OLG Frankfurt a.M.: Durch ein Gewinnspiel "erkaufte" Kundenbewertungen wettbewerbswidrig
Unter der Vielzahl an Online-Händlern und Angeboten im Internet fällt es den Wettbewerbern oft schwer, mit ihrem Sortiment aufzufallen. Mit der Angebotsflut überforderte Nutzer klicken sich orientierungslos durch die Produktpalette verschiedener Anbieter und suchen nach Kriterien, anhand derer sie Ihre Kaufentscheidung treffen wollen. Als eine der wichtigsten Entscheidungshilfen gelten dabei die Kundenbewertungen anderer Käufer. Sie gelten im Gegensatz zur Werbung des Händlers als objektiv und vertrauenswürdig. Gute und viele Kundenbewertungen können für Händler einen echten Wettbewerbsvorteil darstellen, weshalb nach immer neuen Wegen gesucht wird, Kunden dazu zu animieren, Bewertungen zu veröffentlichen. Das OLG Frankfurt a.M. hatte in diesem Zusammenhang jüngst darüber zu entscheiden (Urteil vom 16.05.2019 - Az. 6 U 14/19), ob Händler ihre Kunden mit einem Gewinnspiel dazu animieren dürfen, Bewertungen abzugeben. Die IT-Recht Kanzlei stellt die Entscheidung vor.
Inhaltsverzeichnis
I. Der Fall
Die Antragsgegnerin vertrieb sowohl über eine Internetseite, als auch über ein Ladengeschäft Whirlpools. Über einen Post auf ihrer Facebook-Seite bot sie die Teilnahme an einem Gewinnspiel an, in dem ein Whirlpool zu gewinnen war. Um an dem Gewinnspiel teilnehmen zu können, sollten die User den entsprechenden Post zum Gewinnspiel liken, kommentieren und teilen sowie die Seite der Händlerin liken oder bewerten. Die abgegebenen Bewertungen erschienen auf der Facebook-Seite der Händlerin sowie auf der Plattform "Google-my-Business". Die Antragsstellerin, eine Mitbewerberin, sah hierin ein wettbewerbswidriges "Erkaufen" von Kundenbewertungen und mithin eine unlautere Werbemethode. Sie erwirkte vor dem LG Frankfurt a.M. infolge eine einstweilige Verfügung gegen die Antragsgegnerin mit der Maßgabe, das besagte Gewinnspiel in bisheriger Form einzustellen. Das erstinstanzliche Urteil hat das OLG Frankfurt a.M. sodann mit Urteil vom 16.05.2019 (Az. 6 U 14/19) bestätigt.
II. Die Entscheidung
Das Oberlandesgericht bestätigte, dass der Antragstellerin ein Anspruch auf Unterlassen aus §§ 3, 5 Abs. 1, 9 Abs. 1 und Abs. 3 Nr. 1 UWG zustehe. Werbung mit bezahlten Bewertungen sei unzulässig.
Das Gericht führte aus, dass die Bewertungen zwar nicht dem Wortsinn nach "erkauft" worden seien, aber die Bewertungen, die motiviert durch die Teilnahmemöglichkeit an dem Gewinnspiel geschrieben wurden, auch nicht frei abgegeben worden seien. Es sei davon auszugehen, dass ein nicht unerheblicher Teil der Kundenbewertungen deshalb abgegeben worden sei, weil dies mit einer Gewinnchance "belohnt" worden sei. Auch würde ein solches Gewinnspiel die User dazu motivieren, eher positive Bewertungen zu veröffentlichen, um die Gewinnchancen nicht zu gefährden oder gar zu erhöhen.
Maßgebend war für das Gericht dabei, dass Kundenbewertungen von Dritten grundsätzlich als objektiver wahrgenommen werden würden als eigene Äußerungen des Werbenden. Ein Kunde, der eine Empfehlung ausspreche, müsse in seinem Urteil frei und unabhängig sein. Ein zu Unrecht erzeugter Anschein der Objektivität sei daher irreführend und auch geeignet, den Verbraucher oder sonstige Marktteilnehmer im Sinne von § 5 Abs. 1 UWG zu einer geschäftlichen Entscheidung zu veranlassen, die er anderenfalls nicht getroffen hätte.
Darüber hinaus sei es keinesfalls so, dass Besuchern von Social-Media-Plattformen (unlautere) Bewertungspraktiken so geläufig seien, dass sie den Bewertungen keine objektive Aussagekraft mehr zumäßen. Wäre dies der Fall, würden wohl - auch von der Antragsgegnerin selbst - keine werthaltigen Belohnungen auf Bewertungen ausgesetzt werden.
Auch sei nicht relevant, ob die Bewertungen Produkte beträfen, oder nur eine generelle Bewertung des Social-Media-Auftrittes darstellten. Bereits die Anzahl der Bewertungen ließe Rückschlüsse auf die Bekanntheit des Unternehmens und seiner Produkte zu. Allein die Werbung mit einer hohen Zahl ganz überwiegend positiver Bewertungen sei insofern geeignet, Verbraucher dazu zu veranlassen, sich mit dem Angebot des Händlers näher zu befassen. Es könne nicht von allen Besuchern angenommen werden, dass sie die Bewertung inhaltlich durchgingen und selbst erkannten, dass diese nur anlässlich eines Gewinnspiels abgegeben wurden.
Zudem wies das Oberlandesgericht die Argumentation der Antragsgegnerin zurück, dass Kunden ohne Weiteres erkennen könnten, dass es sich bei den Angaben auf "Google my Business" um Werbung handelte. Der Vorwurf liege "nicht in der Schaltung getarnter Werbung, sondern in der (offenen) Werbung mit Bewertungen, die (verdeckt) gekauft wurden".
Zuletzt stellte das Gericht klar, dass es nicht darauf ankomme, dass die Antragstellerin bei lediglich zwei der 4.000 Bewertungen nachgewiesen habe, dass sie tatsächlich durch das Gewinnspiel veranlasst worden seien. Die Beeinflussung müsse sich nicht aus dem Text ergeben, denn es liege ohne Weiteres nahe, dass durch die Gewinnauslobung eine erhebliche Zahl an Bewertungen generiert worden sei.
III. Fazit
Das Urteil des OLG Frankfurt a.M. deutet darauf hin, dass jegliche Beeinflussung hinsichtlich des "Ob" und "Wie" der Abgabe von Kundenbewertungen mit dem Risiko verbunden ist, wegen irreführender Werbung mit Kundenbewertungen abgemahnt zu werden. Einmal mehr wird insofern deutlich, dass die Gewährung einer Gegenleistung für die Abgabe einer Rezension – und besteht sie nur in einer hypothetischen Gewinnchance – geeignet ist, deren vom Verkehr unterstellte Objektivität und Erfahrungsprägung in wettbewerbsverzerrender Weise zu beeinträchtigen. Online-Händlern, die Kundenbewertungssysteme in Anspruch nehmen, ist insofern zu raten, auf die Art und Weise der Bewertungsabgabe weder durch Gegenleistungen noch durch sonstige Anreize Einfluss zu nehmen.
Interessante weitere Ausführungen zur Zulässigkeit von Gegenleistungen für Kundenbewertungen im Online-Handel finden sich in diesem Beitrag der IT-Recht Kanzlei.
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