Was bedeutet die harte Brexit-Politik der britischen Regierung für deutsche Onlinehändler?
Es zeichnet sich ab, dass die neue britische Regierung eine eher harte Brexit-Position gegenüber der Europäischen Union einnehmen wird. Mittlerweile hat die britische Premierministerin angekündigt, den offiziellen Antrag zum Austritt aus der Europäischen Union spätestens im März 2017 zu stellen. Die IT-Recht Kanzlei hat in einem ersten Beitrag die Auswirkungen der möglichen Ausstiegsszenarien auf das britische Recht zum Onlinevertrieb von Waren und Dienstleistungen dargestellt. Ist diese erste Einschätzung durch die aktuelle politische Entwicklung in Großbritannien überholt? Wenn Sie diese Frage interessiert, dann lesen Sie den folgenden Beitrag.
1. EU-Fernabsatzrecht und künftiges britisches Fernabsatzrecht
Großbritannien war im hohen Maße an einem einheitlichen europäischen Online-Markt interessiert und war eine der wichtigsten Anwälte für die Formulierung entsprechender EU-Vorschriften. Es wäre verwunderlich, wenn nun Großbritannien diese von ihm wesentlich mitinitiierten Vorschriften nicht mehr gelten lassen will, insbesondere da eine entsprechende Änderung des britischen Rechts enorm schwierig und arbeitsaufwändig wäre. Was das künftiges britische Fernabsatzrecht angeht, so muss zwischen EU-Richtlinien und EU-Verordnungen unterschieden werden.
EU-Richtlinien
Großbritannien hat die bisherigen Richtlinien zum Online-Handel durch britische Umsetzungsgesetze in britisches Recht umgesetzt. Es spricht schon aus Gründen des notwendigen enormen Arbeitsaufwands wenig dafür, dass Großbritannien diese auf EU-Richtlinien basierenden britischen Gesetze annullieren wird. Allerdings würde in Zukunft der Europäische Gerichtshof für Großbritannien nicht mehr für eine einheitliche Anwendung dieses Richtlinienrechts sorgen können. Entsprechendes britisches Recht, das in der Anwendung nicht mehr den Urteilen des Europäischen Gerichtshofs unterworfen wäre, würde daher auf Grund von rein nationalen britischen Gerichtsentscheidungen in seiner Auslegung langsam von dem Standard in der EU wegdriften.
Etwas anderes gilt für künftige EU-Richtlinien wie zum Vertrieb von digitalen Inhalten (s. Beitrag der IT-Recht Kanzlei) und zur Harmonisierung des Gewährleistungsrechts (s. Beitrag der IT-Recht Kanzlei), die zur Zeit vom Europäischen Parlament beraten werden. Ein künftiges EU-Fernabsatzrecht könnte sich daher in wesentlichen Fragen vom einem künftigen britischen Fernabsatzrecht unterscheiden. Nicht ausgeschlossen wäre es allerdings, dass Großbritannien diese künftigen EU-Richtlinien, die mit auf britische Initiative hin auf den Weg gebracht wurden, in britisches Recht umsetzt.
EU-Verordnungen
EU-Verordnungen gelten in der EU unmittelbar und werden nicht durch Umsetzungsgesetz in das Recht der EU-Mitgliedsstaaten umgesetzt. Mit Austritt Großbritanniens aus der EU würden daher grundsätzlich EU-Verordnungen in Großbritannien nicht mehr gelten, es sei denn Großbritannien sieht hier eine andere Regelung vor. EU-Verordnungen spielen vor allem für die Frage der Rechtswahl eine Rolle, die in der sogenannten Rom I Verordnung geregelt ist. Allerdings würde dann in Großbritannien das Europäische Vertragsrechtsübereinkommen von 1980 zur Anwendung kommen, das mit dem Contracts (Applicable Law) Act von 1990 in britisches Recht umgesetzt wurde. Dieses Vertragsrechtsübereinkommen ist in vielen Punkten der Rom I Verordnung sehr ähnlich. Falls Großbritannien dieses Vertragsgesetz nicht annulliert, würde sich erst einmal nicht viel ändern. Auch hier gilt natürlich, dass künftig in der Auslegung dieses Abkommens der Europäische Gerichtshof für Großbritannien keinerlei Befugnisse mehr haben würde.
2. Fazit
Die sich jetzt abzeichnende harte Position der britischen Regierung in Sachen Brexit ändert nichts an der bereits getroffenen früheren Einschätzung zu einem künftigen britischen Fernabsatzrecht (s. früherer Beitrag der IT-Recht Kanzlei). Nach wie vor ist nicht bekannt, welche genaue Position die britische Regierung in Sachen Brexit in den künftigen Verhandlungen mit der Europäischen Union einnehmen wird. Dies wird in erheblichem Maße auch von der Position der Europäischen Union abhängen. Es gilt daher, das weitere Verfahren abzuwarten. Die IT-Recht Kanzlei wird hierzu berichten.
Tipp: Sie haben Fragen zu dem Beitrag? Diskutieren Sie hierzu gerne mit uns in der Unternehmergruppe der IT-Recht Kanzlei auf Facebook .
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