Regelungen in Art. 2 Abs. 3 GPSR zeigen, meint die EU-Produktsicherheitsverordnung mit gebrauchten Produkten vor allem solche gebrauchten Produkte, die noch funktionstüchtig sind, also nicht beschädigt oder funktionsuntüchtig sind. Denn ist Letzteres der Fall, findet die EU-Produktsicherheitsverordnung ausdrücklich keine Anwendung.
Mit anderen Worten gilt die EU-Produktsicherheitsverordnung für alle Produkte, die ihrer Art nach nicht sowieso vom Anwendungsbereich der Verordnung ausgeschlossen sind, selbst dann, wenn sie Gebrauchsspuren haben. Die EU-Produktsicherheitsverordnung gilt allerdings nicht für solche gebrauchten Produkte, die beschädigt sind und / oder nicht mehr funktionstüchtig sind, wenn dies erkenntlich gemacht, d.h. im jeweiligen Produktangebot auch klar und eindeutig so angegeben ist.
2) Gilt die GPSR auch für reparierte und wiederaufgearbeitete Produkte?
Ja, die EU-Produktsicherheitsverordnung gilt nach Art. 2 Abs. 3 GPSR ausdrücklich auch für reparierte und wiederaufgearbeitete Produkte, die in Verkehr gebracht oder auf dem Markt bereitgestellt werden.
Insofern laufen gebrauchte Produkte und ursprünglich einmal beschädigte und jetzt wieder reparierte bzw. wiederaufgearbeitete Produkte parallel. Auf diese findet die GPSR ausdrücklich Anwendung.
3) Gilt die GPSR auch für beschädigte Produkte?
Nicht, wenn bestimmte zusätzliche Voraussetzungen vorliegen.
Nach Art. 2 Abs. 3 GPSR gilt die EU-Produktsicherheitsverordnung nicht für solche Produkte, die vor ihrer Verwendung repariert oder wiederaufgearbeitet werden müssen, wenn
- diese Produkte als solche in Verkehr gebracht oder auf dem Markt bereitgestellt werden und
- eindeutig als solch gekennzeichnet sind.
Zwingende Voraussetzung ist somit, dass bereits im Produktangebot klar und eindeutig ersichtlich ist, dass es sich um ein beschädigtes Produkt handelt. So müsste in der Überschrift und in der Produktbeschreibung transparent dargestellt werden, dass es sich etwa um ein Mängelexemplar handelt, das bestimmte Fehler hat und vor seiner Verwendung der Reparatur oder Instandsetzung bedarf.
Fehlt es an solchen klaren und eindeutigen Hinweisen auf die Beschädigung des jeweiligen Produktes, sind sämtliche Vorgaben der GPSR auf das beschädigte Produkt anwendbar, so dass auch die GPSR-Kennzeichnungspflicht im Online-Produktangebot beachtet werden müssten. Es ist daher unbedingt anzuraten, die Mängelexemplare als solche deutlich zu kennzeichnen.
Zudem ist dies natürlich auch aus Sicht des kaufrechtlichen Gewährleistungsrechts zu empfehlen. Denn nur wenn hinreichend klar bereits im Produktangebot angegeben wird, dass und welche Mängel ein bestimmtes Produkt hat, kann verhindert werden, dass der Kunde in Bezug auf diese Mängel seine gesetzlichen Mängelrechte geltend machen und etwa die Reparatur der Mängel fordern kann.
4) Gilt die GPSR auch für Antiquitäten?
Nein. Für Produkte, die Antiquitäten sind, gilt die EU Produktsicherheitsverordnung nach Art. 2 Abs. 2 Buchstabe i GPSR ausdrücklich nicht.
Was unter "Antiquitäten" im Sinne der EU-Produktsicherheitsverordnung zu verstehen ist, wird in Art. 3 Nr. 28 GPSR definiert. Demnach sind Produkte wie Sammlerstücke oder Kunstwerke als Antiquitäten anzusehen, bei denen Verbraucher vernünftigerweise nicht erwarten können, dass diesen den neuesten Sicherheitsnormen entsprechen.
Weiter wird in Erwägungsgrund 18 der GPSR ausgeführt, Antiquitäten, wie etwa Kunstgegenstände oder Sammlerstücke seien besondere Produktkategorien, von denen nicht erwartet werden könne, dass sie die in der EU-Produktsicherheitsverordnung festgelegten Sicherheitsanforderungen erfüllen. Daher sollten sie vom Anwendungsbereich der GPSR ausgenommen werden. Um zu verhindern, dass andere Produkte fälschlicherweise diesen Kategorien zugeordnet würden, müsse jedoch berücksichtigt werden, dass
- Kunstgegenstände Produkte sind, die ausschließlich zu künstlerischen Zwecken geschaffen wurden, dass
- Sammlerstücke von ausreichender Seltenheit und von geschichtlichem oder wissenschaftlichem Interesse sind, die ihre Sammlung und Bewahrung rechtfertigen, und dass
- Antiquitäten, wenn sie nicht bereits Kunstgegenstände oder Sammlerstücke oder beides sind, ein außergewöhnliches Alter aufweise.
Bei der Bewertung, ob ein Produkt eine Antiquität wie ein Kunstgegenstand oder ein Sammlerstück ist, könne Anhang IX der Richtlinie 2006/112/EG über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem herangezogen werden.
In manchen Konstellationen dürfte dennoch nicht leicht abzugrenzen sein, ob es sich ggf. nur um ein gebrauchtes Produkt handelt, auf dass die EU Produktsicherheitsverordnung ausdrücklich Anwendung findet, oder vielleicht sogar schon um eine Antiquität, auf die die GPSR hingegen keine Anwendung findet.
Als Faustformel ließe sich wohl formulieren, je antiker bzw. älter ein Produkt ist, umso eher dürfte es als Antiquität anzusehen sein, jedenfalls wenn es hierfür einen merklichen Sammlermarkt gibt. Häufig wird man das auch daran festmachen können, ob die jeweiligen Produkte tatsächlich noch im Alltag im Rahmen ihrer Funktionalität genutzt werden, oder ob sie gewissermaßen geschont werden, um nicht weiter abgenutzt zu werden.
Beispiel: Als ein Beispiel können alte Nähmaschinen dienen, die rein mechanisch bedient werden. Nicht selten werden Sammlerpreise für diese aufgerufen. Wenn diese verkauft werden, werden diese Regel nicht mehr als Nähmaschinen genutzt, sondern vielmehr als Ausstellungsstück oder gewissermaßen als Raum Schmuck auf und ausgestellt. In diesem Fall wird man wohl von einer Antiquität sprechen können.
5) Das Wichtigste in Kürze
- Die EU-Produktsicherheitsverordnung gilt grundsätzlich auch für gebrauchte Produkte, jedenfalls wenn sie nicht beschädigt, also funktionstüchtig sind.
- Dies gilt unabhängig davon, ob sie zuvor repariert oder wiederaufgearbeitet worden sind oder nicht.
- Für beschädigte Produkte gilt die EU-Produktsicherheitsverordnung hingegen nicht, wenn diese ausdrücklich als solche angeboten werden, also entsprechend gekennzeichnet sind.
- Für Antiquitäten gilt die EU-Produktsicherheitsverordnung unabhängig davon nicht, ob diese beschädigt sind oder nicht.
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8 Kommentare
hier eine kurze Frage. Wir verkaufen auch Produkte von Herstellern die es nicht mehr gibt... durch Insolvenz, Aufgabe etc.
Wenn soll man hier als Hersteller angeben?
Bsp: Teile von Oldtimer dessen Marke nicht mehr existent ist.
Gruß
Der Schuss kann doch nicht nach hinten losgehen, dass man statt Dinge noch weiter zu verwenden (wenn Sie in Ordnung sind) wegzuwerfen, dann wäre mein ganzes Geschäftsmodell überflüssig
Ich schließe mich den Vorrednern an und würde mich freuen, wenn es hierzu einen Artikel geben könnte.
Da in diesem Artikel bzgl. des Datums keine Info zu finden ist, erweckt es den Eindruck, als würde es sich auf alle gebrauchten Produkte beziehen - unabhängig vom "Stichtag".
In diesem Beitrag "EU-Produktsicherheitsverordnung: Online-Kennzeichnungspflicht ab dem 13.12.2024 nur für neue Produkte?" , scheint es jedoch so, als wäre der Stichtag für die Kennzeichung von Bedeutung.
Es fehlt in allen Verordnungen der Ausschluss für gebrauchte Textilien. In der Konsequenz können diese daher dann nur noch vernichtet werden (was ja laut Planung künftig auch nicht mehr sein soll).
Es wäre schön, wenn Sie kurz auf die beiden Punkte eingehen könnten (Hersteller und Textilkennzeichnung bei gebrauchten Produkten Second-Hand im gewerblichen Verkauf).