OLG München: „Preis auf Anfrage“ bei konfigurationsbedürftiger Ware nicht wettbewerbswidrig

OLG München: „Preis auf Anfrage“ bei konfigurationsbedürftiger Ware nicht wettbewerbswidrig
01.08.2016 | Lesezeit: 6 min

Das Urteil des LG München I vom 31.03.2015 (Az. 33 O 15881/14) hatte unter Händlern, die über das Internet konfigurationsbedürftige bzw. -fähige Ware verkaufen, für Aufregung gesorgt (die IT-Recht Kanzlei berichtete ausführlich). Nach Ansicht des LG stellt es einen abmahnbaren Wettbewerbsverstoß dar, wenn ein Händler, nachdem der Kunde die einzelnen Komponenten des Endprodukts zusammengestellt hat, nicht direkt dessen Endpreis angibt. Für Verkäufer, die für die Ermittlung des Endpreises von Verfügbarkeiten oder Tagespreisen abhängig sind, war es nach dieser Rechtsprechung nahezu unmöglich, ihre Ware rechtssicher zu präsentieren.

Dieser Interpretation der Rechtslage durch das LG hat das OLG München in seinem Urteil vom 17.12.2015 eine deutliche Absage erteilt.

Der Sachverhalt: Beklagte gibt nach Abschluss der Konfiguration keinen Endpreis an

Die Beklagte betreibt eine Internetplattform, die dem Kunden eine individuelle Konfiguration von Möbeln erlaubt. Auf der Seite der Beklagten kann der Endkunde in mehreren Schritten ein für seine Zwecke passendes Möbelstück nach Modell, Typ, Farbe, Größe, etc. zusammenstellen und muss nach Abschluss des letzten Konfigurationsschritts den genauen Endpreis bei der Beklagten erfragen. Dazu steht dem potentiellen Käufer ein Button „Angebot anfordern“ zur Verfügung.

Fordert der Kunde ein Angebot an und gibt er dabei seine E-Mail-Adresse an die Beklagte weiter, erhält er eine E-Mail mit einem Link, der ihn erneut auf die Seite der Beklagten führt. Dort wird jetzt der genaue Endpreis des vom Kunden individuell zusammengestellten Möbelstücks abgebildet, woraufhin dieser mit der Bestellung fortfahren kann.

Rechtlich lag der Sache die Frage zugrunde, ob die Beklagte durch § 1 Abs. 1 S. 1 PAngV dazu verpflichtet war, den Endpreis direkt nach Fertigstellung der Konfiguration des zu kaufenden Produkts darzustellen. Davon wäre jedenfalls dann auszugehen gewesen, wenn nach Zusammenstellung der einzelnen Komponenten ein „Angebot“ der Beklagten i.S.d. § 1 Abs. 1 PAngV vorgelegen hätte.

§ 1 Abs. 1 S. 1 PAngV: Wer Letztverbrauchern gewerbs- oder geschäftsmäßig oder regelmäßig in sonstiger Weise Waren oder Leistungen anbietet oder als Anbieter von Waren oder Leistungen gegenüber Letztverbrauchern unter Angabe von Preisen wirbt, hat die Preise anzugeben, die einschließlich der Umsatzsteuer und sonstiger Preisbestandteile zu zahlen sind (Gesamtpreis).

§ 1 Abs. 1 S. 1 PAngV: Wer Letztverbrauchern gewerbs- oder geschäftsmäßig oder regelmäßig in sonstiger Weise Waren oder Leistungen anbietet oder als Anbieter von Waren oder Leistungen gegenüber Letztverbrauchern unter Angabe von Preisen wirbt, hat die Preise anzugeben, die einschließlich der Umsatzsteuer und sonstiger Preisbestandteile zu zahlen sind (Gesamtpreis).

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LG München I: „Preis auf Anfrage“ im vorliegenden Fall wettbewerbswidrig

Das LG München I ist im vorliegenden Fall von einem „Anbieten“ i.S.d. § 1 Abs. 1 S. 1 PAngV und damit von einem wettbewerbswidrigen Verhalten der Beklagten ausgegangen. Diesbezüglich hat es ausgeführt:

Der Begriff des "Anbietens" im Sinne von § 1 Abs. 1 Satz 1 PAngV umfasst nicht nur Vertragsangebote im Sinne von § 145 BGB, sondern darüber hinaus jede Erklärung eines Unternehmers, die vom Verkehr in einem rein tatsächlichen Sinne als Angebot verstanden wird, soll sie auch noch rechtlich unverbindlich sein. Der Begriff des Anbietens von Waren gem. § 1 Abs. 1 Satz 1 PAngV umfasst dabei jede gezielt auf den Absatz eines bestimmten Produkts gerichtete werbliche Ankündigung und entspricht dem Begriff der "Aufforderung zum Kauf" gem. Art. 7 Abs. 4 der UGP-RL bzw. dem Begriff des "Angebots" in § 5 a Abs. 3 UWG.

Das OLG München ist der dieser Definition zwar grundsätzlich gefolgt, hat eine „Aufforderung zum Kauf“ der Beklagten mangels Preisangabe im konkreten Fall jedoch abgelehnt.

OLG München: „Aufforderung zum Kauf“ erfordert irgendeine Art der Preisangabe

Das OLG München schloss sich zunächst der Ansicht an, dass der Begriff des „Angebots“ i.S.v. § 1 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 PAngV dem Begriff der „Aufforderung zum Kauf“ i.S.v. Art. 7 Abs. 4, Art. 2 lit. i) UGP-RL (Richtlinie 2005/29/EG) entspricht (so übrigens auch der BGH: Kamerakauf im Internet, Urteil v. 16.07.2009- Az. I ZR 50/07).

Dementsprechend war zu klären, ob das Verhalten der Beklagten eine „Aufforderung zum Kauf“ darstellte.

Bezüglich der „Aufforderung zum Kauf“ ist anerkannt, dass dieser Begriff weiter als der des Angebots gem. § 145 BGB ist und jede gezielt auf den Absatz eines bestimmten Produkts gerichtete werbliche Ankündigung umfasst, bei der der Verbraucher soviel über das Produkt und dessen Preis erfährt, dass er sich für den Kauf entscheiden kann, ohne dass durch die Art der kommerziellen Kommunikation schon die tatsächliche Möglichkeit zur Tätigung des Kaufs bestehen muss. Das LG München I hatte verkannt, dass eine „Aufforderung zum Kauf“ die Nennung des Preises in einer wie auch immer gearteten Art und Weise, z-B. durch Angabe eines „Ab“-Preises, voraussetzt.

Dazu das OLG München:

Im Ergebnis kann daher kein Zweifel darüber bestehen, dass für eine „Aufforderung zum Kauf“ gemäß der eindeutig formulierten Definition in der UGP-RL und gemäß der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs stets auch die Angabe des Produktpreises erforderlich ist. Steht aber ein „Angebot“ i.S.d. Preisangabenverordnung einer Aufforderung zum Kauf gleich, muss auch ein Angebot i.S.v. § 1 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 PAngV einen Produktpreis enthalten.

Da sich die Beklagte zum Preis des einzelnen, konfigurierten Möbelstücks gerade in keiner Weise geäußert hat, handelt es sich bei der Darstellung auf der Homepage der Beklagten nach Durchführung des letzten Konfigurationsschritts gerade nicht um eine „Aufforderung zum Kauf“, sodass auch kein „Anbieten“ i.S.d. § 1 Abs. 1 S. 1 PAngV vorlag – so die Ansicht des OLG München. Nachdem das Verhalten der Beklagten demnach nicht unter den Tatbestand des § 1 Abs. 1 S. 1 PAngV zu subsumieren ist, besteht auch keine Pflicht, den Endpreis des konfigurierten Möbelstücks nach Maßgabe der PAngV anzugeben.

Auch dass das Ergebnis des OLG dazu führt, dass nach § 1 Abs. 1 S. 1 PAngV ein Preis angegeben werden muss, wenn bereits mit einem Preis geworben wird, stellt keinen Widerspruch dar. Das Gericht führte diesbezüglich aus, dass sich die Pflicht, den Preis gem. PAngV anzugeben, nicht in der Angabe irgendeines Preises erschöpfe, sondern vom Verkäufer der Endpreis sowie dessen Zusammensetzung anzugeben sei. Das Erfordernis der Preisangabe nach PAngV stellt aus Sicht des Verbrauchers demnach auch dann einen Mehrwert da, wenn bereits mit einem Preis geworben wird.

Auch kein Verstoß gegen § 4 Abs. 4 PAngV und § 5a Abs. 3 UWG

Am Rande stellte das OLG München ferner fest, dass das Verhalten der Beklagten auch keinen Verstoß gegen § 4 Abs. 4 PAngV und § 5a Abs. 3 UWG darstellt. Ein Verstoß gegen § 4 Abs. 4 PAngV scheidet aus, weil die Definition des „Angebot auf dem Bildschirm“ der Definition des „Anbietens“ i.S.d. § 1 PAngV entspricht. § 5a Abs. 3 UWG setzt ebenso wie § 1 Abs. 1 PAngV eine „Aufforderung zum Kauf“ voraus, sodass die Geschäftspraxis der Beklagten auch gegen diese Wettbewerbsvorschrift nicht verstößt.

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