Neue Serie der IT-Recht-Kanzlei: Das deutsche Urheberrecht nach seiner Novellierung aus IT-rechtlicher Sicht (Teil 12: Die Privatkopie)
Die zahlreichen Änderungen des Urhebergesetzes, die nach der am 01.01.2008 in Kraft getretenen Novellierung des Urheberrechts (zweiter Korb) erlassen worden sind, veranlassten die IT-Recht-Kanzlei zur Überarbeitung und erneuten Veröffentlichung dieser Serie. Von den Gesetzesänderungen sind insbesondere alle Urheber, Verwerter und Nutzer von digitalen Werken betroffen. Der Aufklärungsbedarf ist weiterhin groß. Die IT-Recht-Kanzlei will mit der neuen Serie das Urheberrecht samt der Änderungen, insbesondere aus IT-rechtlicher Sicht, darstellen.
Der folgende Beitrag (Teil 12) beschäftigt sich mit der Privatkopie
I. Begriff
Das Recht auf Privatkopie ist eine Bestimmung im Rahmen des urheberrechtlichen Kanons der Schranken des Urheberrechts (siehe Beitrag: Schranken des Urheberrechts). Gemäß § 53 Abs.1 UrhG wird das Zustimmungsrecht des Urhebers für Vervielfältigungen zum privaten Gebrauch durch eine gesetzliche Lizenz gedeckt.
II. Voraussetzung für das Recht auf Privatkopie
Die Privatkopie ist nur zulässig für den eigenen Gebrauch und für den Gebrauch im Familien- und im Freundeskreis und durch natürliche Personen (also nicht durch Unternehmen). Für die Herstellung der Kopie darf kein Gewinn erzielt werden. Es ist aber zulässig, die Erstattung der Herstellungskosten (Materialkosten) zu verlangen. Es sind nur einige wenige Kopien erlaubt. In der Praxis hat sich eine Obergrenze bis zu sieben Kopien eingespielt. Eine Privatkopie darf sowohl mit analogen als auch mit digitalen Mitteln angefertigt werden. Nur bei der Herstellung durch Dritte ist zu beachten, dass diese in einem reprografischen Verfahren (Scannen, analoges Kopieren, Plotten), also in einem nicht digitalen Verfahren oder unentgeltlich (dann ist auch ein digitales Verfahren möglich) erfolgen muss.
Beispiel
Es ist erlaubt, die Kopie eines Textes für den Privatgebrauch durch einen Copyshop machen zu lassen und hierfür eine Kopiergebühr zu bezahlen.
Beispiel für eine Privatkopie
- Überspielen von Schallplatten oder CDs zum eigenen Gebrauch oder für Freunde oder Familienmitglieder.
- Mitschnitt einer Radio- oder Fernsehsendung zum eigenen Gebrauch, für Freunde oder für Familienmitglieder, anzusehen mit dem Videorekorder oder dem Kassettenrekorder.
- Kopie einer CD auf einen Computer, um sie dort zu hören.
- Kopie einer CD auf dem MP3-Player,um sie im Auto zu hören.
- Fotokopie von Stellen aus einem Buch, zur Diskussion in der Familie oder unter Freunden.
- Kopieren von Zeitungsartikeln für ein privates Archiv.
- Abschrift eines Gedichtes aus einem Buch zum eigenen Gebrauch oder für Freunde oder Familienmitglieder.
Für Computerprogramme im Sinne des § 69a UrhG oder Spiele besteht das Recht auf Privatkopie nicht, da dafür die §§ 69a ff. speziell sind. Bei Computerprogrammen ist gemäß § 69d Abs. 2 UrhG lediglich eine Sicherungskopie erlaubt. Diese darf nur durch die Person, die zur Benutzung des Programms berechtigt ist, erstellt werden und muss für die Sicherung einer zukünftigen Benutzung erforderlich sein.
III. Keine Privatkopie bei offensichtlich rechtswidrig hergestellter oder öffentlich zugänglich gemachter Vorlage
Auf Grund des am 1. Januar 2008 in Kraft getretenen "Zweiten Gesetz zur Regelung des Urheberrechts in der Informationsgesellschaft" (so genannter zweiter Korb ) sind Privatkopien nicht nur wie bisher von „rechtswidrig hergestellten Vorlagen", sondern nun auch bei „offensichtlich rechtswidrig öffentlich zugänglich gemachten Vorlagen" verboten. Die Verschärfung der bisherigen Regelung schien notwendig, da z.B. Nutzer einer Tauschbörse sich immer darauf hinausreden konnten, dass es für sie beim Herunterladen der Kopie nicht ersichtlich gewesen war, dass die Vorlage rechtswidrig hergestellt worden ist. Nun kommt es darauf an, dass es für den Nutzer erkennbar ist, dass die Vorlage kein legales und von den Rechteinhabern autorisiertes Angebot im Internet darstellt, das öffentlich zugänglich gemacht wird.
Dies trifft auf jeden Fall auf Tauschbörsen zu. Hier dürfte sich selbst in Schülerkreisen herumgesprochen haben, dass diese kein legales Angebot der Musikindustrie darstellen und die dort angebotenen Stücke somit aus offensichtlich rechtswidrigen Quellen stammen. Wenn für den Nutzer einer Peer-to-Peer-Tauschbörse also offensichtlich ist, dass es sich bei dem angebotenen Film oder Musikstück um ein rechtswidriges Angebot im Internet handelt – z. B. weil klar ist, dass kein privater Internetnutzer die Rechte zum Angebot eines aktuellen Kinofilms im Internet besitzt –, darf er keine Privatkopie davon herstellen. Kann er aber berechtigter Weise davon ausgehen, dass die Quelle rechtmäßig ist (in dem er zum Beispiel eine angemessene Gebühr bezahlt), muss er keine weiteren Untersuchungen anstellen, da die Rechtswidrigkeit nicht offensichtlich ist.
IV. Umgehung technischer Schutzmaßnahmen ist unzulässig
Verhindert der Rechteinhaber die Erstellung einer Kopie mit einer wirksamen technischen Schutzmaßnahme (Kopierschutz), ist es gemäß §§ 95a ff. UrhG unzulässig, diesen zu umgehen. Damit dürfen Medien mit Kopierschutz nicht kopiert werden. Diese Bestimmungen werden häufig kritisiert, da sie die vom Gesetzgeber gewollten Schranken des Urheberrechts faktisch aushebeln. Auch ist die Herstellung, Überlassung und Werbung mit Umgehungsinstrumenten verboten. Dies trifft aber nicht auf den privaten Besitz von „Hackersoftware” zu.
Beispiel : Der Besitzer eines „funktionsreichen” Brennerprogramms kann dieses weiterhin nutzen, um Privatkopien von nicht kopiergeschützten CDs zu machen, nicht aber, um einen Kopierschutz zu umgehen.
Die Vorschriften über die Umgehung technischer Schutzmaßnahmen gelten gemäß § 69a Abs. 5 UrhG nicht für Computerprogramme. Bei Computerspielen wird unterschieden. Der audio-visuellen Darstellung auf dem Bildschirm kann in ihrem Bewegungsablauf (Spielablauf) Schutz als Filmwerk (§ 2 Abs. 1 Nr.5 UrhG) oder Laufbild (§ 95 UrhG) zukommen. Das den Spielablauf erzeugende Computerprogramm zählt hingegen als Computerprogramm im Sinne der §§ 69a ff. UrhG.
1. Wann liegt eine wirksame technische Schutzmaßnahme vor?
Technische Maßnahmen sind nach § 95a Abs. 2 UrhG Technologien, Vorrichtungen und Bestandteile, die im normalen Betrieb dazu bestimmt sind, geschützte Werke oder andere nach diesem Gesetz geschützte Gegenstände betreffende Handlungen, die vom Rechtsinhaber nicht genehmigt sind, zu verhindern oder einzuschränken. Voraussetzung für das Verbot nach § 95a UrhG ist, dass die technische Maßnahme auch wirklich wirksam ist und die Nutzung eines urheberrechtlich geschützten Werkes etwa durch ein DRM-System tatsächlich technisch kontrolliert. Wenn aber z.B. ein CD- oder ein DVD-Brenner den Kopierschutz gar nicht erkennt und deshalb eine Kopie brennt, dann ist der Kopierschutz insoweit nicht wirksam und wird deswegen auch nicht umgangen. Dasselbe gilt, wenn ein Kopierschutz nur auf bestimmten Betriebssystemen (z.B. Windows-PC) funktioniert, auf anderen (z.B. Macintosh, Linux) aber nicht.
Auch stellt der bloße Hinweis auf einer CD oder DVD "Diese CD / DVD ist kopiergeschützt" keinen technisch wirksamen Kopierschutz dar. Eine Privatkopie bleibt möglich.
2. Kennzeichnungsverpflichtung
Der Käufer einer CD hat Anspruch darauf zu erfahren, dass das Medium mit einem Kopierschutz versehen ist. § 95d Absatz 1 UrhG sieht daher vor, dass bei Werken und anderen Schutzgegenständen – also z.B. Audio-CDs – die mit technischen Schutzmechanismen geschützt werden, deutlich sichtbare Angaben über die Eigenschaften der technischen Maßnahmen erfolgen müssen. Falls dies nicht geschieht, liegt ein Mangel der Kaufsache vor. Das heißt der Käufer hat die gesetzlichen Mängelansprüche (Gewährleistungsansprüche) auf Nacherfüllung, Rücktritt oder Minderung und Schadenersatz.
3. Schranken der Schutzbestimmung
Eine Schranke findet diese Schutzbestimmung des § 95a UrhG in § 95b UrhG. Hier wird der Rechteinhaber verpflichtet, z.B. für Zwecke des schulischen Gebrauchs oder der behindertengerechten Nutzung den besonders Berechtigten die technischen Mittel zur Verfügung zu stellen, um den Kopierschutz zu umgehen. Für private Nutzer gilt dieses Privileg nur, soweit es sich um Vervielfältigungen auf Papier oder einen ähnlichen Träger mittels beliebiger photomechanischer Verfahren oder anderer Verfahren mit ähnlicher Wirkung handelt, nicht aber für digitale Kopien.
Ein Verstoß gegen diese Verpflichtung stellt nach § 111a Absatz 1 Nr. 2 UrhG eine Ordnungswidrigkeit dar.
4. Folgen der Kopierschutzumgehung
Wird der Kopierschutz umgangen, ist gemäß § 108b Abs. 1 UrhG eine Strafbarkeit ausgeschlossen, wenn die Tat ausschließlich zum eigenen privaten Gebrauch des Täters oder mit dem Täter persönlich verbundener Personen erfolgt oder sich auf einen derartigen Gebrauch bezieht. Dies berührt aber nicht den zivilrechtlichen Anspruch des Rechteinhabers auf Unterlassung und deren Durchsetzung durch z.B. teuere Abmahnverfahren mit Streitwerten nicht unter 5000 Euro.
V. Vergütung
Der Urheber hat einen Vergütungsanspruch, der allerdings aus Gründen der kaum durchführbaren Kontrolle der privaten Haushalte und Erfassung der einzelnen Vervielfältigungshandlungen und der Gefahr der Zerstörung der Privatsphäre, in einer Urheberabgabe besteht, die Hersteller von Vervielfältigungsgeräten zu leisten haben. So sind gemäß § 54 UrhG u.a. von Herstellern und Importeuren Abgaben auf Tonbandgeräte, Kassetten- und Videorecorder, CD- und DVD-Brenner, MP3-Aufnahmegeräte, bespielbare CDs, DVDs und Memory-Sticks zu zahlen. Verwaltet und verteilt werden die Einnahmen von den Verwertungsgesellschaften GEMA, der VG Wort und der VG Bild-Kunst (siehe Beitrag: Verwertungsgesellschaften).
Auf Grund der Novellierung (2. Korb) des Urheberrechts gilt ab dem 01.01.2008, dass der Gesetzgeber darauf verzichtet, die Höhe der Pauschalvergütung festzulegen. Die Vergütung soll von den Parteien (den Herstellern und den Verwertungsgesellschaften) selbst festgelegt werden. Dabei soll gemäß § 54a Abs. 1 Satz 2 UrhG berücksichtigt werden, ob eine technische Schutzmaßnahme die Erstellung einer Privatkopie verhindert.
VI. Digitale Rekorder
Im Zusammenhang mit den verschiedenen digitalen Rekordern stellt sich die Frage, ob die von Ihnen erzeugten Kopien das Privileg der Privatkopie genießen oder nicht.
Beispiele
- Darf man Lieder auf YouTube z.B. mit dem Audiorecorder von Windows mitschneiden, wenn man die Kopien nur selbst verwendet und nicht an Dritte weitergibt?
- Darf man Webradiobeiträge mitschneiden und auf seine eigene Festplatte im MP3-Format speichern, mit Radio-Rippern wie Radio Jack 2006 und Clipinc?
- Darf man Aufnahmen netzbasierend auf einem Server eines Anbieters speichern mit sogenannten „virtuellen Videorecordern“?
Bei den technischen Kopierverfahren, die in oben genannten Fragen eine Rolle spielen, handelt es sich ausschließlich um digitale Kopien, die mit technischen Verfahren über das Internet erstellt werden.
In der BGH-Entscheidung vom 22.04.2009 (I ZR 216/06) wurde nunmehr entschieden, dass Hersteller einer Kopie allein derjenige ist, der die körperliche Festlegung technisch bewerkstelligt, auch wenn er sich dabei technischer Hilfsmittel bedient, die Dritte zur Verfügung gestellt haben.
Das bedeutet, dass entscheidend ist, wie die Software funktioniert. Gibt man selbst den Befehl und beginnt dann die Software mit der Aufnahme, ist man selbst Hersteller der Kopie. So funktionieren die sog. intelligenten Aufnahmesoftwares der Fragen 1 und 2.
Die ersten beiden Fragen sind damit beantwortet. Man darf als natürliche Person für den eigenen Gebrauch und für den Gebrauch im Familien- und im Freundeskreis legale Online-Angebote wie Web-Radio, Internet-Fernsehen, YouTube & Co mitschneiden. Dies gilt auch, wenn man sich dabei der zahlreichen Kauf- und Freeware-Programme bedient, welche die Festplatte gigabyte-weise mit legalen MP3s füllen. Man kann sich bei den offiziellen Anbietern darauf verlassen, dass diese keine rechtswidrigen Angebote im Internet zur Verfügung stellen. Verboten ist es dagegen, Kopien von TV- oder Radio-Mitschnitten aus einer Tauschbörse herunterladen. Hier kann sich der Nutzer nicht darauf verlassen, dass es sich um legale und von den Rechteinhabern autorisierte Angebote im Internet handelt. Es ist ein Irrtum zu glauben, das Recht zur Kopie sei durch die GEZ-Gebühr bereits gezahlt.
Die dritte Frage betrifft netzbasierende zeitverschobene Aufnahmen auf einem Server eines Anbieters mit sogenannten „virtuellen Videorecordern", „Online-Videorecordern“ oder „Internet-Videorekordern“. Die Anbieter greifen die Programme von in Deutschland oder in Europa verbreiteten Fernsehsendern über eine oder mehrere Satellitenantennen ab. Sie fassen die Programme dann in einem Programmbündel in einer Art elektronischen Fernsehprogrammzeitung zusammen. Hieraus kann dann der bei Ihnen registrierte Nutzer Sendungen zur Aufzeichnung und zum Abruf auf einem Rechner auswählen. Die Sendungen werden auf dem Server der Anbieter gespeichert und den Nutzern im Rahmen ihrer Nutzer-accounts mit zeitlicher Verzögerung von wenigen Minuten zum Abruf zur Verfügung gestellt. Die Nutzer können den von ihnen ausgewählten Sendebeitrag über das Internet zum Zeitpunkt und Ort ihrer Wahl und beliebig oft abrufen und ansehen. Der Anbieter verlangt für seine Leistung eine Vergütung.
Entgegen der früheren Meinungen der Instanzgerichte hat der BGH in seiner Entscheidung vom 22.04.2009 (I ZR 216/06) festgelegt, dass Hersteller einer Kopie allein derjenige ist, der die körperliche Festlegung technisch bewerkstelligt, auch wenn er sich dabei technischer Hilfsmittel bedient, die Dritte zur Verfügung gestellt haben.
Das bedeutet, dass der Nutzer der Hersteller ist, wenn er per Fernzugriff über das Internet die Aufzeichnung der Sendung, also die Vervielfältigung/Kopie, auslöst und diese dann vollständig automatisiert auf dem Server des Anbieters erfolgt. In diesem Fall ist die Privatkopie von § 53 Abs. 1 S. 1 UrhG gedeckt. § 53 Abs. 1. S. 2 UrhG greift nicht ein, da der Nutzer selbst herstellt (auch wenn sie auf dem Server des Anbieters erfolgt), und nicht durch einen Dritten herstellen lässt. Damit ist es unerheblich, ob die Herstellung unentgeltlich geschieht.
Anders ist es zu beurteilen, wenn der Anbieter die Sendung immer, also nicht durch den Nutzer ausgelöst, mitschneidet.
Tipp: Sie haben Fragen zu dem Beitrag? Diskutieren Sie hierzu gerne mit uns in der Unternehmergruppe der IT-Recht Kanzlei auf Facebook .
Illustration Marcus Stark / PIXELIO
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2 Kommentare
2. Gibt es eigentlich eine legale "private Internetveröffentlichung" von Bild-Kopien (Social communities, private Homepage, YouTube ....)
mfg - Kussmaul