OVG Saarland: Bei Telefonwerbung kommt es auf eine Einwilligung (und nicht das berechtigte Interesse) an

OVG Saarland: Bei Telefonwerbung kommt es auf eine Einwilligung (und nicht das berechtigte Interesse) an
03.07.2024 | Lesezeit: 8 min

In seinem Urteil hat das OVG Saarland geurteilt, dass es für berechtigte Telefonwerbung nicht auf die sog. berechtigten Interessen nach der Datenschutz-Grundverordnung ankommt. Vielmehr ist die Erteilung einer Einwilligung nach den wettbewerbsrechtlichen Spielregeln maßgeblich für die Beurteilung der Zulässigkeit von Telefonwerbung. Lesen Sie mehr zur Entscheidung des Gerichts in diesem Beitrag.

I. Was war geschehen?

Die Klägerin war ein Unternehmen, welches Datensätze von Firmen (v.a. Zahnarztpraxen und Laboren) aus öffentlich zugänglichen Verzeichnissen (z.B. den Gelben Seiten) speicherte, um diese später werblich per Telefon zu kontaktieren. Dabei ging es u.a. um die Nachfrage, ob die Zahnarztpraxen dem Unternehmen der Klägerin Edelmetalle verkauften.

Noch vor Inkrafttreten der DSGVO erließ die Datenschutzbehörde einen entsprechenden Untersagungsbescheid. Aufgrund der dann geänderten Rechtslage wollte die Klägerin nun geklärt wissen, ob aufgrund der Neuregelung das behördliche Verbot aufzuheben sei.

II. Wie hat das Gericht entschieden?

Das Oberverwaltungsgericht des Saarlandes verneinte die Frage der Klägerin und wies die Berufung dieser gegen das vorangegangene Urteil des Verwaltungsgerichts vom 15.12.2021 (Az.: 5 K 461/20) zurück.

1. Art.6 Abs. 1 lit. f DSGVO ist keine Rechtsgrundlage für Datenverarbeitung zum Zwecke der Telefonwerbung!

Nach Auffassung des Oberverwaltungsgerichts kann Art. 6 Abs. 1 lit. f DSGVO wegen der Fortgeltung des Art. 13 Abs. 3 der Richtlinie 2002/58/EU (der mitgliedstaatliche Regelungen, nach denen Telefonwerbung ohne Einwilligung des betroffenen Teilnehmers unzulässig ist, ausdrücklich zulässt) nicht als Rechtsgrundlage für die Datenverarbeitung zum Zweck der Telefonwerbung herangezogen werden.

Die Klägerin habe nicht überzeugend darlegen können, dass wettbewerbsrechtliche Wertungen bei der rechtlichen Beurteilung außer Betracht zu bleiben haben. Der Senat habe bereits in seinem Beschluss seine Rechtsauffassung geäußert - an dieser Rechtsprechung hält das Gericht auch weiterhin fest.

Die Richtlinie 2002/58/EG über die Verarbeitung personenbezogener Daten und den Schutz der Privatsphäre in der elektronischen Kommunikation (Datenschutzrichtlinie für elektronische Kommunikation) harmonisiere die Vorschriften der Mitgliedstaaten, die erforderlich sind, um einen gleichwertigen Schutz der Grundrechte und Grundfreiheiten, insbesondere des Rechts auf Privatsphäre und Vertraulichkeit, in Bezug auf die Verarbeitung personenbezogener Daten im Bereich der elektronischen Kommunikation sowie den freien Verkehr dieser Daten und von elektronischen Kommunikationsgeräten und -diensten in der Union zu gewährleisten (Art. 1 Abs. 1 RL 2002/58/EG).

Obwohl die Europäische Kommission am 10.1.2017 einen Vorschlag für eine Verordnung über Privatsphäre und elektronische Kommunikation vorgelegt habe, konnte sich der Europäische Rat bisher nicht auf eine Fassung der sogenannten ePrivacy-Verordnung einigen.

Aufgrund der Öffnungsklausel des Art. 13 Abs. 3 der Richtlinie 2002/58/EU12 , die Regelungen zu unerbetenen Nachrichten enthält und nationale Vorschriften, nach denen Telefonwerbung ohne Einwilligung des betroffenen Teilnehmers unzulässig ist, ausdrücklich zulasse, ist eine Berücksichtigung des § 7 Abs. 2 Nr. 1 UWG zulässig.

Nach Art. 2 lit. d der Richtlinie 2002/58/EG bezeichnet der Begriff "Nachricht" jede Information, die zwischen einer begrenzten Zahl von Teilnehmern mittels eines öffentlich zugänglichen elektronischen Kommunikationsdienstes ausgetauscht oder weitergeleitet wird. Darunter fallen Nachrichten, die per Telefon, Voice-Mail-System, Fax oder E-Mail übermittelt werden.

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2. Keine Unterscheidung zwischen Direkt- und Nachfragewerbung

Der Begriff „Werbung“ ist nach Auffassung des entscheidenden Gerichts in der DSGVO oder dem UWG nicht definiert. Dem Gesetz sei daher eine Unterscheidung zwischen Direkt- und Nachfragewerbung fremd.
Demnach greife der Einwand der Beschwerdeführerin gegen die Auslegung des Begriffs "Werbung" in der erstinstanzlichen Entscheidung nicht durch.

Der Begriff "Werbung" sei weder in der Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) noch im Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) ausdrücklich definiert. Die EU-Richtlinie über irreführende und vergleichende Werbung (EG 2006/114) definiert Werbung als

"jede Äußerung bei der Ausübung eines Handels, Gewerbes, Handwerks oder freien Berufs mit dem Ziel, den Absatz von Waren oder die Erbringung von Dienstleistungen zu fördern."

Telefonwerbung umfasse demnach alle Anrufe, die der Förderung des Absatzes von Waren oder der Erbringung von Dienstleistungen dienen. Eine Unterscheidung zwischen Direktwerbung und Telefonmarketing, wie sie von der Klägerin vertreten wird, werde vom Gesetzgeber jedoch gerade nicht vorgenommen.

3. Bewertungsmaßstäbe des § 7 Abs. 2 Nr. 1 UWG sind auch im Rahmen des Art. 6 Abs. 1 f DSGVO zu berücksichtigen

Nach Ansicht des Gerichts sind Werbeanrufe im B2C-Verhätnis gegenüber Verbrauchern sowohl aus wettbewerbsrechtlicher als auch aus datenschutzrechtlicher Sicht nach Art. 6 Abs. 1a, 7 DSGVO, § 7 Abs. 2 Nr. 2 1. Alt. UWG nur mit ausdrücklicher Einwilligung zulässig. Diese fehlte im vorliegenden Fall. Bei Werbeanrufen im „B2B“- Bereich hingegen reiche die mutmaßliche Einwilligung des Betroffenen.

Fehlten derartige Willenserklärungen der Angesprochenen, stellten Werbeanrufe ausnahmslos eine unzumutbare Belästigung nach § 7 Abs. 2 Nr. 1 UWG dar. Im Hinblick darauf, dass Art. 13 Abs. 3 und Abs. 5 RL 2002/58/EG nicht zwischen den Begriffen „Verbraucher“ und sonstige „Marktteilnehmer“, sondern nur zwischen natürlichen und juristischen Personen unterscheide und damit nicht mit dem Wortlaut des Art. 13 Abs. 3 und Abs. 5 Satz 1 RL 2002/58/EG übereinstimme, teilte der Senat die Auffassung der Beklagten und hielt an der Wirksamkeit des Untersagungsbescheids fest.

Auch wenn man annehmen würde, dass die Werbung auf die berufliche Tätigkeit des Werbeadressaten und damit auf den B2B-Bereich bezogen sei, liege keine mutmaßliche Einwilligung i.S.d. § 7 Abs. 2 Nr. 1 2. Alt. UWG der angesprochenen Zahnärzte vor. Der Bundesgerichtshof lehnte eine pauschalierende Betrachtungsweise dahingehend, die Zulässigkeit der Telefonwerbung davon abhängig zu machen, ob sie den eigentlichen Geschäftsgegenstand des Anzurufenden betreffe, ab.

Erforderlich, aber auch ausreichend sei es, dass der Anrufer unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls vermuten dürfe, der Anzurufende werde der Telefonwerbung ein sachliches Interesse entgegenbringen. Es genüge gerade nicht, dass der Anrufer von einem aktuellen oder konkreten Bedarf für die angebotenen Waren oder Dienstleistungen ausgehen darf. Vielmehr müsse hinzukommen, dass der Angerufene mutmaßlich gerade auch mit einer telefonischen Werbung einverstanden sein würde.

Entgegen der Ansicht der Klägerin könne dieses nicht schon daraus geschlossen werden, dass die angerufenen Zahnärzte ihre Telefonnummer in öffentlich zugänglichen Verzeichnissen bereitstellen. Dies diene nach Auffassung des Gerichts ausschließlich der Erreichbarkeit für Patienten. Der Verkauf von Edelmetallresten zur Gewinnerzielung sei zudem weder typisch noch wesentlich für die Tätigkeit eines Zahnarztes.

Selbst wenn man jedoch unter Einbeziehung des § 7 Abs. 2 Nr. 1 UWG die Anwendbarkeit des Art. 6 Abs. 1 f DSGVO grundsätzlich als möglich erachte, wäre ein berechtigtes Interesse der Klägerin vorliegend bereits aufgrund der wettbewerbswidrigen Verarbeitung zu verneinen mit der Folge, dass auch eine Interessenabwägung zu ihren Lasten ausfiele.

Mit Art. 6 Abs. 1 f DSGVO hat sich der europäische Gesetzgeber für den Weg einer flexiblen Interessenabwägung zwischen den berechtigten Interessen des Verantwortlichen und dem Interesse des Betroffenen entschieden und keine – den § 28 ff. BDSG a.F. vergleichbaren – Differenzierungen nach Erhebungs- und Verwendungszwecken normiert.

Entgegen der Auffassung der Klägerin habe sich durch die Neuregelung der Datenschutzgrundverordnung auch kein „Paradigmenwechsel“ bei der Beurteilung der Zulässigkeit von Werbeansprachen vollzogen. Die Abwägung in Art. 6 Abs. 1 f DSGVO erfolge an keinem anderen Maßstab als vorher.

Der Senat hatte bereits mit Beschluss vom 16.2.2021 (Az.: 2 A 355/19) entschieden, dass die Bewertungsmaßstäbe des § 7 Abs. 2 Nr. 2 UWG (a.F.), welcher der Umsetzung der Richtlinie 2002/58/EG dient, auch im Rahmen des Art. 6 Abs. 1 f DSGVO zu berücksichtigen seien. Ebenso hatte der Senat in diesem Beschluss ausgeführt, dass ein berechtigtes Interesse an einer Datenverarbeitung ohne Einwilligung im Sinne des Art. 6 Abs. 1 f DSGVO bereits aufgrund einer wettbewerbswidrigen Verarbeitung zu verneinen sei.

Die Bewertungsmaßstäbe des § 7 Abs. 2 Nr. 1 UWG seien zwar im Rahmen des Art. 6 Abs. 1 f DSGVO zu berücksichtigen. Und es sei zwar zutreffend, dass die Verarbeitung personenbezogener Daten für Direktwerbung ein berechtigtes Interesse nach dem Erwägungsgrund des 47 DSGVO darstellen könnten. Allerdings sei zu berücksichtigen, dass die Ziele, die mit der Verarbeitung verfolgt werden, unionrechtskonform sein müssten.

Dies habe zur Folge, dass sich die Klägerin nicht auf ein überwiegendes „berechtigtes“ Interesse berufen könne. Die datenschutzrechtliche Nutzung von Telefonnummern ohne vorherige ausdrückliche Einwilligung scheitere an den überwiegenden schutzwürdigen Interessen des Verbrauchers.

Auch unter der Annahme, dass die Werbeansprache der Klägerin im B2B-Bereich erfolgen würde und demzufolge ein Werbeanruf durch eine mutmaßliche Einwilligung aus Sicht des UWG grundsätzlich möglich sei (§ 7 Abs. 2 Nr. 1 2. Alt. UWG) , scheitere die Zulässigkeit daran, dass keine mutmaßliche Einwilligung der angesprochenen Zahnarztpraxen vorliege. Wenn für das werbende Unternehmen ein bestimmter Kontaktweg nach § 7 UWG nicht erlaubt ist, könne eine Interessenabwägung nicht zu seinen Gunsten ausfallen.

Lesetipp: Dokumentationspflichten für Einwilligungen bei Verbraucher-Telefonwerbung

Verbraucher dürfen telefonisch nur umworben werden, wenn sie in die Telefonwerbung zuvor ausdrücklich eingewilligt haben. Um eine lückenlosere Sanktionierung unerlaubter, einwilligungsloser Telefonwerbung sicherzustellen und die Einhaltung des Einwilligungserfordernisses effizienter zu kontrollieren, gelten mit § 7a UWG besondere Dokumentations- und Aufbewahrungspflichten für Unternehmen in Bezug auf die Einwilligung. Welche organisatorischen Anforderungen für die rechtskonforme Verbraucher-Telefonwerbung einzuhalten sind, zeigt dieser Beitrag.

III. Fazit

Im Rahmen der rechtlichen Bewertung von Telefon-Marketing ist die wettbewerbsrechtliche Einwilligung nach § 7 UWG, nicht hingegen das datenschutzrechtlich berechtigte Interesse nach Art. 6 Abs. 1 lit. f DSGVO, maßgeblich.

Demnach sind Werbeanrufe im B2C-Verhätnis gegenüber Verbrauchern nur mit ausdrücklicher Einwilligung zulässig. Bei Werbeanrufen im „B2B“- Bereich hingegen reicht die mutmaßliche Einwilligung des Betroffenen.

Beim Fehlen einer Einwilligung stellt ein Werbeanruf ausnahmslos eine unzumutbare Belästigung im Sinne des § 7 Abs. 2 Nr. 1 UWG dar. Die datenschutzrechtliche Nutzung von Telefonnummern ohne vorherige ausdrückliche Einwilligung scheitert dann schon u.a. an den überwiegenden schutzwürdigen Interessen des Verbrauchers.

Um auf der sicheren Seite zu sein, sollten Sie demnach für Werbung die Telefon-Akquise meiden und den rechtskonformen Weg wie z.B. die Briefpost wählen.

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